Скачать книгу

Die Polizei!« fuhr Agatha Simpson mit ihrem baritonal gefärbten Organ dazwischen. »Die schafft es, den Verkehr zu regeln, aber die Verbrecher fange ich.«

      »Sie?« fragte der Hausherr spöttisch.

      »Einer Detektivin entgeht auch der gerissenste Gangster nicht, Mister Matschbraten«, warf Agatha Simpson sich in die ohnehin voluminöse Brust.

      »Sie sind Detektivin?« vergewisserte sich Hadsch Brahim. Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen ungläubigem Staunen und belustigtem Grinsen. »Ich hätte eher an ein Marktweib gedacht, das ein paar Kriminalfilme zuviel gesehen hat.«

      »Das ist der Gipfel!« empörte sich die ältere Dame. »War das eine Beleidigung, Mister Parker?«

      »Möglicherweise sollte man Mister Hadsch Brahim einen gewissen Informationsrückstand zugute halten, Mylady«, versuchte der Butler, seine Herrin zu bremsen. Er wußte aus langjähriger Erfahrung, wie spontan die resolute Dame auf echte und falsche Beleidigungen reagierte.

      »Wie auch immer, Mister Parker«, fauchte die Detektivin, »eine Lady Simpson beleidigt man nicht. Da gibt es keine Entschuldigung.«

      Wütend machte Lady Agatha den ersten Schritt auf Hadsch Brahim zu, doch schon zerriß ein scharfer Knall die Luft. Dicht vor Myladys Füßen schlug das Projektil eine Kerbe in den Betonboden, schoß jaulend als Querschläger durch den Raum und ließ klirrend eine Fensterscheibe zu Bruch gehen.

      Agatha Simpson, die sonst im Angesicht von Feuerwaffen eine bemerkenswerte Unbefangenheit an den Tag legen konnte, wurde blaß. Unschlüssig ließ sie ihren perlenbestickten Pompadour wieder sinken.

      »Das war nur eine wohlgemeinte Warnung, Mylady«, ließ Hadsch Brahim sich vernehmen. »Bei der nächsten falschen Bewegung mache ich Ernst. Also: Wo steckt das Mädchen?«

      »Möglicherweise darf man höflich daran erinnern, daß Ihre Frage durch meine Wenigkeit bereits beantwortet wurde, Sir«, schaltete Parker sich wieder ein. »Im übrigen sollte der Hinweis gestattet sein, daß Feuerwaffen denkbar ungeeignet sind, eine kultivierte Gesprächsatmosphäre herbeizuführen.«

      »Andererseits ist ein Schuß das beste Mittel, um gegensätzliche Positionen zu klären«, gab Hadsch Brahim ungerührt zurück. »Und er weckt sogar hartnäckige Langschläfer.«

      In der Tat war der Leibwächter, der bislang teilnahmslos auf dem zusammengebrochenen Feldbett geruht hatte, bei dem Knall erschreckt zusammengefahren. Er hob vorsichtig den Kopf, blickte irritiert ins grelle Neonlicht und wischte sich mit dem Handrücken, Fritten und Mayonnaise aus dem Schwarzhaar.

      »Wird’s bald, Hassan?« herrschte Hadsch Brahim seinen Untergebenen an. »Fürs Schlafen wirst du nicht bezahlt, elender Feigling!«

      Die Worte wirkten. Hastig raffte Hassan sich auf und suchte in allen Taschen vergeblich nach seiner verschwundenen Waffe. Mühsam hielt er auf wankenden Beinen das Gleichgewicht und wollte sich mit einem unterwürfigen Wortschwall bei seinem Gebieter entschuldigen. Doch dazu ließ Parker ihm keine Zeit mehr.

      Dem Butler war das blecherne Scheppern nicht entgangen, das durch die offene Tür hereindrang. Offenbar hatte der Schuß auch Hadsch Brahims zweiten Beschützer aus seinen Träumen gerissen. Es war höchste Zeit zu handeln. Und Parker handelte.

      Für Hassan, der immer noch leicht benommen war und dem Butler arglos den Rücken zuwandte, kam der Tritt, den Parker seinem verlängerten Rücken versetzte, völlig überraschend. Er ließ einen verdutzten Aufschrei hören, kippte vornüber und torkelte auf seinen Chef zu, der nur wenige Schritte vor ihm stand.

      Hadsch Brahim schien dieser spontane Annäherungsversuch zu mißfallen, doch zum Ausweichen war es schon zu spät. Mit scharfem Knall löste sich ein Schuß und zerfetzte eine der beiden Neonröhren, als Hassan seinem Gebieter in die Arme fiel.

      *

      Der Hausherr brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um sich auf die veränderte Situation einzustellen. Doch Parker wäre nicht Parker gewesen, hätte er diese winzige Zeitspanne nicht genutzt.

      Ehe Hadsch Brahim die Waffe wieder in Anschlag bringen konnte, war der Butler schon heran und tippte mit der bleigefüllten Spitze seines altväterlich gebundenen Regendachs auf das Handgelenk des Mannes.

      Jaulend ließ der Hausherr die Waffe fallen. Der Schmerz machte ihn blind und taub. In besinnungsloser Wut trat er nach seinem ungeschickten Leibwächter.

      Mit zischendem Laut gab Hassan alle Atemluft von sich, als er die Schuhspitze seines Herrn in der Magengrube spürte. Er röchelte, taumelte rückwärts durch den Raum und richtete noch ein zweites Feldbett zugrunde, als er hintenüber kippte und sich aus dem Geschehen verabschiedete.

      Hadsch Brahim dagegen gab nicht so schnell auf. Er bückte sich nach seiner Waffe. Parker, der mit einer Fortsetzung der Unfreundlichkeiten gerechnet hatte, war jedoch auf der Hut.

      Ruckartig ließ er seinen schwarzen Universal-Regenschirm vom angewinkelten Unterarm senkrecht in die Höhe steigen. Die schwarz behandschuhte Rechte umfaßte die Spitze, während der gebogene Bambusgriff einen Halbkreis beschrieb.

      Der Hausherr antwortete mit dumpfem Brüllen, als der bleigefüllte Bambusgriff auf seine Schädeldecke pochte. Einen Augenblick lang streckte er sich bäuchlings auf dem kalten, harten Boden aus. Doch sein Widerstand war noch nicht gebrochen.

      Mit letzter Kraft versuchte der Gangster, sich hochzustemmen. Er wollte den Butler mit bloßen Fäusten angreifen, aber Arme und Beine versagten den Dienst.

      Aus blutunterlaufenen Augen starrte Hadsch Brahim den Butler an, während er mit unendlicher Mühe sein Gesicht vom Boden erhob. Der Mund murmelte unhörbare Flüche. Die braune Haut hatte eine gelblich-weiße Farbe angenommen, die lebhaft an die Kreidefelsen von Dover erinnerte. Die Stirn war mit winzigen Schweißperlen übersät.

      »Hundesohn!« stieß er zähneknirschend hervor, während sein Kopf haltlos von einer Seite auf die andere pendelte. Anschließend gab er einen Laut von sich, der an eine altersschwache Dampfmaschine erinnerte, und ließ den Kopf vornüber sinken. Entspannt streckte er sich auf dem Boden aus. Der eben noch hektische Atem beruhigte sich zusehends.

      In diesem Moment tauchte eine schwankende Gestalt in der Türöffnung auf. Dem entgeisterten Gesicht des Leibwächters war deutlich anzusehen, welche Schwierigkeiten er hatte, sich über die Situation vor seinen Augen klarzuwerden.

      Agatha Simpson nahm dem etwas überfordert wirkenden Mann das mühsame Nachdenken ab. Begeistert ließ sie ihren ledernen Beutel kreisen und schickte ihn dem verwirrten Leibwächter entgegen.

      Der Mann hatte das Gefühl, ein Pferd hätte ihn getreten, als der Pompadour sich mit klatschendem Laut an seine Brust schmiegte und die Elastizität seiner Rippen testete. Abwegig war dieser Eindruck nicht, wenn man sich an die Herkunft von Myladys eisernem Glücksbringer erinnerte.

      Fassungslos glotzte der Mann aus hervorquellenden Augen die resolute Dame an. Er schien unter akuter Atemnot zu leiden, obwohl die offene Tür reichlich frische Nachtluft hereinließ. Ein Zittern durchlief seinen Körper, ehe er jammernd in der Hüfte zusammenklappte wie ein Taschenmesser.

      Hustend und würgend probierte der Mann eine Art Kosakentanz. Er schien jedoch nicht ausreichend trainiert zu haben und brach die wenig eindrucksvolle Darbietung schon nach einigen Sekunden ab.

      Kaum hatte er es sich zu Füßen der Detektivin auf dem Boden bequem gemacht, ließen auch die würgenden Hustenanfälle nach, die ihn eben noch gequält hatten. Seine Züge entspannten sich. Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes, während er friedlich seufzend ins Reich der Träume hinüberglitt.

      »Sorgen Sie dafür, daß die Schurken mir unverzüglich für ein Verhör zur Verfügung stehen, Mister Parker«, ordnete die resolute Lady an. »Ich habe keine Zeit zu verlieren.«

      »Dieses Umstandes ist meine bescheidene Wenigkeit sich durchaus bewußt, Mylady«, antwortete der Butler mit einer angedeuteten Verbeugung. »Man wird sich deshalb intensiv bemühen, Mylady keinesfalls zu enttäuschen.«

      »Dreimal

Скачать книгу