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Der Prinz. Conti mit den Gemälden, wovon er das eine verwandt gegen einen Stuhl lehnet.

       CONTI

       (indem er das andere zurechtstellet)

      Ich bitte, Prinz, daß Sie die Schranken unserer Kunst erwägen wollen. Vieles von dem Anzüglichsten der Schönheit liegt ganz außer den Grenzen derselben.

      – Treten Sie so! –

       DER PRINZ

       (nach einer kurzen Betrachtung)

      Vortrefflich, Conti – ganz vortrefflich! – Das gilt Ihrer Kunst, Ihrem Pinsel. – Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt!

       CONTI

      Das Original schien dieser Meinung nicht zu sein. Auch ist es in der Tat nicht mehr geschmeichelt, als die Kunst schmeicheln muß. Die Kunst muß malen, wie sich die plastische Natur – wenn es eine gibt – das Bild dachte: ohne den Abfall, welchen der widerstrebende Stoff unvermeidlich macht; ohne den Verderb, mit welchem die Zeit dagegen ankämpfet.

       DER PRINZ

      Der denkende Künstler ist noch eins soviel wert. – Aber das Original, sagen Sie, fand demungeachtet – –

       CONTI

      Verzeihen Sie, Prinz. Das Original ist eine Person, die meine Ehrerbietung fodert. Ich habe nichts Nachteiliges von ihr äußern wollen.

       DER PRINZ

      Soviel als Ihnen beliebt! – Und was sagte das Original?

       CONTI

      Ich bin zufrieden, sagte die Gräfin, wenn ich nicht häßlicher aussehe.

       DER PRINZ

      Nicht häßlicher? – O das wahre Original!

       CONTI

      Und mit einer Miene sagte sie das – von der freilich dieses ihr Bild keine Spur, keinen Verdacht zeiget.

       DER PRINZ

      Das meint’ ich ja; das ist es eben, worin ich die unendliche Schmeichelei finde. – Oh! ich kenne sie, jene stolze, höhnische Miene, die auch das Gesicht einer Grazie entstellen würde! – Ich leugne nicht, daß ein schöner Mund, der sich ein wenig spöttisch verziehet, nicht selten um so viel schöner ist. Aber, wohl gemerkt, ein wenig: Die Verziehung muß nicht bis zur Grimasse gehen, wie bei dieser Gräfin. Und Augen müssen über den wollüstigen Spötter die Aufsicht führen – Augen, wie sie die gute Gräfin nun gerade gar nicht hat. Auch nicht einmal hier im Bilde hat.

       CONTI

      Gnädiger Herr, ich bin äußerst betroffen – –

       DER PRINZ

      Und worüber? Alles, was die Kunst aus den großen, hervorragenden, stieren, starren Medusenaugen der Gräfin Gutes machen kann, das haben Sie, Conti, redlich daraus gemacht. – Redlich, sag ich? – Nicht so redlich wäre redlicher. Denn sagen Sie selbst, Conti, läßt sich aus diesem Bilde wohl der Charakter der Person schließen? Und das sollte doch. Stolz haben Sie in Würde, Hohn in Lächeln, Ansatz zu trübsinniger Schwärmerei in sanfte Schwermut verwandelt.

       CONTI

       (etwas ärgerlich)

      Ah, mein Prinz – wir Maler rechnen darauf, daß das fertige Bild den Liebhaber noch ebenso warm findet, als warm er es bestellte. Wir malen mit Augen der Liebe: Und Augen der Liebe müßten uns auch nur beurteilen.

       DER PRINZ

      Je nun, Conti – warum kamen Sie nicht einen Monat früher damit? – Setzen Sie weg. – Was ist das andere Stück?

       CONTI

       (indem er es holt und noch verkehrt in der Hand hält)

      Auch ein weibliches Porträt.

       DER PRINZ

      So möcht’ ich es bald – lieber gar nicht sehen. Denn dem Ideal hier (mit dem Finger auf die Stirne) – oder vielmehr hier (mit dem Finger auf das Herz) kömmt es doch nicht bei. – Ich wünschte, Conti, Ihre Kunst in andern Vorwürfen zu bewundern.

       CONTI

      Eine bewundernswürdigere Kunst gibt es, aber sicherlich keinen bewundernswürdigern Gegenstand als diesen.

       DER PRINZ

      So wett ich, Conti, daß es des Künstlers eigene Gebieterin ist. – (Indem der Maler das Bild umwendet.) Was seh ich? Ihr Werk, Conti? Oder das Werk meiner Phantasie? – Emilia Galotti!

       CONTI

      Wie, mein Prinz? Sie kennen diesen Engel?

       DER PRINZ

       (indem er sich zu fassen sucht, aber ohne ein Auge von dem Bilde zu verwenden)

      So halb! – Um sie eben wiederzukennen. – Es ist einige Wochen her, als ich sie mit ihrer Mutter in einer Vegghia traf. – Nachher ist sie mir nur an heiligen Stätten wieder vorgekommen – wo das Angaffen sich weniger ziemet. – Auch kenn ich ihren Vater.

      Er ist mein Freund nicht. Er war es, der sich meinen Ansprüchen auf Sabionetta am meisten widersetzte.

      – Ein alter Degen, stolz und rauh, sonst bieder und gut! –

       CONTI

      Der Vater! Aber hier haben wir seine Tochter.

       DER PRINZ

      Bei Gott! Wie aus dem Spiegel gestohlen! (Noch immer die Augen auf das Bild geheftet.) Oh, Sie wissen es ja wohl, Conti, daß man den Künstler dann erst recht lobt, wenn man über sein Werk sein Lob vergißt.

       CONTI

      Gleichwohl hat mich dieses noch sehr unzufrieden mit mir gelassen. – Und doch bin ich wiederum sehr zufrieden mit meiner Unzufriedenheit mit mir selbst.

      – Ha! daß wir nicht unmittelbar mit den Augen malen! Auf dem langen Wege aus dem Auge durch den Arm in den Pinsel, wieviel geht da verloren! – Aber, wie ich sage, daß ich es weiß, was hier verlorengegangen und wie es verlorengegangen und warum es verlorengehen müssen: Darauf bin ich ebenso stolz und stolzer, als ich auf alles das bin, was ich nicht verlorengehen lassen. Denn aus jenem erkenne ich, mehr als aus diesem, daß ich wirklich ein großer Maler bin, daß es aber meine Hand nur nicht immer ist. – Oder meinen Sie, Prinz, daß Raffael nicht das größte malerische Genie gewesen wäre, wenn er unglücklicherweise ohne Hände wäre geboren worden? Meinen Sie, Prinz?

       DER PRINZ

       (indem er nur eben von dem Bilde wegblickt)

      Was sagen Sie, Conti? Was wollen Sie wissen?

       CONTI

      O nichts, nichts! – Plauderei! Ihre Seele, merk ich, war ganz in Ihren Augen. Ich liebe solche Seelen und solche Augen.

       DER PRINZ

       (mit einer erzwungenen Kälte)

      Also, Conti, rechnen Sie doch wirklich Emilia Galotti mit zu den vorzüglichsten Schönheiten unserer

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