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Dame“, mischte sich nun der Ältere ein und Nora ging sofort davon aus, dass dieser hier das Sagen hatte und der junge nur der Assistent war.

      „Wegen eures Wachhundes müssen wir uns in Ihrem Beisein wohl keine Gedanken machen, oder?“, fragte der Jüngere und stellte sich als Joska Kiss und seinen Kollegen als Sascha Clemens vor.

      „Nein, natürlich nicht. Der ist ganz lieb“, fing Nora an, doch dann schaute sie plötzlich ganz traurig drein und fügte hinzu:

      „Der Moritz ist übrigens auch weg!“

      „Wer ist jetzt der Moritz?“, fragte Herr Clemens dümmlich, doch Joska erwiderte sofort, als wüsste er das ganz genau:

      „Das ist der Hund. Stimmt doch, oder?“

      „Ja. Das ist unser Schäferhund und der ist schon zwölf, aber immer noch hinter den Weibern her. Wahrscheinlich ist er mal wieder ausgerissen. Weil … also … mein Opa ist mit dem Motorrad weg und da kann er ja schlecht den Hund mitgenommen haben.“

      „Das ist wohl richtig. Also sollte man vielleicht zuerst nach dem Hund suchen?“, meinte Joska mehr zu sich selbst und bekam jetzt zu Anfang seiner ersten eigenen Befragung schon Herzrasen und Schweißausbrüche. Welche Reihenfolge wohl seine Chefin gewählt hätte? Zuerst den Tatort und die Tote begutachten, dann mit der Familie sprechen (sind das nicht meist die Hauptverdächtigen?) und dann erst nach dem Hund suchen und danach die Vermisstenanzeige aufnehmen? Oder doch lieber andersherum? Der arme Joska kam immer mehr ins Schwitzen und dieser oberschlaue Clemens hielt heute mal ausnahmsweise den Mund und hielt sich zurück mit guten Ratschlägen. Ob er wohl merkte, wie unsicher Joska war und ob er ihn vor der jungen Dame nicht brüskieren wollte? Oder fand er es ganz amüsant, den lieben Herrn Kiss so zappeln zu sehen?

      Jedenfalls rang der jugendliche Kriminalassistent noch mit sich, doch unerwartet kam die junge Frau ihm zu Hilfe:

      „Ich glaube ganz sicher, dass Moritz nur seine Freundinnen besucht und da kommt er meist von selbst wieder. Sie sollten sich zuerst meine Oma … äh … die Leiche ansehen, denn die Ärztin ist gerade fertig und schon wieder auf dem Sprung in ihre Praxis. Sie möchten doch sicher noch kurz mit ihr sprechen? Außerdem kommt bald der Leichenwagen“, sprudelte Nora nur so vor Aufregung und Joska hätte sie umarmen mögen, weil sie ihm so einen genauen Ablauf der nächsten Minuten gegeben hatte … und vielleicht auch, weil sie so toll aussah und so voller Energie war? Dankbar lächelte er sie an, doch sogleich setzte er wieder eine gewichtige Miene auf und sagte:

      „Selbstverständlich werden wir noch mit der Ärztin sprechen und der Leichenwagen wird schon warten müssen, bis wir mit der Inspektion und Freigabe der Leiche fertig sind.“ Auch Herr Kiss und sein Kollege kamen nicht auf die Idee, dass die Firmenchefin nicht eines natürlichen Todes gestorben sein könnte.

      Während Nora draußen mit den Polizisten sprach, fiel Jakob plötzlich ein, dass sie in dem ganzen Trubel vergessen hatten, seine Frau anzurufen. Diese weilte seit vorigem Wochenende in Irland, wo sie einen Malkurs belegt hatte. Nach einer Woche nur mit malen beschäftigt, wollte sie eigentlich noch ein paar Tage durch dieses schöne Land fahren und nach weiteren tollen Motiven Ausschau halten. Jakob erreichte sie dann auch, als sie gerade auf dem Fußweg zu den „Cliffs of Mohair“ war. Er konnte seine Frau kaum verstehen, denn es rauschte ziemlich stark im Hintergrund. Besorgt fragte er:

      „Wo bist du denn gerade und was rauscht da so?“

      „Du hast ja keine Ahnung, mein Lieber, wie es hier stürmt!“, rief Delfina, die trotz portugiesischer Herkunft fast akzentfrei Deutsch sprach. Jakob kam gar nicht zu Wort, überschwänglich berichtete sie zunächst von ihrem erfolgreichen Abschluss des Kurses. Dann erzählte sie weiter.

      „Auf der Fahrt hier rüber zu den Cliffs sind wir auf der

      Autobahn an Tara vorbeigefahren und stell dir vor! … Dort steht ein kleiner, unscheinbarer Baum, der angeblich ein Feenbaum sein soll und deshalb haben die irren Iren die Straße um den Baum herum gebaut – ist doch unglaublich, oder?“

      Ja, das war wirklich kaum zu fassen, aber in solchen Sachen verstanden die Iren anscheinend keinen Spaß. Jakob rang nun mit sich, ob er seiner offensichtlich sehr gut gelaunten Frau ihren Urlaub verderben und ihr die traurige Nachricht per Handy überhaupt überbringen sollte. Während er noch überlegte, schrie Delfina geradezu ins Handy:

      „Ich bleibe noch bis Mittwoch. Eine ganze Woche alleine durch Irland zu fahren ist mir doch zu anstrengend. Dieses Linksfahren bei den engen Straßen ist wirklich nichts für mich. Wenn da auf manchen Schildern steht, man dürfe hundert km/h fahren, dann fahre ich höchstens sechzig und rechne jeden Moment damit, dass ich aus der Kurve fliege! Ich wollte nur unbedingt zu den Cliffs, aber die haben hier alles mit Zäunen versehen und buddeln da gerade mordsmäßig herum – soll wohl eine Aussichtsplattform mit einem Gebäude in die Felsen gebaut werden. Echt schade … das ursprüngliche und schroffe Landschaftsbild wird da total zerstört!“

      „Ja, wirklich schade, dass ich das vorher noch nie persönlich gesehen habe … du … ich freu mich, wenn du wieder nach Hause kommst“, fügte Jakob noch schnell an, als er merkte, wie die Verbindung immer schlechter wurde.

      „Ist irgendwas?“, fragte die sensible Delfina, als sie trotz des Sturms hörte, wie die Stimme ihres Mannes brüchig wurde. Oder lag das nur an der schlechten Verbindung? Nun ja, in zwei Tagen war sie ja wieder zu Hause, solange würde er es schon noch ohne sie aushalten. Wahrscheinlich fehlte sie eher Marianne, weil die nun alleine das Haus und die Werkstatt sauber halten musste. Denn wegen der vielen herumliegenden Messer wollten die Angerers keine Reinigungskraft einstellen. Das war ihnen dann doch zu gefährlich, denn die teuren Messer wären auch schnell mal zu klauen gewesen. Beim Kochen für die ganze Familie Angerer hatte Marianne gerade auch keine Hilfe. Außer sie konnte Nora und Felix ein bisschen dazu einspannen. Aber das war schon ganz gut so – so würde die Familie ihre Arbeit vielleicht mal mehr würdigen, wo sie jetzt eineinhalb Wochen ohne sie auskommen mussten.

      Bevor die Verbindung nun gänzlich abriss, rief Delfina noch:

      „Grüß die Kinder und den Rest der Familie von mir und einen dicken Kuss für dich!“ Dann noch ein heftiger Windstoß und das Telefon war tot. Verstohlen wischte sich Jakob eine Träne aus dem rundlichen Gesicht, das neuerdings ein Dreitagebart zierte. Jakob vermisste seine Frau sehr, nicht nur ihre Kochkünste. Obwohl es für ihn vielleicht doch vorteilhaft war, dass er momentan etwas weniger aß – hatte er doch die Chance, etwas abzunehmen. Sein runder Bierbauch war nicht mehr zu übersehen und das missfiel ihm sehr. Doch sich beim Essen zurückzuhalten, schaffte er meist nicht.

      Ob es klug gewesen war, seiner Frau die Wahrheit verschwiegen zu haben? Würde sie das verstehen oder ihm Vorwürfe machen? Sie hätte doch sowieso nicht früher zurückfliegen können, also warum sollte er ihr die letzten Tage dieses tollen Urlaubs noch verderben?

      5

      Während zur gleichen Zeit ein paar Häuser weiter in der Nachbarschaft der Angerers ein alter Schäferhund sabbernd vor einem Gartenzaun saß und sehnsüchtig zu seiner Lieblingshündin starrte, saß im fernen Görlitz ein völlig verstörter alter Mann mit langen, weißen Haaren auf einem Baumstamm. Mit hängendem Kopf zeichnete er mit einem Stock Kreise in den Sand zu seinen Füßen. Er hatte keinen Blick für die Schönheiten der Natur, die sich hier an diesem kleinen See inmitten eines großen Campingplatzes zeigten. Zu dieser frühen Jahreszeit war hier noch nicht viel los, nur ein paar Dauercamper in ihren Holzhütten waren anwesend. Er war erst seit ein paar Minuten hier, obwohl er wie ein Wahnsinniger gefahren war. Noch jetzt wunderte er sich, dass ihn niemand angehalten hatte. Mit seinem knallroten Mercedes fiel er doch recht auf und es passierte ihm des Öfteren, dass er in Polizeikontrollen geriet. Zwar hatte er das Typenschild mit den verräterischen Zahlen E 500 abnehmen lassen, dennoch sah man seinem schnittigen Wagen an, dass er einiges unter der Haube hatte. Trotzdem war es ihm wegen dem Gerede der Leute im Dorf wichtig gewesen, dass niemand wusste, welchen Typ er genau fuhr. Er wollte nicht noch mehr Getratsche über sich und seine Familie. Es reichte schon, wenn seine Tochter mit einem neuen Porsche und seine Söhne mit teuren Oldtimern herumfuhren. Doch die Gedanken um die familiären Fahrzeuge hatten

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