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Jahrhundert gab«, klärte Lorenz den Mann auf.

      »Das wusste ich nicht, danke«, sagte der Mann und wandte sich wieder seiner Begleitung zu.

      »Ich habe in der Schule gut aufgepasst«, raunte Lorenz Franziska zu, als sie ihn erstaunt ansah.

      »Daran zweifle ich nicht«, entgegnete sie und genoss den heißen Schauer, der ihr über den Rücken lief, als Lorenz ihr in die Augen schaute.

      »Wollen wir morgen wieder etwas unternehmen?«, fragte Lorenz, als sie sich spät am Abend vor ihrer Haustür verabschiedeten und Franziska es lange nicht fertigbrachte, endlich die Tür aufzuschließen, weil das bedeutete, sich von Lorenz trennen zu müssen.

      »Aber du solltest keinen Sonntagsspaziergang einplanen. Das wäre mir ein bisschen zu anstrengend.«

      »Wir könnten in ein Café gehen und Spaziergänger beobachten.«

      »Einverstanden, das machen wir.«

      »Morgen Vormittag muss ich noch einige Büroarbeiten erledigen. Wenn es dir recht ist, hole ich dich um zwei Uhr ab.«

      »Ich freue mich darauf.«

      »Dann bis morgen«, sagte er und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor er ihr die Tür aufhielt.

      »Bis morgen, Lorenz«, entgegnete sie und ging ins Haus. Ich vermisse ihn jetzt schon, dachte sie, als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.

      *

      Wie jeden Sonntagvormittag telefonierte Franziska per Videokonferenz mit ihren Eltern. Um sie nicht aufzuregen, verschwieg sie ihnen, was ihr passiert war. Stattdessen verkündete sie positive Nachrichten. Sie erzählte ihnen von dem neuen Arzt, auf den sie große Hoffnungen setzte, und dass sie endlich einen Physiotherapeuten gefunden hatte, der sich auch mit Akupunktur auskannte. Dabei musste sie sich nicht einmal verstellen, um gute Laune zu verbreiten.

      Der wundervolle Tag mit Lorenz hatte ihr gutgetan. Sie fühlte sich voller Tatendrang und sie war zuversichtlich, dass alles wieder in Ordnung kommen würde. Am Ende des Telefonats versprach sie ihren Eltern, dass sie sie bald wieder besuchen würde, und das Lächeln der beiden zeigte ihr, dass sie sie mit einem guten Gefühl zurückließ.

      Nach dem Gespräch mit den Eltern setzte sie sich auf den Balkon und fragte sich, wie weit das mit ihr und Lorenz wohl gehen würde. Sie war immer noch nicht sicher, ob es nicht doch der Mitleidseffekt war, der sie für ihn interessant machte, und dass er sein Interesse an ihr verlor, sobald sie nicht mehr so hilflos und schutzbedürftig erschien, wie es zur Zeit der Fall war.

      »Ich denke zu viel nach«, murmelte sie und schaute an den Himmel.

      Lass deine Gedanken mit den Wolken fortziehen, die angenehmen und die unangenehmen, hörte sie Lorenz wieder sagen, und obwohl er nicht bei ihr war, beruhigte sie allein die Erinnerung an seine Worte.

      Um zwölf aß sie noch eine Kleinigkeit zu Mittag, danach zog sie sich für ihr Treffen mit Lorenz um. Sie entschied sich für eine gelbe Jeans, eine weiße Bluse und bequeme weiße Turnschuhe. Als sie um kurz vor zwei das Haus verließ, um Lorenz nicht warten zu lassen, stieg er gerade aus seinem Auto. Er begrüßte sie mit einer Umarmung, und als er sie wieder losließ, versank sie für einen Moment in seinen Augen, so als wäre da nur dieses tiefe Blau, das sie magisch anzog.

      »Wir könnten in das Café in der Fußgängerzone gehen«, schlug er vor.

      »Gute Wahl, um Spaziergänger zu beobachten«, stimmte sie seinem Vorschlag gleich zu. »Außerdem ist es nicht so weit, den Weg schaffe ich auch zu Fuß mit den Krücken, dann habe ich wenigstens einen kleinen Spaziergang gemacht.«

      »Und kannst dich mit einem Stück Kuchen belohnen«, sagte er lächelnd.

      »Genauso ist es«, antwortete sie und erwiderte sein Lächeln.

      So wie jeden Sonntag war in der Fußgängerzone einiges los. Familien mit kleinen Kindern, Großeltern und kläffenden Hunden, junge Paare, Senioren und sogar einige Touristen, die sonst in der Innenstadt unterwegs waren, flanierten durch die Straßen.

      Franziska und Lorenz hatten Glück. Als sie das Café erreichten, wurde gerade einer der runden Tische frei, die unter dem Laubdach einer Linde standen. Von dort konnten sie fast die gesamte Fußgängerzone überblicken. Sie bestellten ein Kännchen Kaffee und Zwetschgenkuchen mit Sahne, sahen den Spaziergängern nach und grüßten die Leute, die ihnen zuwinkten. Durch die Schule kannte Franziska inzwischen viele Einwohner dieses Stadtteils, zumindest vom Sehen, und Lorenz, der in diesem Stadtteil aufgewachsen war, kam nicht nur durch seine Praxis und die Hausbesuche, die er regelmäßig unternahm, mit vielen Menschen in Kontakt.

      »Da schau her, die Frau Lehrerin macht es sich recht gemütlich.« Gusti Meier, die mit einem Mann in Trachtenjacke, unter der sich ein dicker Bauch wölbte, durch die Fußgängerzone spazierte, blieb vor Franziska stehen und sah sie von oben herab an.

      »Was wollen Sie von mir, Frau Meier?«, fragte Franziska genervt.

      »Ich will nur, dass Sie unsere Schule verlassen. Sie besitzen kein Gespür für Gerechtigkeit. Wie Sie wissen, ist meine Tochter im Elternbeirat und hat bereits ihre Bedenken in Bezug auf Ihre Notenvergabe geäußert.«

      »Sie kann Ihre Bedenken ruhig äußern. Ich kann jede Note begründen, die ich vergebe.«

      »Wir werden sehen.«

      »Lass es gut sein, Schatzel«, versuchte Toni Meier, seine Frau zum Weitergehen zu bewegen.

      »Es ist erst gut, wenn ich diese Dame nicht mehr sehen muss«, erklärte Gusti.

      »Glücklicherweise haben Sie nicht zu bestimmen, wer an unserer Schule unterrichtet.« Franziska hatte keine Lust mehr, Gustis Angriffe einfach nur hinzunehmen.

      »Wie wäre es, wenn Sie uns wieder allein ließen?«, mischte sich Lorenz ein.

      »Sie haben mir gar nichts zu sagen. Seien Sie vorsichtig, Herr Bergwald, ich kann dafür sorgen, dass niemand mehr Ihre Dienste in Anspruch nimmt«, drohte Gusti Lorenz.

      »Genug, Gusti, wir gehen.« Toni Meier hakte sich bei seiner Frau unter, die auf einmal ganz rot angelaufen war, und zog sie von dem Café fort.

      »Sind Sie Lehrerin an einer unserer Schulen?«, fragte ein junger Mann, der mit einer Frau und einem Kind im Grundschulalter nur zwei Tische entfernt von Franziska und Lorenz saß. So wie er hatten sich inzwischen alle, die gerade noch in Ruhe Kaffee getrunken und Kuchen gegessen hatten, Franziska zugewandt.

      »Sie ist Mathematiklehrerin am Gymnasium, und wie ich von Gusti Meier weiß, verteilt sie ihre Noten nach Sympathie und nicht nach Leistung. Außerdem lässt sie sich gern krankschreiben«, behauptete eine ältere Frau, die mit einer Tortenschachtel auf den Händen aus dem Café kam und den Blicken der anderen gefolgt war.

      »Ich will hier sofort weg, Lorenz«, flüsterte Franziska. Sie hatte den Kopf gesenkt und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst, um nicht länger diese fragenden Blicke der anderen Cafébesucher aushalten zu müssen.

      »Ich bin gleich wieder bei dir, dann gehen wir.« Lorenz streichelte ihr sanft über das Haar, bevor er in das Café hineinging, um die Rechnung zu begleichen.

      »Diese Gusti ist eine echte Plage«, raunte Katja Bernau, die Besitzerin des Cafés, eine brünette zierliche Frau Mitte dreißig, Lorenz zu. Sie stand hinter der Theke, schnitt einen frisch gebackenen Kirschkuchen in zwölf Teile und beobachtete das aufgeregte Getuschel ihrer Gäste.

      »Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell einige Leute herausposauntes unüberlegtes Gerede als Wahrheit annehmen.«

      »Es sind die einfachen Worte, die andere überzeugen. Frau Meier weiß genau, was sie sagen muss, um andere auf ihre Seite zu ziehen. Darin hatte sie schon zu ihrer eigenen Schulzeit Übung, wie ich gehört habe«, vertraute ihm Katja im Flüsterton an.

      »Das habe ich auch gehört«, stimmte Lorenz ihr zu. Er beglich seine Rechnung, ließ seinen Blick noch einmal durch den Raum mit den dunklen Holztischen und

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