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hat Günther Preisel meine Schwester porträtiert?«

      »Es ist kein Porträt.« Martha Kolarik räusperte sich dezent.

      Franziska Magyar ignorierte die Bemerkung. Sie sah Klara eindringlich an und wartete auf eine Antwort.

      »Das Bild ist in der Zeit entstanden, als Günther in Wien studiert hat.«

      »Pah, das sieht meiner kleinen Schwester ähnlich. Sich von diesem untalentierten Möchtegernkünstler malen zu lassen.« Sie schnaufte verständnislos. »Sie hat ihr ganzes Leben lang absonderlichste Dinge getan. Die unsinnigste Sache war ihre Ehe mit Emil Kopf.«

      »Es gibt Leute, die mögen Gustavs Bilder.« Klara Kopf hielt Martha Kolarik ihre leere Tasse entgegen. »Für mich auch noch einen Schluck, bitte.«

      »Jetzt haben Sie mich furchtbar neugierig gemacht«, sagte Ernestine. »Dürfen Herr Böck und ich das Gemälde sehen? Wir finden Kunst äußerst spannend.«

      Anton verschluckte sich. Sein Interesse galt ausschließlich dem duftenden Weichselkuchen auf dem Servierteller in der Mitte des Tisches.

      »Aber natürlich«, sagte Klara Kopf. »Martha und ich haben zuvor einen Blick darauf geworfen. Ich finde, dass Gustav Mama gut getroffen hat.«

      Klara Kopf stand auf. Sie trug ein dunkelrotes Badekostüm und darüber einen ärmellosen Seidenmantel, der lose ihren schlanken Körper umspielte.

      »Stammt Ihr Mantel auch aus dem Laden im Strombad? Der Schnitt ist außergewöhnlich«, sagte Ernestine.

      »Ja«, sagte Klara Kopf erstaunt. »Marthas übrigens auch. Nur Tante Franzi mag die Mäntel aus dem Gelsenstüberl nicht.«

      »Das ist billiger Plunder!«, empörte sich die vornehme Dame. »Diese Madam Fischer, wie sie sich nennt, ist keine Designerin, sondern bloß eine einfache Schneiderin, die sich selbstständig gemacht hat.«

      »Es ist doch völlig egal, was sie ist, Tante. Hauptsache, ihre Produkte überzeugen ihre Kundinnen.«

      Mit geschickten Griffen entfernte Klara Kopf das Papier, hob das Gemälde hoch und warf zuerst selbst einen ausführlichen Blick darauf. Wehmut legte sich über ihr hübsches Gesicht. Trotz der Sonnenbrille konnte man die Traurigkeit in ihren Augen erahnen. Langsam drehte sie das Gemälde zu den anderen.

      Es handelte sich um eine sehr moderne Darstellung einer jungen, nur spärlich gekleideten Frau, die mit überkreuzten Beinen auf einem Sofa saß. Sie war schlank und blond, mit einem kantig geschnittenen Gesicht und einer geraden Nase. Sie trug ein wallendes Nachthemd, das ihr lasziv über die rechte Schulter hing. Die Farbwahl des Gemäldes war ungewöhnlich: kräftige, satte Töne. Goldene Elemente im Hintergrund erinnerten an Gustav Klimt. Trotz der sehr eigenwilligen Pinselführung war die Ähnlichkeit der Frau mit Klara Kopf unübersehbar.

      »Ich verstehe, dass Günther oder Gustav Preisel es nie zu Ruhm geschafft hat«, schnaufte Franziska Magyar abfällig. »Wer hängt sich freiwillig so ein Bild ins Wohnzimmer?«

      »Ich werde es tun«, sagte Klara Kopf.

      »Seit Tagen mustern wir den Dachboden der Hütte hier aus, und du kaufst neues Gerümpel.«

      »Ich mag das Bild.«

      »Hat dir dein Vater jemals das Perlenarmband gegeben, das Emma auf dem Bild trägt?«, fragte Franziska Magyar.

      Anton musste genau hinsehen, um das Schmuckstück zu erkennen. Aber ja, am rechten Handgelenk befand sich ein doppelt gewickeltes Perlenarmband mit einem roten Rubinanhänger.

      »Nein«, sagte Klara Kopf traurig.

      »Ich werde mit ihm reden. Das Armband stammt von deiner Großmutter. Es ist ein Familienerbstück, das seit Jahren den von Waldhofens gehört. Es steht dir zu. Wenn du es nicht einforderst, trägt es bald Emils neue Frau oder deren grässliche Tochter. Emil hat schon zu Emmas Lebzeiten ihren Schmuck verschenkt. Meine Mutter würde sich im Grab umdrehen, wenn sie davon erführe.«

      Anton war überrascht ob der direkten Worte. Auch Ernestine hob die Augenbrauen. Bevor sie weitere Fragen stellen konnte, beschloss er, nicht mehr länger zu warten.

      »Darf ich?«, fragte er mit Blick auf den Kuchenteller.

      »Ja, natürlich, greifen Sie zu, Herr Böck. Noch ist der Kuchen warm.« Martha Kolarik hielt ihm den Servierteller entgegen. Freudig langte Anton zu.

      »Sie haben eine Stiefmutter und eine Stiefschwester?«, erkundigte sich Ernestine.

      Klara Kopf legte die Sonnenbrille ab und lachte, doch das Lachen erreichte ihre Augen nicht. Es blieb rund um die Mundpartie stecken. »Klingt ein bisschen nach Klischee, wie im Märchen.«

      »Der Vergleich passt gut, denn Elfriede und Marlene benehmen sich wie die bösen Frauengestalten im Märchen«, sagte Martha Kolarik.

      »Das stimmt so nicht«, entgegnete Klara Kopf. »Es ist auch Papas Schuld, dass die Dinge so sind, wie sie sind.«

      »Du bist einfach zu gut für diese Welt«, seufzte Martha Kolarik.

      »Was tun Stiefmutter und Stiefschwester, dass Sie an böse Märchenfiguren erinnert werden?«, wollte Ernestine wissen.

      »Das Übliche«, antwortete Franziska Magyar. »Sie sind auf Emils Geld aus. Aber mein ehemaliger Schwager ist um keinen Deut besser, auch er kann nicht genug bekommen. Ich behaupte, dass er meine Schwester ausschließlich wegen ihrer Mitgift geheiratet hat. Dieser lächerliche Angsthase.«

      »Angsthase?«, wiederholte Ernestine.

      »Er hat eine krankhafte Insektenphobie. Schlimmer als jedes kleine Mädchen.«

      »Ach, Tante Franzi. Du bist zu streng mit Papa. Das Finanzielle ist längst geregelt und die andere Sache Schnee von gestern«, beschwichtigte Klara Kopf.

      »Welche Sache?«, fragte Ernestine.

      Anton fixierte peinlich berührt seine Kuchengabel. Ungeheuerlich, wie hartnäckig Ernestine die arme junge Frau ausfragte.

      »Diese Badehütte gehörte meinen Eltern. Elfriede Schlögel war sie immer ein Dorn im Auge, weil meine Eltern hier gute Zeiten verbracht hatten. Sie hat meinen Vater dazu überredet, sie zu verkaufen und eine größere und luxuriösere Hütte in der zweiten Reihe zu erstehen. Sie hat das gemacht, obwohl sie wusste, wie sehr ich an dieser Hütte hänge. Zum Glück hat meine Tante die ›Auwaldvilla‹ gekauft, und jetzt gehört sie mir.«

      »Ich habe einen Strohmann vorgeschickt, der gewieft verhandelt hat. Trotzdem ist es ein Skandal, dass meine Nichte sich ihr Erbe, das ihr rechtmäßig zusteht, erkaufen muss«, sagte Franziska Magyar. »Heute Abend werde ich deinen Vater auf das Armband ansprechen. Nicht wegen des Geldes, sondern wegen des ideellen Wertes.«

      Klara Kopf stellte das Bild wieder zurück an die Hauswand. Sorgfältig wickelte sie das Packpapier um das Gemälde.

      »Hast du vor, Günther oder Gustav, wie auch immer er sich nennt, für das Bild Geld zu geben?«

      »Ja, natürlich.« Klara Kopf setzte sich wieder unter den Sonnenschirm. Noch bevor ihre Tante weitere Fragen stellen konnte, sagte sie bestimmt: »Ich will über die Summe nicht reden.« Ihre Bemerkung erstickte jeden weiteren Kommentar zu dem Thema im Keim.

      Ernestine bemühte sich, die Stimmung wieder etwas aufzuhellen. »Magyar ist doch ein ungarischer Name, oder?«, fragte sie fröhlich.

      »Ja, mein verstorbener Mann war Ungar.«

      »Haben Sie in Ungarn gelebt?«

      »Bis vor vier Jahren.« Franziska Magyar winkte ab, als Martha Kolarik ihr ein Stück Kuchen auf den Teller legen wollte. »Es ist zu heiß für so ein Gebäck. Außerdem muss ich in meinem Alter auf meine Linie achten.« Sie schaute vorwurfsvoll zu Ernestine, die genussvoll vom Kuchen abbiss.

      Auch Anton konnte der Idee, dass es zu heiß für Kuchen sein sollte, nichts abgewinnen. Er hatte seine Portion schon beinahe aufgegessen. Der saftige Teig mit den säuerlichen

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