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Tödliche Hände. Marie Louise Fischer
Читать онлайн.Название Tödliche Hände
Год выпуска 0
isbn 9788711719183
Автор произведения Marie Louise Fischer
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
»Wenn Sie erlauben, werde ich mich jetzt zurückziehen«, sagte Maria Sebaldt zu den anderen. »Falls Sie irgendwelche Wünsche haben, wenden Sie sich an Anton. Bitte, Anton, leg doch noch ein paar Scheite nach, damit unsere Gäste nicht frieren müssen.«
Seite an Seite mit Annette verschwand sie im Dunkel des Ganges. Die anderen setzten sich.
»Wie ist der Mörder an das Stilett gekommen?« fragte Monika Müller.
»Der Dolch hing im Séance-Zimmer an der Wand«, antwortete der Oberlehrer.
»Ja, das ist richtig«, bestätigte Mr. Pearson. »Ich interessiere mich für solche alten Sachen. Ich habe ihn sofort gesehen.«
»Wo?« fragte Monika Müller.
»Da Sie es so genau wissen wollen: Der Dolch hing an der Querwand des Raumes, schräg hinter dem Rücken Kasimir Kratkys«, antwortete Dr. Zacharias.
»Aber sind denn diese alten Waffen hier so scharf geschliffen?«
»Das Stilett, mit dem Kasimir Kratky getötet worden ist, war es wahrscheinlich.«
»Das wäre nicht einmal nötig gewesen«, erklärte Sir Ambery. »Der menschliche Körper ist verletzlicher, als man glaubt. Ein Brieföffner, richtig geführt…«
Er ließ mit der rechten Hand einen imaginären Brieföffner so anschaulich durch die Luft sausen, daß Mrs. Pearson leise aufschrie.
»Wenn die Klinge des Stiletts wirklich geschliffen war, muß der Mord von langer Hand vorbereitet gewesen sein«, folgerte Monika Müller.
»Aber hören Sie denn nicht?« widersprach ihr der Arzt. »Sir Ambery hat doch gerade erklärt, daß sie gar nicht geschliffen gewesen sein muß.«
»Dann gehörte ungewöhnliche Kraft dazu«, behauptete Monika. »Demnach ist der Mörder ein Mann.«
»Ich bitte dich, Monika, hör auf damit«, flehte Lisa, ihre Schwester, sie an.
Monika Müller sah Lisa an und begriff erst jetzt, daß diese am Ende ihrer Kraft war.
»Sie sollten sich ausruhen, gnädige Frau«, sagte Dr. Zacharias, nachdem er Lisa, die Frau des Staatsanwalts, prüfend gemustert hatte. »Anton, führe die gnädige Frau in ein Zimmer, in dem sie sich hinlegen kann.«
»Selbstverständlich«, erklärte sich Anton sofort dazu bereit.
Monika Müller faßte ihre Schwester unterm Arm. »Komm, ich werde dich begleiten.«
Sie folgten Anton durch den breiten Gang und einige Stufen hinauf.
Anton öffnete eine Tür, in deren Schloß ein ungewöhnlich großer, verschnörkelter Schlüssel steckte.
Sie traten in ein geräumiges, hohes Zimmer. Wenn man von Staub und Moder absah, wirkte es ausgesprochen elegant. Die Wände waren mit verblichenen, altrosa Seidentapeten verkleidet. Es gab einen großen, kunstvoll gerahmten Toilettenspiegel mit einem niedrigen Hocker davor und ein sehr breites Bett mit einer rosa Seidendecke.
Monika Müller stieß eines der kleinen Butzenfenster auf, aber die feuchte, neblige Nachtluft, die von außen hereindrang, war um nichts angenehmer als die kalte Moderluft im Zimmer.
»Könnten Sie Feuer machen?« bat Monika Anton und wies auf den runden Kamin, in dem verstaubtes Feuerholz aufgeschichtet war.
»Sofort.« Anton holte aus der Tasche eine Schachtel Streichhölzer hervor, ging in die Kniebeuge und riß ein Hölzchen an.
»Am besten legst du dich gleich hin«, sagte Monika zu ihrer Schwester Lisa, die blaß und verloren im Zimmer stand.
»Wenn Sie Bettwäsche wünschen …«, erbot sich der Diener.
»Nein, danke, Anton. Wir werden ja wohl nicht die ganze Nacht hierbleiben müssen.«
»Wer weiß?« murmelte Anton.
Lisa hatte sich aufs Bett gelegt und die Augen geschlosen. Sie atmete tief und regelmäßig. Wahrscheinlich war sie vor Erschöpfung eingeschlafen.
Monika trat zum Kamin, wo Anton sich immer noch bemühte, Feuer zu machen. »Anton, haben Sie eigentlich etwas bemerkt, als der Mord geschah?«
»Wann ist der Mord geschehen?« fragte er zurück.
Diese Gegenfrage war berechtigt. Monika sagte: »Ich meine, haben Sie etwas bemerkt, als Sie ins Zimmer traten? Zufällig ist mir nämlich aufgefallen, daß Sie die Tür schon geöffnet hatten, bevor das Licht angeknipst wurde.«
»Sie haben eine sehr gute Beobachtungsgabe, gnädiges Fräulein«, entgegnete Anton, »deshalb werden Sie verstehen, daß ich nichts bemerkt haben konnte. Es ist bekanntlich ganz unmöglich, etwas zu sehen, wenn man von einem erleuchteten Raum in ein vollkommen dunkles Zimmer tritt.«
»Sagen Sie, Anton, es war doch Kasimir Kratky, der Frau Sebaldt drängte, die Burg zu verkaufen, nicht wahr?« »Sehr wohl, gnädiges Fräulein.«
»Ihnen kann es doch keine Freude bereiten, in Ihren alten Tagen hier wegziehen zu müssen.«
»Nein, sicher nicht.«
»Nun, durch den Tod Kasimir Kratkys hat sich diese Sache doch wohl erledigt.«
Ganz unvermittelt fingen die Scheite Feuer. Prasselnd schossen die Flammen hoch. Anton erhob sich und klopfte sich den Staub von den Knien. »Haben gnädiges Fräulein sonst noch Wünsche?«
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir meine Frage beantworten würden.«
»Oh, natürlich. Ja, sehen Sie, Burg Eberstein ist schon verkauft. Ich werde also doch wegziehen müssen. Aber wenn ich dem gnädigen Fräulein einen Rat geben darf …«
»Ja?«
»Es wäre besser, man ließe die Dinge auf sich beruhen.«
»Was soll das heißen?«
»Neugier kann manchmal sehr gefährlich werden.« Der Diener zog seine nicht mehr ganz weißen Zwirnhandschuhe an. »Kasimir Kratky war kein guter Mensch.« »Sie meinen doch wohl nicht, daß man den Mörder laufenlassen sollte?«
Antons schmale Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »Sie haben nicht bedacht, daß der Mörder ein Mensch sein könnte, der Ihnen selber nahesteht.«
Er verbeugte sich und ging rückwärts aus dem Zimmer.
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