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Verfluchtes Drachenherz. Inka Loreen Minden
Читать онлайн.Название Verfluchtes Drachenherz
Год выпуска 0
isbn 9783963701702
Автор произведения Inka Loreen Minden
Жанр Языкознание
Серия Wächterschwingen
Издательство Bookwire
Aber auch sein ureigenes Wesen verlangte Befriedigung. Deshalb musste seine verdammte Einsamkeit warten. Er hatte zu arbeiten.
Kapitel 2 – Die Legende des schwarzen Drachen
Fay stieß einen gelangweilten Seufzer aus und nippte an ihrem Wasserglas. Über dessen Rand beobachtete sie im Wirtshaus die alten, feiernden Menschen, die lieber lachten, Scones mit Clotted Cream aßen und Tee mit jeder Menge Gin, Whisky oder Rum tranken, als ihr etwas über die Drachensage zu erzählen. Nur wegen dieser Geschichte war sie extra von London bis in dieses abgelegene Kaff gefahren. Einzig interessant war der breitschultrige, schwarzhaarige Schönling gegenüber im Saal, der bereits den halben Nachmittag von Tisch zu Tisch schlenderte. Er hatte etwas Erhabenes an sich oder machte den Eindruck, als würde er vom Adel abstammen. Mit seiner einem Tick zu großen, aber geraden Nase, dem leichten Bartschatten und den markanten Wangenknochen könnte er aber auch als Model durchgehen. Und allein diese Figur! Fay wollte ihn gar nicht zu sehr mustern, da würde ihr nur das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Gerade unterhielt sich Mister Supersexy angeregt mit einer etwa Achtzigjährigen. Bloß verstand Fay kein Wort. Die Leute redeten zu laut und grässliche Musik tönte aus den Lautsprechern. Ihr entging jedoch nicht, dass der heiße Kerl – dem der dunkelblau schimmernde Anzug ausgezeichnet passte, wie sie neidlos anerkennen musste – ständig in ihre Richtung spähte. Der Mann war ungefähr ihr Jahrgang, auf jeden Fall nicht über fünfunddreißig, weshalb sie beide den Altersdurchschnitt in diesem Raum beträchtlich senkten. Vielleicht sah er sie auch aus diesem Grund immer wieder an, als wäre sie ein exotisches Tier, schließlich passte sie hier genauso wenig rein wie er. Dabei wirkte sie für gewöhnlich eher unscheinbar und hatte nicht oft das Gefühl, irgendwelchen Männern – oder einem extrem sexy Gargoyle aus Vincents Klan, in den sie sich ein wenig verguckt hatte – aufzufallen. Das störte sie aber auch nicht weiter. Wer sie nicht wollte, hatte eben Pech gehabt. Eines Tages würde Mr Right schon aufkreuzen. Sie lief gewiss keinem Kerl hinterher.
Wegen der Hitze draußen hatte Fay ihr braunes Haar locker im Nacken zusammengebunden und trug einen hauchdünnen beigen Jumpsuit. Sie überlegte, den Hosenanzug aus Viskose öfter anzuziehen. Anscheinend machte der sie attraktiver.
Fay schnaubte amüsiert. Was für dämliche Gedanken! Sie wollte diesem Typ ganz sicher nicht gefallen, das hatte sie doch eben beschlossen! Er starrte bestimmt nur zu ihr her, weil sie eine völlig Fremde war. Sicher fragte er sich, was die Reporterin, für die sie sich ausgab, hier suchte. Und dass er bisher kein Wort mit ihr gewechselt hatte, zeigte ihr, wie wenig interessant er sie fand. Solche Sahneschnitten ließen doch sonst nichts anbrennen? Wahrscheinlich zerrten an jedem seiner Finger mindestens fünf hübsche Frauen, weshalb er aktuell bedient war. Oder er war verheiratet und treu – wobei ihr kein Ring an ihm auffiel.
Ob er der Veranstalter dieser Feier war? Im Gegensatz zu ihr amüsierte sich Mister Sexy offensichtlich prächtig, flirtete mit einer ergrauten Dame, stieß mit einem betagten Herren an und tat gerade so, als wäre er mit allen supergut befreundet.
Schnell drehte Fay ihm den Rücken zu, weil sie grinsen musste. In diesem verschlafenen Nest dürfte es für ihn sehr schwer werden, genügend Auswahl in seinem Alter zu finden – falls er auf der Suche war. Turtelte er deshalb mit den älteren Ladys? Oder stand er auf reifere Frauen?
Fay kannte hier niemanden. Sie hatte den weiten Weg jedoch nicht nur wegen dieser ominösen Drachensage auf sich genommen, sondern auch, um vielleicht etwas Neues über ein verschwundenes Notizbuch und dessen Inhalt zu erfahren. Leider hatte sich ihre Mission beziehungsweise die Vision, die dieser Reise vorausgegangen war, als absoluter Fehlschlag erwiesen.
Sie stellte ihr leeres Glas einem vorbeischlendernden Kellner, der kaum jünger war als die restlichen Anwesenden, auf das leere Tablett und überlegte, ob sie noch einmal ihr Glück bei einem Einwohner versuchen sollte. In einer Ecke saß ein Mann, der aussah, als wäre er bereits hundert Jahre alt und halb versteinert. Er starrte nur auf den Tisch und würde wohl jede Sekunde einschlafen.
Nein, von dem würde sie auch nichts erfahren.
Verdammt! Ihre Visionen zeigten ihr fast immer etwas Bedeutsames! Doch der Zeitungsartikel, der vor drei Tagen urplötzlich vor ihrem geistigen Auge aufgeploppt war, gehörte wohl nicht dazu. Dabei hatte alles so vielversprechend geklungen!
Es hieß, hier in der Ortschaft Woodhead feierten die Einwohner jedes Jahr ihren Sieg über den letzten Drachen dieser Gegend, den sie vor dreihundert Jahren geköpft hatten. Er und seine Vorfahren sollten sich Jungfrauen aus dem Dorf geholt haben, um Nachwuchs mit ihnen zu zeugen. Natürlich gab es diese archaische und grausame Sitte seitdem nicht mehr, sie war zusammen mit dem mythischen Wesen vom Antlitz der Welt verschwunden.
Fay ging grundsätzlich jeder Spur nach, um entweder das verschwundene Buch zu finden oder das Rätsel des Steinfluches auf andere Art zu lösen. Sie machte sich große Vorwürfe, dass sie vor drei Jahren das Notizbuch des Magiers Thomas Elwood mit nach Hause genommen hatte. Es stammte aus dem 19. Jahrhundert und enthielt codierte Notizen, wie der Magier damals die Gargoyles von dem Steinfluch befreien wollte, und auch Einträge seines Sohnes David. Weil Fay kurz davor gestanden hatte, die entscheidende Passage zu entschlüsseln, hatte sie in ihrer Freizeit weiter daran arbeiten wollen, was ihr natürlich nicht erlaubt gewesen war. Auf dem Weg in ihre Wohnung hatte ihr ein junger Typ, dessen Gesicht sie wegen der tief nach unten gezogenen Kappe nicht erkannt hatte, am helllichten Tag die Handtasche mitsamt Buch gestohlen. Da sich so viele Passanten in der Nähe befunden hatten, war es ihr unmöglich gewesen, ihn durch einen Zauber aufzuhalten.
Der Verlust des unglaublich wertvollen Artefaktes hatte einen Rauswurf aus dem Magierrat zur Folge gehabt, in dessen Auftrag sie als Wissenschaftlerin die codierten Notizen entwirren sollte. Doch zum Glück hatte sie eine Anstellung in London bei Noir LeMar gefunden. Die begabte Hexe hatte damals fast zur selben Zeit, nachdem sie mit Hilfe einiger Verbündeter den mächtigen Höllenfürsten Ceros zur Strecke gebracht hatte, eine Detektei für paranormale Fälle eröffnet und nach Mitarbeitern gesucht. Auf diese Weise hatte Fay nicht nur Noirs schnuckligen Partner Vincent kennengelernt, der übrigens ein Gargoyle war, der sich in einen Menschen verwandeln konnte, sondern auch weitere Goyles – Gargoyle-Wesen-Hybriden – aus seinem neu gegründeten Klan.
Nicolas – dessen Vater ein Inkubus und Mutter ein Gargoyle gewesen war – arbeitete auch dort. Er besaß die Gabe, mit seinem Geist in die Köpfe anderer dringen zu können. Er hatte ihr den Zeitungsausschnitt der Drachensaga-Feier, den Fay in ihrer Vision nur ganz kurz erblickt hatte, vorgelesen, damit sie sich Ort und Zeitpunkt notieren konnte. Außerdem hatte Nick gesagt, er hätte eine riesige Bibliothek mit vielen, auch schon sehr alten Büchern in ihrer Vision gesehen, und mittendrin einen echten Drachen – einen Schwarzen Donnertrommler, um genau zu sein – was Nick später in einem von Noirs schlauen Büchern nachgeschlagen hatte. Das Bild mit dem Untier in der Bibliothek war nur ein ganz kurzes Aufblitzen gewesen, sodass Fay dieses Detail völlig verborgen geblieben war. Doch Nick fand einfach immer alles in den Köpfen anderer.
Aber bis jetzt hatte sie nichts. Da hätte sie genauso gut zu Hause bleiben und Cal anschmachten können. Caleb oder »Cal«, wie er von den meisten genannt wurde, lebte seit zwei Jahren in Vincents Klan und hatte es ihr von allen Gargoyles besonders angetan. Er gesellte sich oft nachts, sofern sie noch für Noir Dinge erledigte, zu ihr ins Büro und fragte beinahe jedes Mal, ob es schon etwas Neues wegen des verschollenen Tagebuchs gab. Er zeigte sich einerseits an ihr interessiert, andererseits schien er sie dennoch auf Abstand zu halten. Ein wenig seltsam war er schon …
Nicht an ihn denken!, ermahnte sie sich und konzentrierte sich lieber wieder auf die anwesenden Leute und auf ihre Aufgabe. Aber immer, wenn sie mit einem Einheimischen ins Gespräch kommen wollte,