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unzähligen Katsa-Kriechpflanzen, die zweimal im Jahre an ihren vielverzweigten Ästen gelbe Äpfel treiben – Äpfel die man nicht berühren darf, die nichts sind als feinster Staub, den schon ein schärferer Lufthauch hochtreibt – und diese eigentümliche Erscheinung, die der Uneingeweihte stets für Sandwolken halten wird, steigerte sich noch zu richtigem dickem Nebel, als ein paar fauchende Sturmfanfaren über die Savanne jagten und das Heraufziehen des im Westen drohenden Gewitters anzeigten.

      Der Reiter war verschwunden ...

      Mein Bischarin trabte weit ausholend in dieses treibende Gewölk des ätzenden Blütenstaubs hinein – und ich riß das Tier nicht zurück, zu spät fiel mir ein, daß Freund Patumengi mich vor diesen Stellen, wo die Katsa so zahlreich vorkommt, eindringlich gewarnt hatte – erst meine tränenden Augen, der Hustenreiz in der Kehle, das immer stärker werdende Brennen der Augen und ein Seitensprung meines Dromedars mahnten mich an die nicht geringe Gefahr dieser übereifrigen Hetze.

      Die Tiere waren klüger als ich. Fennek-Mukki hatte längst kehrtgemacht, der arme kleine Kerl hatte ja den verderblichen Staub am allerstärksten schlucken müssen – ich so hoch zu Dromedar bekam den unwillkommenen Segen nur verdünnt zu kosten aber es genügte!

      Fennek, Bischarin – beide entflohen dem ätzenden gelben Nebel, beide führten mich dorthin zurück, wo Patumengi einem Halbblinden dann aus dem Sattel half und ihn mit Vorwürfen überschüttete.

      So endete dieses Abenteuer.

      Es war zugleich der Anfang der seltsamen Geschichte von Malmotta.

      2 Kapitel – Ganze Tage in Baobabs

      Und nun sitze ich, über den Augen eine feuchte Binde, auf der Veranda des Palastes des Zwergenkönigs, und neben mir hockt Patumengis Urenkelin, die kleine zierliche Doko-Prinzessin, ein Püppchen in klarem Leinen mit feuerroter Seidenschärpe, und erneuert beständig die kühlenden Kompressen.

      Wenn sie sie wechselt, wenn ich die Augen zu öffnen wage, dann sehe ich vor mir durch die blattlosen Zweige des Baobab-Baumes, in dessen Wipfel dieses Bambushaus hineingebaut ist, eine Anzahl anderer Baobabs und kleinerer Hütten, sehe ich die leichten Leitern, auf denen die Doko hinab- und hinaufsteigen zu ihren luftigen sicheren Behausungen – und senke ich den Blick hinab zur Baumlichtung, so gewahre ich die Ziegen, Schafe, Hunde, Dromedare des Zwergenvolkes, bewacht von kleinen gelbbraunen Dokos mit überlangen Bogen und vergifteten Pfeilen ...

      Dann ist das alles mir immer wieder aufs neue wie ein Traum ...

      Wer ahnt draußen in den riesengroßen Steinhaufen der Weltstädte mit ihrem Gestank und ihrem Lärm und ihrer Verlogenheit einer übereifrigen habgierigen Bevölkerung etwas von diesen Doko-Siedlungen?! Wer sah je Affenbrotbäume wie diese hier, eine ganzen Wald – Stämme, deren Alter nachweislich mehrere tausend Jahre beträgt – Baumriesen, bekannt vielleicht dem Namen nach aus den verschiedenen Regionen Afrikas als Baobab, Mbuju, Mowana oder Tabaldie.

      Mit einem Stammdurchmesser von mindestens zwölf Metern – mit riesigen weißen Blüten, die sehr rasch wieder abfallen, die dann die halbmeterlangen melonenähnlichen »Affenbrot«-Früchte hervorbringen, deren säuerliches Fruchtmark die Doko in tonnenförmige Tongefäße tun, gären lassen und nachher trinken – ein Zaubersaft, erquickend, leicht berauschend ...

      Viele der Baobabs sind innen hohl und dienen den Zwergen als Ställe für das Vieh. Alle aber haben die Eigentümlichkeit, daß sich die halbkugelige gigantische Baumkrone unten bis zur Erde hinzieht, sich auf den Boden stützt – also Säle oder Gemächer bildet, in die nur vereinzelt ein verlorener Sonnenstrahl dringt.

      Das hier ist Patumengis Reich, dieser ferne, große unbekannte Baobab-Wald – hier hausen die kleinen Menschlein unter Freund Patus strengem Regiment, abgeschlossen gegen die Außenwelt durch einen öden Steppengürtel, und doch wieder nicht abgeschlossen genug vor der Raubgier wilder, ziehender Somalihorden, die frech über die Grenzen kommen und stehlen und morden möchten.

      Patu hat das ihnen so ziemlich abgewöhnt. Patu hat hundert Krieger, die ganz modern bewaffnet sind – Patu besitzt Winchesterbüchsen, Pistolen, Patronen – und kennt kein Erbarmen! Wehe dem braunschwarzen Somal, der das Doko-Gebiet betritt ... Späher schützen das kleine Reich, riesige Signaltrommeln melden jeden verdächtigen Fremden, und drüben in der Steppe sah ich die langen Erdhügel, unter denen die Feinde der Doko den ewigen Schlaf gefunden.

      Das ist Patumengis Reich.

      Als ich es zum ersten Male durchquerte, als wir damals von dem Berge der Affen kamen und Freund Patu mir die Überraschung nicht verderben wollte und alles nur in kargen Worten vorher angedeutet hatte, da habe ich gestaunt, da habe ich still und tief bewegt des Gnomenkönig Hand gedrückt und mich nicht mehr darüber gewundert, daß gerade er der Vertraute eines abessinischen Kaisers gewesen ...

      Jetzt?!

      Patus Urenkelin legt mir Kompressen auf, und ihr Puppengesichtchen strahlt vor Freude, mir dienen zu können ...

      Blaues Leinen und feuerrote Seidenschärpe regen sich ...

      Prinzessin Matugira schiebt mir die Zigarre zwischen die Lippen und lacht und streichelt meinen Stachelbart. Seit vier Tagen unrasiert.

      ... Sie lacht und kichert und reibt mein Luntenfeuerzeug an und sagt in ihrem Urgroßvater-Kauderwelsch, ich solle nur ziehen ...

      Ich ziehe ...

      Die Zigarre brennt, und wir setzen unser vorsichtiges Gespräch fort.

      Patu und Peter Bolk sind in die Steppe hinaus – irgendwohin ...

      Wohin?! – Ich weiß es nicht. Keiner weiß es. Auch die zierliche Matugira, die zwölf Jahre alt ist und sehr bald heiraten wird, gibt stets vor, nichts zu wissen ...

      Sie schwindelt.

      Sie schwindeln alle hier, alle, die mich halbblinden Kranken hier besuchen kommen und mir die Zeit vertreiben wollen und ... die alle nicht ahnen, daß Olaf Karl Abelsen in diesem Falle der größte Schwindler ist.

      Es ist ja gar nicht mehr so schlimm mit meinen Augen. Ich kann sie getrost minutenlang offenhalten – gewiß, sie tränen, aber das rührt wohl mehr von dem Küchendunst her, der hier in der Baumkrone bei dieser abendlichen Windstille zäh zwischen den Ästen, Zweigen und Früchten hängenbleibt.

      Es ist ein unehrliches Spiel, dessen ich mich schämen müßte, wenn ich nicht immer an den Gefangenen dort drüben dächte – an den Fremden, den ich verfolgte, der auch in die Katsa-Nebel geriet, dessen armes Pferd zusammenbrach in schwerer Atemnot und den Patumengis Leibwache herbeischleppte und da unten in dem einen hohen Baobab einsperrte ...

      Nur ein einziges Mal habe ich das Gesicht dieses Fremden erblickt, und ich war betroffen von der weichen Schönheit dieses gebräunten Antlitzes und dem hellen Glanz des blonden Haares.

      Soll dieser Ärmste, blutjung, mehr Jüngling als Mann, ewig hier im Doko-Reiche festgehalten werden?! Was haben sie mit ihm vor?!

      Ich weiß, es nicht. Patu und Bolk reden nie über ihn, und gerade das erscheint mir verdächtig und bedrohlich.

      Die kleine Prinzessin plappert und redet, Fennek-Mukki liegt mir zu Füßen, die Abendsonne vergoldet den riesigen Wald, die Tiere unten in den Lichtungen drängen sich zusammen – Feuer der Hirten flackern auf, Leoparde und Wildhunde lieben das Ziegenfleisch, und der Urwald hat Schluchten und Dornendickichte, murmelnde Quellen, Bäche und alle Wunder dieses seltsamen Grenzlandes, das noch zum Reiche Abessinien gehört und doch ein Reich für sich ist ...

      Der Abend ist da.

      Die Nacht ist da.

      Matugira holt mir die Mahlzeit, es kommen zwei Unterhäuptlinge, reden, reden ...

      Ich wünsche anderes.

      In dieser Nacht werde ich mein luftiges Gemach des großen Bambuspalastes heimlich verlassen und den Fremden sprechen.

      Matugira füttert mich mit Hirsekuchen und Taubenfleisch und gibt mir Baobab-Wein zu trinken. Ich habe das ekle Gefühl, daß ein Judas Ischariot hier

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