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      »Wir könnten uns treffen – zu Hause«, schlug Gerda zögernd vor. »Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr bei meinen Eltern.«

      »Eine gute Idee«, meinte er.

      »Wann willst du fahren?«, fragte sie rasch.

      »Ich habe noch keine Pläne gemacht. Ich habe viel Zeit.«

      »Übernächstes Wochenende?« Gerdas Augen leuchteten.

      »Warum nicht, Gerda? Ich werde mich bei deinen Eltern melden.«

      »Sie freuen sich bestimmt, dich wiederzusehen, Klaus.«

      Da sie ihm nichts Näheres über Gabi Renz zu erzählen vermochte, fragte er nach ihrer Arbeit. Sie berichtete lebhaft davon, und er tat, als höre er ihr aufmerksam zu. In Wirklichkeit aber dachte er darüber nach, wie es möglich war, dass Gabi gestorben war.

      Als sie aufbrachen, erneuerte Gerda die Verabredung für das übernächste Wochenende.

      »Bis dann also, Gerda«, sagte Klaus Magnus freundlich.

      »Ja, Klaus.« Gerda rechnete die Tage bis zu diesem Wiedersehen aus und war unvernünftig glücklich an diesem Abend.

      In seinem Hotelzimmer grübelte Klaus Magnus darüber nach, ob es richtig gewesen war, dass er nie an Gabi geschrieben hatte, obwohl er sie geliebt hatte. Nun war sie tot …

      *

      »Schaust du meine Rechenaufgaben durch, Mutti?«, bat Klaus schüchtern.

      »Gib schon her.« Lilo Werner überflog die Aufgaben. »Es stimmt alles«, sagte sie und gab das Heft zurück. »Was macht Jochen?«

      »Er malt.«

      »Fein. Du kannst jetzt spielen. Oder nein, es wäre besser, wenn du zuerst den Käfig für die Meerschweinchen sauber machen würdest.«

      »Aber es sind Jochens Meerschweinchen.«

      Lilo rüttelte den Jungen am Arm. »Du tust, was ich dir sage«, fuhr sie ihn an. »Jochen ist jünger als du. Du musst für ihn sorgen.«

      »Jochen ist auch schon sieben, genau wie ich. Ich habe nur im Oktober Geburtstag, und er im März darauf. Deshalb ist er auch später in die Schule gekommen.«

      »Du sollst nicht ständig widersprechen.«

      »Ich mache den Käfig schon sauber«, versicherte Klaus hastig. »Darf ich den Meerschweinchen ein paar Möhren geben?«

      »Ja, tu das nur. Vielleicht hat Jochen es vergessen.«

      Der Friede zwischen Mutter und Sohn schien wiederhergestellt zu sein. Doch an der Tür des Wohnzimmers zögerte Klaus.

      »Du – Mutti?«

      »Was gibt es denn schon wieder?«

      »Wieso sind zwischen Jochens Geburtstag und meinem nur fünf Monate Unterschied? In der Schule haben wir gelernt, dass es neun Monate sein müssen.«

      Lilo Werner warf dem Jungen einen seltsamen Blick zu. »So etwas kommt eben vor«, erklärte sie abweisend. »Außerdem sollen Kinder nicht ständig dumme Fragen stellen.«

      Klaus kannte diesen Ton genau. Er verzog sich eilig. Doch die Sache ließ ihm keine Ruhe. Früher hatten Jochen und er manchmal darüber gelacht, dass die Leute sie für Zwillinge hielten. Das mit den neun Monaten hatte er damals natürlich noch nicht gewusst.

      Sobald Klaus die Meerschweinchen versorgt hatte, ging er ins Kinderzimmer.

      »Findest du es nicht auch komisch, dass wir beide sieben Jahre alt sind und trotzdem nicht in dieselbe Klasse gehen?«, fragte er seinen Bruder, der mit Fingerfarben ein kühnes Gemälde fabrizierte.

      »Ich bin doch kleiner als du.«

      »Wenn schon! Wir müssten eigentlich Zwillinge sein.«

      »Wir sind aber keine. Mutti sagt, ich bin ihr Kleinster.«

      »Sie mag dich lieber als mich. Warum bloß?«

      »Das ist eben so.« Jochen, der verhätschelte Liebling, fand es ganz selbstverständlich, dass er bevorzugt wurde.

      »Was sie mit der Katze für ein Theater gemacht hatte. Aber du hast die Meerschweinchen, den Goldhamster und Theobald.« Theobald war Jochens weißer Spitz.

      »Sie denkt wohl, dass es jetzt genug Tiere sind. Bist du schon wieder im Tierheim Waldi & Co. gewesen?«

      »Bis jetzt nicht. Aber ich gehe bestimmt wieder hin.«

      »Mutti hat es verboten.«

      »Ich gehe trotzdem. Frau von Lehn ist schrecklich nett. Ich will wissen, wie es Heinrich geht.«

      Jochen rieb sich die Nase. Da er grüne Farbe am Finger hatte, bekam er eine grüne Nase.

      »Ich möchte schon mitkommen. Das Tierheim muss große Klasse sein. Vielleicht merkt Mutti gar nichts.«

      »Mir macht es nichts aus, wenn ich ausgeschimpft werde«, erklärte Klaus gleichmütig. »Morgen geht Vati auf eine Geschäftsreise. Wir gehen gleich nach dem Essen, wenn Mutti in der Küche ist«, schlug er vor.

      Jochen war ängstlich. »Ich überlege es mir noch.«

      *

      Andrea von Lehn war nicht wenig erstaunt, als sie Klaus und Jochen Werner erblickte. Die beiden trugen gleiche Kleidung und sahen fast wie Zwillinge aus.

      »Hallo«, begrüßte sie die Brüder. »Fein, dass ihr da seid. Heinrich geht es gut.«

      »Jochen möchte gern das Tierheim sehen, Frau von Lehn«, erklärte Klaus höflich. »Geht das?«

      »Natürlich geht es.«

      »Wir sind nämlich heimlich gekommen«, platzte Jochen heraus. »Mutti will es nicht. Aber ich war so neugierig auf den Esel und den Schimpansen Mogli.«

      Andrea hob den Finger. »Ausgerissen seid ihr also? Hoffentlich sorgt sich eure Mutti jetzt nicht um euch.«

      »Wir gehen öfters ein bisschen weg. So klein sind wir nicht mehr«, versicherte Klaus.

      »Ich bin auch schon sieben, genau wie Klaus«, verkündete Jochen stolz.

      »Dann seid ihr also Zwillinge?«

      Jochen lachte. »Das stimmt nicht. Ich bin jünger.«

      Andrea wunderte sich. Doch sie stellte vorsichtshalber keine weiteren Fragen. Es fiel ihr jedoch auf, dass Jochen sich viel freier und selbstsicherer bewegte als Klaus.

      »Geht nur zu Janosch«, sagte sie freundlich. »Er ist gerade im Freigehege, um nach Bambi zu sehen. Nachher könnt ihr euch bei Marianne in der Küche Limonade holen, wenn ihr mögt.«

      Die Buben liefen davon und vergaßen bald, dass sie zu Hause vermisst wurden.

      *

      Als es klingelte, stieß Lilo Werner einen Seufzer der Erleichterung aus. »Endlich«, sagte sie halblaut zu sich selber. »Klaus hätte mir wirklich sagen müssen, wohin er mit Jochen gehen wolle.«

      Sie eilte an die Tür, öffnete und starrte den Fremden, der vor ihr stand, verständnislos an.

      Der Besucher verbeugte sich höflich. In seinem sonnenbraunen Gesicht erwachte ein Lächeln. »Ich bin Klaus Magnus. Darf ich noch du sagen, Lilo?«

      Lilos hübsches Gesicht verfärbte sich. Zuerst wurde es sehr blass, dann zeigten sich rote Flecken auf ihren Wangen.

      »Dass du die Frechheit hast, einfach hier aufzukreuzen«, stieß sie zornig hervor. »Früher ist dir das wohl nicht eingefallen?«

      Klaus Magnus war schockiert. Er konnte sich aus dieser Reaktion keinen Vers machen. »Entschuldige bitte, Lilo. Ich war seit vielen Jahren nicht mehr in Deutschland. Von Gerda Ahlsen, die ich zufällig in München im Hotel traf, erfuhr ich, dass Gabi gestorben ist. Gerda gab mir deine Adresse, und nun bin ich hier, um von dir Näheres

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