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Er hatte es eilig.

      „Zomm!“

      Lufthauch ließ sich fallen, …

      „Zumm!“

      … rollte sich zur Seite …

      „Zupb!“

      … und schaute aus der Deckung eines Karren auf die Stelle, wo er sich gerade noch befunden hatte, und von dort zu der Straße, über die er gekommen war. Die Frau mit den blonden Haaren lag halb bäuchlings, halb auf der Seite im Staub. Ihr Mund war zu einem stummen Schrei oder einem Laut der Überraschung geöffnet. Das würde niemand mehr entscheiden können. Selbst auf diese Entfernung von einem Dutzend Schritten bestand für ihn kein Zweifel, dass sie tot war.

      Die Geräusche hatte sein Ohr sofort erkannt und sein Körper instinktiv reagiert. Erst das Zischen, dann der dumpfe Einschlag, wenn die Pfeilspitze im Fleisch stecken bleibt. Jetzt genügte ein Blick auf die unnatürliche Lage des Körpers, um zu wissen, dass selbst Magie hier nichts mehr ausrichten konnte. Er stand auf, klopfte sich den Dreck von der Kleidung und ging auf das Opfer zu. Er hielt seine Augen halb geschlossen und verließ sich ganz auf sein Gehör, bereit beim ersten Zischen sofort zur Seite zu springen. Aber er glaubte nicht daran, dass jemand auf ihn schießen würde. Wer immer der Schütze war, er hatte sein Ziel bereits getroffen.

      Jetzt stand er vor der toten Frau und ging langsam in die Knie. Heiliger Baum. Das hier ist NA-R und nicht der Elfenwald.

      Jagdbögen besaß nur die Bürgerwehr, und er hatte noch nie gehört, dass jemand wirklich damit geschossen hatte. Sie waren eine tödliche Waffe und viel gefährlicher als die unhandlichen Gewehre, die von den Komposits ebenfalls als Fernwaffen genutzt wurden. Die Pfeile waren spitz und scharf, die Kugeln, mit denen die Gewehre geladen wurden, waren rund. Außerdem ließ sich mit komprimiertem Gas viel weniger Kraft erzielen als mit einem Bogen, der aus mehreren Lagen unterschiedlichen Holzes zusammengesetzt wurde. Lufthauch schaute sich noch einmal um, bevor er den Blick senkte. Wer konnte in NA-R ein Interesse daran haben, eine junge Frau vor aller Augen zu erschießen? Da lag sie jetzt vor ihm. Das freche Mundwerk war verstummt, der Schmerz an der Ferse verschwunden, das Gesicht trotz des geöffneten Mundes ausdruckslos, der Körper nicht mehr als eine Hülle, leer und verlassen von allem, was ihn einmal anziehend gemacht hatte. Und gleich drei Pfeile steckten in ihrem Oberkörper.

      Die Schüsse hatten nicht ihm gegolten, wie er ursprünglich angenommen hatte. Er konnte sich auch nicht vorstellen, dass es jemand wagen würde, in einer Quarantänestation auf einen Waldelfen zu schießen. Sie musste das Ziel gewesen sein, aber wem hatte sie etwas so Schreckliches angetan, dass man sie ermorden musste?

      Außerdem – die drei Pfeile waren aus unterschiedlichen Richtungen gekommen. Damit konnte er eine Patrouille der Bürgerwehr ausschließen. Es war tatsächlich ein Attentat gewesen. Zwei, wahrscheinlich drei Schützen, um sicher zu gehen, dass sie die Frau auch ganz bestimmt erwischten. Ein Pfeil in den Rücken, ein zweiter von schräg vorn in die Brust und der dritte von …

      Er hob den Kopf. Der dritte Pfeil musste von oben gekommen sein. Aus einem Fenster oder von einem Dach. Der Pfeil von hinten steckte horizontal, es war einer der beiden vorderen Pfeile, der auf einen erhöhten Standort hindeutete. Aber dann fiel ihm ein, dass der erste Schuss deutlich vor den beiden anderen eingeschlagen war. Das ergab Sinn und sprach ebenfalls für eine sorgfältige Planung. Wenn der erste Schuss nicht tödlich war, musste der zweite Schütze die mögliche Fluchtrichtung wissen. In dem Fall wäre der erste Schuss von hinten gekommen und der dritte hätte die Frau genau in dem Augenblick getroffen, als sie bereits nach vorn stürzte. Also war ein erhöhter Standort gar nicht nötig. Lufthauch wischte sich über die nasse Stirn. Es konnte aber alles auch ganz anders gewesen sein, und er spann sich hier etwas zusammen. Sicher war nur die kleine Pause zwischen dem ersten und dem zweiten Schuss.

      Um das Opfer und ihn hatte sich ein respektvoller Kreis gebildet. Ein Überfall oder Attentat war in NA-R höchst ungewöhnlich. Und er, als reinrassiger Elf gut zu erkennen, wurde als Offizieller einer Untersuchung sofort akzeptiert. Aber er würde sich hüten, auch nur ein Wort dazu zu verlieren.

      Brauchte er auch nicht. Eine Patrouille näherte sich im Laufschritt.

      „Was ist hier vorgefallen?“, wollte der Truppführer wissen.

      Lufthauch grüßte in traditioneller Art und Weise: „Heilig ist das Leben, wenn Vernunft es erfüllt.“

      „Ihr Waldelfen mit euren Sprüchen. So wie es aussieht, hat das irgendjemanden nicht interessiert.“

      „Zumindest die drei Bogenschützen nicht.“

      „Bis jetzt sehe ich erst einmal nur drei Pfeile. Habt Ihr den Vorfall beobachtet?“

      So viel zu dem Vorsatz, kein Wort dazu zu verlieren. „Drei Pfeile, drei Schützen. Sie kamen aus verschiedenen Richtungen.“

      „Das habt Ihr gesehen?“

      „Nein, die Frau ging hinter mir. Als ich mich umdrehte, lag sie bereits auf dem Boden.“

      „Aha.“ In diesem einen Wort lag eine Welt von Misstrauen jedem und allem gegenüber, was nicht Teil der Bürgerwehr war. „Transportiert den Leichnam ab. Und von Euch brauche ich den Namen.“

      Großartig. Jetzt war er auch noch Teil der Untersuchung. „Lufthauch“, sagte er.

      „Und was ist der Grund für Euren Aufenthalt in NA-R?“

      Lufthauch überlegte. Sollte er sich als Mitglied der Elfenregierung zu erkennen geben oder bei seiner Geschichte bleiben. Er entschied sich für die Geschichte. „Ich handele mit Schatzkarten.“

      „Mit Schatzkarten? Wenn ich welche besäße, dann würde ich nicht damit handeln, sondern das Gold und die Edelsteine selber bergen. Ist in diesen Fällen wohl schwierig? Oder die Karten sind nicht genau genug? Oder am Ende vielleicht ganz wertlos?“

      „Ihr solltet aufpassen mit dem, was Ihr da andeutet. Meine Schatzkarten zeigen ungeerntete Substanzen für die Erstellung von Artefakten.“

      „Ach, Zauberkram. Wird eh überall überschätzt. Wo kann ich Euch erreichen?“

      Lufthauch gab seine Anschrift an. Sumpfwasser wird begeistert sein, wenn er von diesem Vorfall erfährt, dachte er missmutig.

      Immergrün

      „Wie konnte das passieren?“ Schwimmendes Schwert war außer sich.

      „Wie konnte was passieren?“ Immergrün spielte den Unbeteiligten. Das konnte er besonders gut.

      „Wie ist es möglich, dass in meiner Stadt in hellstem Tageslicht und auf offener Straße eine Frau erschossen wurde?“

      „Stellt Euch nicht so an. Erstens ist es nicht Eure Stadt und zweitens wusstet Ihr nicht, dass es passieren würde. Außerdem war es nicht das hellste Tageslicht. Alles ist halb so wild. Das einzig Unangenehme ist, dass die getötete Frau nicht Tamalone war. Jetzt brauchen wir einen neuen Plan.“

      „Und jetzt? Dieser Lufthauch war Zeuge, und gleichgültig, was er in NA-R sucht, er ist eine Waldelfe.“

      „Den überlasst getrost mir. Ich bin auch eine Waldelfe. Habt Ihr das vergessen? Alles wird so ablaufen wie immer. Ihr werdet Euch offiziell darum kümmern, um Hinweise aus der Bevölkerung bitten und irgendwann, wenn die Sache bereits halb vergessen ist, ankündigen, dass Eurem Hauptermittler der Durchbruch gelungen ist und in Bälde mit einer Verhaftung gerechnet werden kann. Niemand, der in NA-R das Gesetz bricht, entkommt dem wachen Auge der Bürgerwehr.“

      „Das nimmt uns niemand ab. Wen sollen wir denn verhaften?“

      „Das ist doch keine große Sache, da jemanden zu finden. Laufen doch genügend Leute herum in Eurer Stadt. Warum sich also Sorgen machen. Wir haben genug Zeit.“

      Tamalone

      Auf dem Rücken eines Ledervogels erreichte Tama das Elfenviertel noch vor Mitternacht. Während Pando auf

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