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ist, völlig zuwenden kann, dass ich bei ihm sein kann, dass Carlo sich niemals über meine Missachtung beklagen kann.«

      »Erzählen Sie von Ihrem Dämon.«

      »Nachts, wenn ich allein im Bett liege, dann überkommen mich Träume. Phantasien. Sehnsüchte. Sehr starke Gefühle. Als ich noch jünger war, habe ich meine wollüstigen Träume gebeichtet, doch der Pfarrer konnte mir nicht helfen. Ich glaube eher, dass er von diesen Beichten schwer belastet wurde. Vielleicht, weil er sich nach mir verzehrt hat? Ich weiß es nicht. Ich beichte meine Träume nicht mehr, denn die Beichte verschafft mir keine Erleichterung. Bruno verschafft sie mir. Ich bin also eine Frau, die mit der wochenlangen Abwesenheit ihres zur See fahrenden Mannes nicht gut zurechtkommt. Sehr schlecht sogar. Bruno hilft mir, keine Dummheiten zu begehen.«

      Heidemarie verschränkte nachdenklich ihre Arme.

      »Vielleicht werde ich Carlo davon erzählen«, fuhr Fedora fort. »Nicht vielleicht, bestimmt werde ich es tun. Wenn wir beide alt sind. Vielleicht wird er mir dann auch erzählen, was er auf seinen Reisen erlebt hat. Carlo ist ein stattlicher Mann, er ist Offizier, er kennt viele Städte und trifft viele Menschen. Zahlreiche Engländer fahren auf der Linie Triest-Bombay, auch Engländerinnen. Frauen aus dem Norden haben ein ganz eigenes Faible für italienische Seeleute. Ich gönne es ihm. Vielleicht wird er mir meine Freiheit auch gönnen. Weil er mich liebt. So wie ich ihn liebe.«

      Heidemarie verzog beeindruckt ihren Mund und griff zur Kanne. »Noch Kaffee?«

      »Gerne.«

      »Signora Cherini, jetzt wo wir uns besser kennen, sollten wir einander duzen. Sag bitte Heidemarie zu mir.«

      »Fedora.«

      »Hast du das auch mit Bruno besprochen?«

      »So ähnlich.«

      »Offenbar genügt es ihm, der Nebenmann zu sein.«

      »Offenbar. Mir genügt es auch, nur seine Nebenfrau zu sein.«

      »Du weißt davon?«

      »Ich weiß, dass ich nicht die einzige verheiratete Frau bin, deren Alleinsein er erträglich macht.«

      Heidemarie lachte und legte ihre Hand auf Fedoras Unterarm. »Wahrscheinlich hat deine Großmutter recht. Du bist verhext.«

      Fedora stimmte in das Gelächter ein. »Wahrscheinlich.«

      *

      Der Palazzo del Governo wurde vom Wiener Architekten Emil Artmann errichtet, erst seit zwei Jahren residierte der Statthalter der Reichsunmittelbaren Stadt Triest in diesem Prachtbau an der Piazza Grande. Die bunten Mosaiksteine an der Fassade zeigten orientalischen Stil und bildeten so einen auffälligen Kontrast zu den anderen Palazzi auf der zentralen Piazza der Stadt. In diesem Palazzo warteten Oberinspector Gellner und die Inspectoren Zabini und Pittoni auf den Grafen Urbanau, um alsdann zum Statthalter vorgelassen zu werden.

      Bruno schaute auf seine Taschenuhr. »Der hohe Herr könnte sich langsam bequemen, die Piazza zu überqueren. Ein besonders weiter und beschwerlicher Fußmarsch ist das ja nicht.«

      Gellner verzog seine Mund. »Hüten Sie Ihre Zunge, Signor Zabini. Der hohe Herr kommt dann, wenn es dem hohen Herren konveniert, nicht wenn Sie wieder einmal vor Ungeduld von einem Bein auf das andere steigen.«

      Emilio stellte sich neben Bruno an das Fenster und schaute zur Piazza hinab. »Da ist er! Da kommt Graf Urbanau.«

      Bruno nickte und steckte seine Taschenuhr ein.

      Wenig später führte ein Amtsdiener den Grafen in das Bureau des Statthalters. Auch die drei Polizisten wurden hineingebeten. Der Statthalter thronte mit ernster Miene auf seinem Stuhl, ein Sekretär saß an seinem Nebentisch und hielt für die Protokollierung des Gesprächs eine Füllfeder in der Hand. Der Statthalter erhob sich, ging dem Grafen entgegen und begrüßte ihn mit ausgesuchter Höflichkeit in deutscher Sprache. Den drei Polizisten wies er mit einem Kopfnicken ihre Plätze zu. Die Herren setzten sich.

      »Hochgeschätzter Herr Graf, Euer Gnaden, ich danke Euch verbindlichst, dass Ihr trotz der frühen Stunde den Weg in mein bescheidenes Arbeitszimmer gefunden habt. Ich erlaube mir, das Gespräch in Deutsch zu führen. Alle anwesenden Herren sind der Amtssprache mächtig.«

      »Das ist gut. Mein Italienisch lässt zu wünschen übrig.«

      »Der Herr Polizeidirektor konnte in so kurzer Zeit leider seinen lange geplanten Verpflichtungen nicht entgehen, der Herr Polizeidirektor hat frühmorgens den Zug bestiegen und ist auf dem Weg zu einer bedeutenden Konferenz. Deshalb mache ich Euer Gnaden mit den anwesenden Herren bekannt. Oberinspector Gellner ist der Leiter des k.k. Polizeiagenteninstituts der Polizeidirektion Triest. Begleitet wird Herr Gellner von seinen beiden Inspectoren, die im vorliegenden Falle die Ermittlungen führen.«

      Graf Urbanau schaute kurz zu den Inspectoren. »Die beiden Herren sind mir seit gestern bekannt.«

      »Sehr gut, also können wir die Unterredung eröffnen?«

      »Darum bitte ich.«

      »Herr Gellner, ich bitte um Ihren Vortrag.«

      Gellner räusperte sich und richtete seinen Rücken gerade. »Vielen Dank, Eure Exzellenz. Vielen Dank auch, Euer Gnaden, für die Bereitschaft, aus dem Stegreif dieser Besprechung beizuwohnen. Der Grund unserer Unterredung ist der schreckliche Unfall in den Morgenstunden des gestrigen Tages, bei dem ja Euer Gnaden Fahrer, Herr Rudolf Strohmaier, auf tragische Art und Weise sein Leben gelassen hat und bei dem Euer Gnaden Automobil erheblich zu Schaden gekommen ist. Selbstredend ist die Polizei in einem derart bedeutungsvollen Fall bemüht, die Ereignisse auf gewissenhafteste Weise zu erforschen. Aus diesem Grund habe ich meine beiden Inspectoren mit der Klärung betraut. Und wie eine eingehende Untersuchung ergeben hat, haben sich leider besorgniserregende Umstände ergeben.«

      »Besorgniserregende Umstände? Was meinen Sie, Herr Gellner?«, fragte Graf Urbanau.

      »Nun, eine gründliche technische Inspektion des Fahrzeuges und insbesondere der Bremse hat ergeben, dass wir hier nur bedingt von einem Unfall sprechen können.«

      »Das ist eine sehr dunkle Andeutung«, brummte der Graf mürrisch.

      »Das Bremsseil des Automobils wurde absichtsvoll mit einer Säge bearbeitet, sodass das Reißen des Seils nur eine Frage der Zeit war.«

      Die Stirn des Grafen verdüsterte sich. »Das Bremsseil wurde angesägt?«

      »Ja. Der Verdacht eines heimtückischen Anschlags gegen Euer Gnaden steht im Raum. Zumal, wie mir berichtet wurde, Euer Gnaden eine Fahrt mit dem Automobil zur Steilküste nach Duino im Sinn gehabt haben.«

      Längere Zeit lag Stille im Bureau des Statthalters.

      »Das ist in der Tat besorgniserregend«, sagte Graf Urbanau.

      »Allerdings«, setzte schließlich der Statthalter fort. »Deshalb ist die Polizeibehörde mit der gründlichen Erforschung der Vorfälle beschäftigt.«

      Der Graf wandte sich dem Statthalter zu, ganz so, als ob die niedrigen Beamten nicht mehr im Raum wären. »Wenn ich das also richtig verstehe, habt Ihr mich vorgeladen, um mich zu warnen.«

      »Jawohl, Euer Gnaden, um Euch zu warnen. Aber auch, um Auskunft von Euch zu erfragen.«

      »Auskunft?«

      »Selbst wir hier an der Adria wissen von der Bedeutung, die Euer Gnaden im Wirtschaftsleben der Steiermark innehat, vor allem aber wissen wir, welch bedeutendes Amt Euer Gnaden vor Eurer Pensionierung im Kriegsministerium bekleidet haben. Ich habe vorgestern vom Wiener Polizeiagenteninstitut ein dienstliches Telegramm auf höchster Ebene erhalten, welches Eure Ankunft in Triest angekündigt hat.«

      Der Graf winkte verdrießlich ab. »Mischen sich diese Leute noch immer in meine Angelegenheiten. Das ist ärgerlich.«

      Der Statthalter räusperte sich, seine Miene war ernst. »Herr Graf?«

      »Ja bitte?«

      »In diesem Telegramm

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