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wann dir das Untier begegnet ist und wann du deinen Lehrer gefunden hast.“

      Lea Ohlsen stupste mit der Turnschuhspitze in den Sandboden und holte tief Luft. „Wie ich sagte, wir Mädchen rannten los durch den Wald, am Waldbad haben wir uns getrennt und jeder ist in seine Richtung. Dass ich mich mit Konstantin am Waldbad treffen wollte, haben wir niemandem erzählt. Wir wollten das dämliche Spiel nicht mitmachen, sondern für uns alleine sein. Sollten sie sich alle gegenseitig abknallen. So um halb eins hab ich immer noch auf Konstantin gewartet. Alles war still, nur ab und an hörte ich ein Gewehr knallen und einen kurzen Aufschrei. Es ging Mädchen gegen Jungen, wer verliert, muss die nächste Party bezahlen. Konstantin und ich wären übrig geblieben und das Spiel wäre unentschieden ausgegangen, so haben wir es vereinbart. Doch Konstantin kam nicht. Dabei wusste er doch, dass ich den Wald schon am Tage nicht mochte und dann bei Nacht erst recht nicht. Außerdem war mir eisig kalt. Als ich wieder zum Parkplatz zurückgehen wollte, hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Es raschelte und knackte. Ich dachte, es wäre einer der Jungs, der mir gefolgt war. Sicher Peer. Mit Peer war ich vor Konstantin zusammen. Irgendwie ist er noch immer sauer auf mich. Er wollte nur das eine, wie bei seinen anderen Freundinnen, ich aber nicht.“

      „Wie lange lief eure Beziehung?“

      „Nicht lange. Zwei Wochen. Peer ist einer von den beliebtesten Jungs in der Schule. Alle Mädchen stehen auf ihn. Er ist zwar nicht so groß und muskulös, aber er sieht toll aus.“

      „Also Peer ist der dunkelhaarige junge Mann, der neben der zierlichen blonden Frau im Jogginganzug steht?“

      „Ja, das ist seine Mutter. Den Bachs gehört das Reiterhotel in Rehlingen. Seine Mutter ist Turnierreiterin und der Vater …“, Lea stockte, „weiß ich eigentlich nicht so genau. Ich glaub, er züchtet irgend so eine amerikanische Rassepferdeart. Teuer und edel, wie alles bei den Bachs.“

      „Und dann bist du mit Konstantin zusammengekommen. Wie lange geht das schon mit euch?“

      „Wir sind fast ein Jahr zusammen. Konstantin ist anders, er versteht mich. “

      Inka nickte. „Wie ging es weiter?“

      „Na ja, ich hab noch einen Augenblick gewartet und mir eingeredet, dass die Geräusche ein Reh oder ein Hirsch, ein Wildschwein oder ein Hase verursacht. Doch es knackte immer mehr im Gebüsch, und dann war da der stechende Geruch, faulige Eier, so etwas in der Art. Ich hab nach Konstantin gerufen, leise, aber so laut, dass er mich hätte hören müssen. Doch er tauchte nicht auf. Plötzlich griff jemand von hinten auf meine Schulter, und als ich mich umdrehte, sah ich Jannik ins Gesicht. Er stank nach Schnaps und sicher hatte er wieder einen Joint geraucht. Er zielte mit dem Gewehr auf mich und brüllte: Hab ich dich erwischt, du Bitch. Ich riss ihm das Gewehr aus der Hand und warf es ins Gebüsch. Er fluchte wie wild und krabbelte auf allen Vieren am Boden herum, um es wiederzufinden. Ich bin Richtung Kiosk davongerast und einmal rund ums Bad gelaufen. Hinter mir schrie Jannik – ich kriege dich, ich kriege dich. Er leuchtete mit der Taschenlampe hinter mir her, schoss, aber traf mich nicht. Jannik ist ein Zornkopf. Immer schnell auf hundertachtzig. Ein eingebildeter Spinner, genauso wie Peer. Beide haben so viel Hirn wie ein Eimer Pokémons.“

      Inka krauste die Stirn. Von Pokémons hatte sie gehört, doch einordnen konnte sie diese Dinger nicht. Bevor sie weiter überlegen konnte, begann Lea neu.

      „Jedenfalls hab ich Jannik abgehängt oder er hat es aufgegeben, mich zu verfolgen. Dann bin ich zurück zum Waldbad, weil ich sehen wollte, ob Konstantin endlich da ist. Aus der Ferne hörte ich Geschrei und Geballere, aber um mich herum war alles ruhig. Mir war wieder so kalt und ich hatte auch keine Lust mehr, auf Konstantin zu warten. Als ich zum Parkplatz aufbrechen wollte, hörte ich ein Brummen und Knurren und roch wieder diesen widerlich stechenden Gestank. Das war echt spooky. Erst dachte ich, Jannik hat mich wieder erwischt, doch als ich mich umgedreht hab, sprang dieses Tier mit den roten glühenden Augen aus dem Gebüsch und starrte mich an. Aus seinem Maul kam Schaum, wie bei einem tollwütigen Hund. Es stand auf zwei Beinen, hatte große spitze Zähne und streckte seine Pranken nach mir aus.“

      „Ein Tier, das auf zwei Beinen stand?“

      „Ja, auf den Hinterbeinen. Es war ein Werwolf, der mich fangen wollte.“

      „Ein Werwolf in der Lüneburger Heide. Bist du dir da sicher, Lea? Ich meine, es war dunkel und …“

      „Nein! Ja, natürlich bin ich mir sicher! Ich weiß doch, wie diese Viecher aussehen“, trotzte die Siebzehnjährige. „Außerdem war es hell, der Vollmond schien. Ich hab den Wolf genau gesehen. Er stand nur ein paar Meter von mir entfernt.“

      „Ein paar Meter reichen aus, um sich zu täuschen. Es war eine gespenstische Atmosphäre, der Vollmond schien und …“

      Wieder unterbrach das Mädchen. „Nein. Ich hab mich nicht geirrt. Es war ein Werwolf. Er war mindestens zwei Meter groß, hatte lange spitze Zähne, war am ganzen Körper behaart und seine Augen haben rot geglüht“, wiederholte sie beharrlich. „Er machte einen Satz auf mich zu, packte mich an den Oberarmen und riss sein Maul noch weiter auf. Die langen spitzen Zähne sah ich deutlich vor mir. Er schüttelte mich erst an den Armen, dann an der Schulter. Ich hab so gut, wie ich konnte, wild um mich geschlagen und mit den Füßen an seine Beine getreten. Er hat gestöhnt und ließ mich für einen kurzen Augenblick los. Da konnte ich mich befreien. Ich bin einfach losgerannt. Immer weiter Richtung Parkplatz.“

      „Hast du nicht um Hilfe gerufen?“

      „Doch, natürlich. Ja, ich glaub schon. Ich weiß es nicht. Ich bin nur gerannt und gerannt. Aber ich war ja schon fast wieder an der Brücke und die anderen noch irgendwo im Wald. Hinter mir dieses unheimliche Schnaufen und Knurren. Auf der Brücke bin ich gestolpert und über etwas Weiches gefallen. Als ich aufstand, sah ich, dass es Hendrik ist, über den ich gefallen war. Überall war Blut. Dann kam Klara über die Brücke gerannt.“

      „Klara?“

      „Ja, sie ist meine beste Freundin. Amanda und Kristina auch, aber Klara und ich sind auf einer Wellenlänge. Wir wollen beide nach dem Abitur in Heidelberg Medizin studieren.“

      „Verstehe. Wie ging es weiter? Was war mit der Bestie?“

      „Die war verschwunden. Glücklicherweise kamen Max und Kristina aus dem Wald. Max hat alle auf ihren Handys angerufen und gesagt, sie sollen sofort zur Brücke kommen. Wir waren so entsetzt über … Hendrik war ein toller Lehrer.“

      „Du hast deinen Biologielehrer mit Vornamen angesprochen?“

      „Das haben wir alle, er war Vertrauenslehrer. Er war echt cool.“

      „Habt ihr euren Lehrer auf der Brücke angefasst?“

      „Er war tot und voller Blut! Nein!“ Angewidert verzog Lea das Gesicht. Ihre Stirn- und Nasenpartie krauste sich wie bei einer alten Frau. „Natürlich haben wir ihn nicht angefasst! Nur ich, ich bin ja über ihn gestolpert und …“ Lea wischte ihre Handflächen über die Seiten ihrer Jeans.

      „Haben deine Schulkameraden die Bestie gesehen?“

      „Ich sag doch, die waren nicht in meiner Nähe. Klar hab ich ihnen erzählt, dass mich ein Werwolf verfolgt hat, aber Peer meinte, ich sei verrückt, das wäre wohl mein Running Gag des Tages und ich hätte zu viele Horrorfilme gesehen. Jannik hat gesagt, ich hab ihm wohl einen Joint geklaut und heimlich im Wald geraucht. Sie haben mich ausgelacht.“

      „Und Maximilian Grünhagen?“

      „Der hat natürlich mitgelacht. Klar. Wir Mädchen fanden es nicht lustig, außer Kristina, die hat sich zu den Jungs gesellt. Das hat mich echt geärgert, die kann sich meine Freundschaft abschminken. Aber irgendwie war das klar. Kristina von Kleist, reich und verwöhnt. Ihre Partys sind begehrt. Wer bei den von Kleists eingeladen wird, der gehört dazu. Ihnen gehört das riesige Gestüt am Ortsrand. Es ist noch größer als das Reiterhotel der Bachs in Rehlingen.“ Lea verdrehte die Augen. „Mich interessiert dieses Gehabe nicht. Wer hat das größte Haus, Boot und Auto?“

      „Wo war Konstantin? Hat er dich auch ausgelacht?“

      „Nein.

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