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Mitglied des Regimes des Diktators Ben Ali gewesen, das Ghannouchi wegsperren und foltern ließ.

      Doch auch in Tunesien war nicht alles rosig. Militante Islamisten trieben ihr Unwesen mit blutigen Anschlägen auf das Bardo-Museum in Tunis und auf eine Hotelanlage in Sousse. Ein tunesischer Student erschoss dort am 26. Juni 2015, während des Ramadan, am Strand des Imperial Marhaba Hotels 38 Touristen, die sich friedlich auf den Liegen gesonnt hatten.

      Als ich am nächsten Tag dort ankam, herrschte am Hotelstrand eine Atmosphäre der totalen Fassungslosigkeit. Jemand hatte mitten in die am Tatort niedergelegten Blumen einen Zettel mit einer einfachen Frage gesteckt: „Warum“, stand darauf.

      Der Attentäter, der 23-jährige Student Seifeddine Rezgui, war in keiner Weise auffällig geworden, bevor er mit einem Sturmgewehr am Strand auftauchte, um ein Blutbad anzurichten, das der IS später im Internet für sich reklamierte.

      Drei Tage später traf ich dann Mayel Monsef, den stillen Helden des tunesischen Badeortes Sousse. Er brachte mich zu jenem Ort, an dem er drei Tage zuvor versucht hatte, den Strand-Attentäter zu stoppen. Die Polizei war nirgends zu sehen gewesen, da sei der Mann mit seinem Sturmgewehr diese Straße entlanggelaufen, erzählte er. Monsef führte mich auf das Dach eines dem Hotel benachbarten Hauses, in dem er am Tag des Anschlags gearbeitet hatte. Dort lag immer noch ein Stapel Badezimmerfliesen. Er führte mir vor, wie er ein paar dieser Fliesen genommen, diese mit den Worten „Du Hund!“ auf den Attentäter geschleudert und ihn dabei am Kopf getroffen hatte. Dieser sei dann noch ein paar hundert Meter weiter getaumelt und dann im hinteren Teil des Ortes von der Polizei erschossen worden. Er sei ein einfacher Mann, sagte der Fliesenleger. Er habe als Bürger und Muslim einfach nur seine Pflicht getan. „Der Attentäter ist kein wahrer Muslim. Der Islam hat noch nie gesagt ‚töte‘, und schon gar nicht an einem Freitag im heiligen Ramadan. Der Islam sagt, dass du den Menschen verzeihen und sie lieben sollst.“ Es ist dem tunesischen Fliesenleger und seinem beherzten Handeln zu verdanken, dass der Anschlag nicht noch mehr Menschenleben kostete.

      Tunesien ging indes in sich. Am nächsten Tag fand vor dem Hotel in Sousse am Abend nach dem Fastenbrechen eine Demonstration statt. Von den Vertretern der säkularen Nidaa-Partei über deren Koalitionspartner, die moderate Ennahda-Partei, bis zur Opposition und zur Zivilgesellschaft waren alle gekommen. „Wir müssen in diesen Zeiten alle zusammenstehen“, erklärte mir dort der Arbeitsminister Zied Ladhari von der Ennahda-Partei. „Die Terroristen hassen unser Projekt, das einzig demokratische erfolgreiche in der arabischen Welt“, sagte er. Es habe nach der Revolution ein gewisses „religiöses Chaos“ gegeben, gab er zu. Und natürlich sei die Religionsfreiheit in der Verfassung garantiert. Aber die könne durchaus auch eingeschränkt werden, wenn es Menschen gebe, die mit ihrer Religionsinterpretation Gewalt legitimierten, sagte er.

      Im ganzen Land wurden viele Fragen gestellt, nicht nur dazu, wie der Sicherheitsapparat besser aufgestellt werden könne, um auf solche Anschläge, die für die Tunesier neu waren, angemessen reagieren zu können. Im Zentrum der Debatte stand auch die Frage, wie ein bisher unauffälliger Student zu einer solchen Tat getrieben werden konnte und warum beim IS im benachbarten Libyen, aber auch in Syrien und im Irak, auffällig viele Tunesier aktiv waren. Wie konnte das Land seine Jugend von den Dschihadisten-Rattenfängern wieder zurückgewinnen?

      Für Alaya Allani, einen ausgewiesenen tunesischen Experten für die militanten Islamisten, den ich später in der Hauptstadt Tunis traf, lag der Schlüssel in der wirtschaftlichen Misere des Landes. Bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sei weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten zu den Urnen gegangen. Bei den jungen Wählern sei es gar nur ein Viertel gewesen. „Das heißt, 75 Prozent der jungen Tunesier sind vom Arabischen Frühling und seinen Versprechungen enttäuscht worden. Sie bilden das Gros der Arbeitslosen. Damit ist es oft ein Leichtes für die Militanten, sie zu rekrutieren“, erklärte er.

      Um dem nachzugehen, fuhr ich bei einer späteren Tunesien-Reise dorthin, wo die arabischen Aufstände ihren Anfang genommen hatten, in die südtunesische Kleinstadt Sidi Bouzid. Im Zentrum der Stadt steht eine Statue, die an den prominentesten Bürger des Ortes erinnern soll. Sie stellt einen überlebensgroßen Karren dar, wie er von Straßenverkäufern in Tunesien verwendet wird, und ist Muhammad Bouazizi gewidmet, jenem tunesischen Straßenhändler, der sich hier 2010 selbst angezündet hat, weil sein Karren und seine Waren von der Polizei des damaligen Diktators Ben Ali willkürlich konfisziert worden waren. Schnell wurde deutlich, dass in der Wiege des Arabischen Frühlings fünf Jahre danach Katerstimmung herrschte. Die Region ist eine der ärmsten Tunesiens, jeder Vierte hat hier keine Arbeit. Im Zentrum der Stadt, unweit der Statue, traf ich einen der besten Freunde des verstorbenen Bouazizi, der sich nur als Hamza vorstellte. Sein Fazit über die Errungenschaften nach dem Sturz Ben Alis war vernichtend. „Die Menschen hier sind enttäuscht von der Revolution. Es gibt noch weniger Arbeit als früher und viele Jugendliche versuchen von hier nach Europa zu kommen. Wenn ich das Geld dafür hätte, würde ich auch gehen“, fasste er kurz und prägnant zusammen. Muhammad, ein anderer Freund Bouazizis, führte mich zu dem Haus, in dem die Familie des einstigen Straßenhändlers wohnte. Ein zweistöckiges, einfaches Haus, wie Hunderte andere im Ort. Die Familie war allerdings inzwischen nach Kanada ausgewandert. „Sie waren mehrfach bedroht worden und sind dann hier weggezogen“, erläuterte Muhammad. Ich dachte nur: Es ist kein gutes Zeichen, wenn die Familie des Revolutionshelden in den Nachwehen der Revolution flüchten muss.

      Auch die Lage der Straßenhändler selbst hatte sich aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage noch verschlimmert. Etwa bei Marwan, der wie einst Bouazizi mit einem Karren am Straßenrand Obst und Gemüse verkaufte. Seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sei noch schwerer geworden, erzählte er. „Die Waren, die ich früher in zwei Tagen verkauft habe, werde ich heute kaum in einer Woche los“, beschrieb er den Niedergang. Und auch in einem Café in der Innenstadt hatten sie wenig gute Worte für das neue Tunesien übrig. „Du befindest dich hier in der offenen Wunde der Revolution“, beschrieb es Hafez, einer der dortigen Jugendlichen, anschaulich. Die Lage sei aussichtslos. Aus diesem Ort ziehe es mehr Jugendliche in ihrer Verzweiflung zu terroristischen Gruppen als nach Europa. „Was ist euch in Europa lieber?“, fragte er fünf Jahre nach dem tunesischen Aufstand.

      Aber wenngleich viele Tunesier vor allem aus wirtschaftlichen Gründen an ihrer Revolution verzweifelten, zurück zu den autokratischen Zeiten wollte keiner, an der neugewonnenen Demokratie hielten sie fest. Anders als das ägyptische Militär, das eine jahrzehntelange Tradition hat, in der Politik mitzumischen, war das tunesische Militär immer eine Institution zur Landesverteidigung geblieben. Die Tunesier passten sich in den Zeiten nach dem Sturz Ben Alis immer wieder an die neue Lage an. Demokratische Werte und Transparenz waren ihnen zur liebgewonnenen Gewohnheit geworden, die sie nicht mehr aufgeben wollten. Die Tunesier haben nie wieder über die Schulter zurückgeblickt.

       Willkür und Repression in Ägypten

      Währenddessen machte Ägypten fast auf dem Absatz kehrt. Die neuen Machthaber, die Militärs und ihre Frontfigur Präsident El-Sisi, arbeiteten daran, den ganzen 25. Januar 2011 und den folgenden Aufstand vergessen zu machen und die Geschichte umzuschreiben. Sie gingen mit den gleichen nicht reformierten Institutionen aus der Mubarak-Zeit wieder zur Tagesordnung über, ohne Mubarak, der nur noch eine politische Fußnote war.

      Das Innenministerium behielt seine alte Rolle als Repressionsapparat, der für nichts zur Rechenschaft gezogen wird, dazu kamen übergeordnet das Militär und eine Justiz, die nur noch als Erfüllungsgehilfe des Regimes fungierte. Infolge der blutigen Auflösung der Protestlager der Muslimbrüder kam es vor allem in Südägypten zu einer ganzen Reihe von Mob-Angriffen, meist auf Polizeistationen, aber auch auf eine ganze Reihe von Kirchen. Dass der koptische Papst Tawadros II. sich am Tag der Machtübernahme des Militärs zum Fototermin neben El-Sisi gestellt hatte, um seine Unterstützung auszudrücken, zeugte fatale Folgen und machte in den Augen der Islamisten alle Christen zu Komplizen der Militärmachthaber.

      Das Regime und die Justiz nutzten diese Gelegenheit, um mit der Muslimbruderschaft abzurechnen, die inzwischen zur terroristischen Organisation erklärt worden war. Massen-Todesurteile wurden in Ägypten zum Alltag, besonders 2014. Nach nur zwei Prozesstagen und praktisch ohne Beweisaufnahme

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