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      Walther Kabel

      Malmotta – das Unbekannte

      Saga

      Malmotta – das UnbekannteCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1951, 2019 Walther Kabel und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788711638071

      1. Ebook-Auflage, 2019

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      1. Kapitel – Das Grab in der Savanne

      Es lohnt sich, darüber zu berichten, wie ich Kapitän Peter Bolk, den Eigentümer eines jämmerlichen Küstenfahrers, einen Deutschen von Geburt, kennenlernte. Mein Weg abseits des Alltagsweges hatte mich in die Urwaldregion der südöstlichen Grenzgebiete Abessiniens geführt, und hier hatte ich Patumengi, den Häuptling der Dokozwerge kennengelernt.

      Patumengi erwartete Peter Bolk, der ihn regelmäßig alle drei Monate besuchte.

      »Das ist er, Olaf ... » flüsterte der Zwergenhäuptling grinsend.

      Er hatte Grund zum besonderen Lächeln.

      Was da nahte, war ein Unikum, ein Original, eine Rarität. Ich hätte mir den Mann weit eher in die Gefilde Karl Mayscher Indianerromantik hineingewünscht als hier in die Urwaldregion des südöstlichen Grenzgebiete Abessiniens.

      Ich nahm mein Fernglas und beäugte das Wunder.

      ... Peter Bolk war ein hagerer Mensch mit einem ungepflegten weißen Patriarchenbart, mit einer dicken blauroten Nase im tiefgebräunten, tiefgekerbten fleischlosen Gesicht: ein mit Haut und Haaren überzogener Totenkopf.

      Anzug?!

      ... Ein längst ausgedienter blauer Jackenanzug mit goldenen Ankerknöpfen, ein Gummikragen, eine speckige schwarze Schleife, hohe Schaftstiefel, in denen die zerknüllten Hosen staken ...

      Und doch ...

      Selbst die Kapitänsmütze, mochte sie noch so verwittert sein, saß keck auf einem Ohr, und der Gesamteindruck Peter Bolks verbesserte sich entschieden bei kritischer Würdigung der Einzelheiten seiner Erscheinung.

      Daß er um die doppelreihige Jacke einen Ledergurt geschnallt hatte, an dem die Futterale zweier Pistolen hingen – daß er vor sich am Sattelknopf eine kurze Winchesterbüchse griffbereit baumeln ließ – daß er auf dem Rücken am Riemen ein Messingfernrohr von museumsreifer Antike sehen ließ ... – Nebensachen alles!

      Patumengi trat ins Freie.

      Patumengi ist etwa 1,10 Meter groß, aber sein Kopfputz aus Federn läßt ihn dreißig bis vierzig Zentimeter dazumogeln.

      Er, intimer Vertrauter eines abessinischen Kaisers, er, so alt, daß er seine Jahre nur mehr schätzen kann, er, Gebieter von tausend Dokozwergen, verteilt auf sechs Baumsiedlungen – er mit einem durch Silberspangen zusammengehaltenen Leopardenfell, mit dem zerknitterten, mehr gelblichen als braunen Gesicht, begrüßte den Ankömmling mit der natürlichen Würde eines Greises, dessen Vergangenheit mehr Abenteuer aufweist, als in einem Dutzend Romane sich zusammendrängen ließ – er sprach zu Käpten Bolk in seinem seltsamen Kauderwelsch, das vielleicht an das Englische erinnerte:

      »Sei willkommen in meinem Reiche, du Sohn des Meeres – hier ist mein Freund Abelsen – schenke ihm deine Seele, denn seine eigene Seele ist wie die weite Steppe, die im Sonnenlicht daliegt und keine Schatten besitzt.«

      Peter Bolk schien jedoch dieser blumigen Empfehlung nicht recht zu trauen. Aus seinen klaren blauen Augen traf mich und meinen Fennek ein nadelscharfer Blick.

      »Seit wann hast du dir den Gentleman als Prunkstück zugelegt, alter Patu?!«

      Patumengo nahm diese kühle Abweisung gelassen hin.

      »Dein Herz ist hart,« sagte er nachsichtig. »Ich kenne dich ... Ich kenne auch Olaf Abelsen. Er war mit im Berge des Affen, o Sohn des Meeres.«

      Peter Bolks Mißtrauen war nicht so leicht zu zerstreuen.

      »Mister Abelsen,« meinte er grobschlächtig, »was sind Sie von Beruf?«

      Er hatte sein Tier niederknien lassen und war abgestiegen. Er hielt sich gebückt, seine Gestalt wirkte schlaff und altersgebeugt, er schien ohne geistige und körperliche Spannkraft zu sein, er hatte die trägen Bewegungen eines Menschen, der vom Leben nichts mehr erwartet, dem alles gleichgültig ist, dem das Schicksal mißlaunige Nackenschläge verabfolgte, bis der davon Betroffene eben zusammenbrach.

      Aber – seine Augen.

      Sie waren jung, fast zu jung, sie leuchteten in einem Feuer, das entschieden alles andere an dieser Persönlichkeit Lügen strafte, in ihnen schimmerte die klare Weite der Ozeane, funkelte der Nachglanz toller Orkane mit zuckenden Blitzen.

      »Mein Beruf, Mr. Bolk?« erwiderte ich belustigt. »Einst Ingenieur, dann Sträfling, zur Zeit steckbrieflich Verfolgter, Weltentramp, Abenteurer, Nichtstuer, meinetwegen auch Opfer der irrenden Dame Justitia, die man vorsichtshalber stets mit einer Bilde vor den Augen darstellt – ein dickes Brett wäre besser. – Wünschen Sie noch mehr?«

      Seine Blicke durchforschten mein Gesicht.

      »Patumengi ist Menschenkenner,« murmelte er. »Und – alle zwanzig Jahre kehrt sie wieder – die Tatsachen sind nicht wegzuleugnen ...«

      Seine Züge bekamen etwas Träumerisches.

      »Alle zwanzig Jahre – es stimmt schon ...«

      Er wandte den Kopf zur Seite, dann aufwärts. Er starrte in den lichtblauen Himmel, der vom Sonnenglast erfüllt war. Ein paar Aasgeier schwebten träge über einer fernen Baumgruppe ...

      Patumengi raunte mir zu: »Du siehst, er hat seine Anfälle, er ist krank ...«

      Peter Bolks Gesichtsmuskeln zuckten wie im Krampf. Er bemerkte nicht einmal, daß mein Mukki-Fennek, echter nubischer Wüstenfuchs, schlauer als ein Pudel, anhänglicher als der treueste Hund, seine hohen stark gefetteten Schaftstiefel beschnupperte. Fenneks buschige Rute reckte sich langsam hoch, die Fledermausohren richteten sich auf, und Mukki stieß ein ganz sanftes, leises Kak-Kak- Kak-Kak aus.

      Mukki ist mir sicherster Charakterdeuter. Peter Bolk mochte geisteskrank, verkommen, entgleist sein: ein übler Wicht war er niemals. Der Fennek »riecht« die Abgründe der Seele.

      Nun senkte der Käpten den Kopf, sein Gemurmel erstarb, er bückte sich, streichelte Fenneks gelbliches Seidenhaar und sagte dazu:

      »Sie lieben Tiere, Abelsen ...«

      »Ja!«

      »Das spricht für Sie. – Habt ihr eure Dromedare in der Nähe?«

      Der Zwergenkönig spähte in die Ferne. »Ich hörte drei Schüsse, o Sohn des Meeres, und dort kreisen die Geier ...«

      Peter nickte. »Sie waren wieder hinter mir her, die Schufte ... Und dann waren sie vor mir, alter Patu. Aber mit solchen Schlichen fängt man Käptn Bolk nicht ... Reiten wir hinüber. Sie sind tot. Lebend wollten sie mich haben. Die Würfel fielen gegen sie. Es war ein ehrlicher Kampf von meiner Seite, Abelsen.«

      Er schaute mich an. »Die drei kämpften unehrlich. Einer mag Pferdedieb in Texas gewesen sein. Er warf den Lasso wie ein Jongleur, aber meine Kugeln waren flinker.«

      Patumengi hatte unsere Dromedare durch einen Pfiff herbeigelockt. Wortlos trabten wir zu den fernen Büschen. All das war sehr seltsam.

      Wortlos betrachtete ich die Toten, drei Kerle wie Strauchdiebe. Jedem saß die Kugel im Hirn.

      Bolk sagte kalt: »Das sind sie ... Vor zwanzig Jahren waren sie jung ... Sie wußten viel, und sie klebten sich an meine Fährte, bis sie mich fanden ... Narren!! Als ob’s auf Malmotta Gold gegeben hätte!« Er lachte bitter.

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