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eine Analyse der spezifischen Kausalität des Lebendigen einschließt. – Kapitel 4 entwickelt auf dieser Basis eine Konzeption des Gehirns als Organ eines Lebewesens in seiner Umwelt. Kapitel 5 betrachtet dann, unter Einbeziehung entwicklungspsychologischer Forschungen, das Gehirn als soziales, kulturelles und geschichtliches Organ. Kapitel 6 wird sich mit einigen Folgerungen dieser ökologischen und aspektdualistischen Konzeption für das Leib-Seele-Problem befassen. Abschließend untersucht Kapitel 7 mögliche Konsequenzen der Konzeption für ätiologische und therapeutische Konzepte in der psychologischen Medizin.

      Teil A: Kritik des neurobiologischen Reduktionismus

      1 Kosmos im Kopf?

      Übersicht. – Kapitel 1 enthält eine Kritik der neurokonstruktivistischen Erkenntnistheorie, wonach die phänomenale Wirklichkeit als interne Abbildung oder Konstruktion der Außenwelt durch neuronale Prozesse zu begreifen sei. Wie sich zeigt, liegt dieser Konzeption nach wie vor die idealistische Bildtheorie der Wahrnehmung zugrunde (image Kap. 1.1). Die Kritik betont demgegenüber den verkörperten Charakter der Wahrnehmung, die immer mit den motorisch-operativen Möglichkeiten des Leibes verknüpft ist. Um die subjektiv-leibliche Räumlichkeit als nicht nur virtuell zu erweisen, wird ihre Koextensivität mit dem Raum des objektiven Körpers bzw. des Gesamtorganismus ausführlich nachgewiesen (image Kap. 1.2). Von hier aus lässt sich nun auch, entgegen der Konzeption einer phänomenalen Innenwelt, die objektivierende Leistung der Wahrnehmung erkennen, die uns durch aktive Nachgestaltung mit den Dingen in unmittelbare Beziehung bringt (image Kap. 1.3). Schließlich wird die Behauptung der bloßen Virtualität wahrgenommener Qualitäten am Beispiel der Farben kritisiert (image Kap. 1.4).

      Dass alles, was Menschen erleben, in Wahrheit eine Konstruktion oder Vorspiegelung ihrer Gehirne sei, gehört zu den gängigen Überzeugungen von Neurowissenschaftlern und Neurophilosophen. Von Schmerz oder Ärger über Farben oder Musik bis hin zu Liebe oder Glauben gibt es kaum noch ein Phänomen, das nicht im Gehirn untergebracht wird. Die nahezu selbstverständlich gewordene Ansicht, dass die Wirklichkeit im Kopf zu finden sei, »… führt zu der vieldiskutierten Frage: Wie kommt die Welt nach draußen? Die Antwort lautet hierauf: Sie kommt nicht nach draußen, sie verlässt das Gehirn gar nicht« (Roth 2003, 48). Die Wahrnehmung wird somit gewissermaßen zu einer physiologischen Illusion. Typische Beschreibungen lauten dann etwa folgendermaßen:

      »Die geistige Multimedia-Show ereignet sich, während das Gehirn externe und interne Sinnesreize verarbeitet …« (Damasio 2002).

      »… die Welt um Sie herum, mit ihren reichen Farben, Texturen, Klängen und Gerüchen ist eine Illusion, eine Show, die Ihnen von Ihrem Gehirn vorgeführt wird […] Wenn Sie die Realität erfahren könnten, wie sie wirklich ist, wären Sie schockiert von ihrer farblosen, geruchslosen, geschmacklosen Stille« (Eagleman 2015, 37; eig. Übers.).

      »Bewusstes Erleben gleicht einem Tunnel. (…) Zuerst erzeugt unser Gehirn eine Simulation der Welt, die so perfekt ist, dass wir sie nicht als ein Bild in unserem eigenen Geist erkennen können. Dann generiert es ein inneres Bild von uns selbst als einer Ganzheit. (…) Wir stehen also nicht in direktem Kontakt mit der äußeren Wirklichkeit oder mit uns selbst (…). Wir leben unser bewusstes Leben im Ego-Tunnel« (Metzinger 2009, 21 f.).

      »Unsere Wahrnehmung ist (…) eine Online-Simulation der Wirklichkeit, die unser Gehirn so schnell und unmittelbar aktiviert, dass wir diese fortwährend für echt halten« (Siefer u. Weber 2006, 259).

      Nach dieser neurokonstruktivistischen Konzeption ist die reale Welt also in dramatischer Weise verschieden von der, die wir erleben. Was wir wahrnehmen, sind nicht die Dinge selbst, sondern nur Bilder, die sie in uns hervorrufen – wie die Schattenrisse an den Wänden der platonischen Höhle. Die tatsächliche Welt ist eher ein trostloser Ort von Energiefeldern und Teilchenbewegungen, bar jeder Qualitäten. Der Baum vor mir ist eigentlich nicht grün, seine Blüten duften nicht, der Vogel in seinen Zweigen singt nicht melodisch: Das alles sind nur zweckmäßige Scheinwelten, die das Gehirn anstelle nackter, materiell-kinematischer Prozesse erzeugt. Das milliardenfache Flimmern neuronaler Erregungen vermittelt mir die Illusion einer Außenwelt, während ich in Wahrheit eingesperrt bleibe in die Höhle meines Schädels, in meinem »Ego-Tunnel«.

      Freilich leben auch Neurowissenschaftler oder -philosophen mit dieser Einsicht weiter in der alltäglichen Lebenswelt. Doch das Ergebnis der naturwissenschaftlichen Umdeutung ist eine schleichende Virtualisierung der Wahrnehmung – so als dürften wir unseren Sinnen grundsätzlich nicht trauen, ja wir seien in der Wahrnehmung gar nicht mit den Dingen selbst in Kontakt. Nur die Physik oder die Neurobiologie könnten uns über die wahre Natur der Welt aufklären.

      Woher stammen solche Konzeptionen? – Wie wir sehen werden, trägt gerade die Erkenntnistheorie der Hirnforschung immer noch die Erblast ihres größten Gegners mit sich, nämlich des Idealismus.

      Bereits in der Einleitung wurde dargestellt, wie das reduktionistische Programm der Naturwissenschaften nach und nach alle qualitativen Bestimmungen aus der Natur eliminierte. Farbe, Wärme, Geruch, Geschmack, aber auch Kategorien wie die Zweckhaftigkeit oder Zielverfolgung von Lebewesen wurden als anthropomorphe Zutaten dem menschlichen Subjekt zugeschlagen. Diese Aufteilung hatte bereits der antike Atomismus vorgenommen – in den Worten Demokrits:

      In der Neuzeit griff Galilei diese Lehre wieder auf:

      John Locke kanonisierte diese Auffassung durch die Unterscheidung der primären und sekundären Wahrnehmungseigenschaften: Primär oder »wirklich« seien nur die quantitativen Kategorien (Volumen, Gestalt, Zahl und Bewegung), sekundär oder anthropomorph alle qualitativen Eigenschaften (Farben, Geruch, Geschmack, Klang).

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