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verriet nicht, wonach er suchte, aber das war einerlei. Wie alle Soldaten war Krayenbrink es gewohnt, zu befolgen, was man ihm auftrug, ohne nachzufragen. Ja, mehr noch, da der Alte sich insgeheim gewundert hatte, zu welchem Zweck er die Schaufel hatte schultern dürfen, schien ihm nunmehr Antwort genug, sie zu benutzen, und sogleich stellte er die Laterne ab und begann eifrig zu schippen.

      Der Schnee lag nur wenig mehr als eine Spanne hoch und rasch hatten sie eine Fläche freigelegt, so groß, dass sich auch der stattlichste Bursche auf ihr hätte ausstrecken können.

      Als Krayenbrinks Schaufel ihr Werk getan und Hesenius den Boden von Schneeresten gesäubert hatte, spiegelte sich der Schein der Laterne auf dem blanken Eis wider, doch mittendrin durchzog diesen Spiegel ein langer und tiefer Riss, gerade so, als sei etwas Schweres hier aufgeschlagen. Während der Soldat das Resultat gleichmütig aufnahm, hatte Ulrich sich kauernd niedergelassen und strich in gedankenverlorenem Schweigen mit der Hand über die kaltglitzernde oberfläche.

      Als er sich nach einiger Zeit wieder aufrichtete, drückte seine Miene alles in allem Zufriedenheit aus. Er ließ sich vom Alten die Stelle zeigen, wo man den Hut des Verunglückten gefunden hatte. Krayenbrink war sich hierbei weniger sicher als vorhin, aber da Ulrich die Spuren vor einem Gebüsch am gegenüberliegenden Ufer untersuchte, fand er dort auf der Schneedecke Abdrücke von Stiefeln, und bei einer Spur fehlte der rechte Absatz, so dass kein Zweifel möglich war. Hier also war der alte Soldat geschritten und hatte den Hut, wie berichtet, eingeklemmt zwischen einigen Zweigen gefunden. Ulrich bedeutete ihm, dass er jetzt noch die Brücke begehen wollte, und so verließen sie beide die Eisfläche und mühten sich die Uferböschung wieder hinauf.

      Wie es häufig zu finden war, wölbte sich die hölzerne Brücke ein wenig. So konnte man auch auf Kähnen stehend unter dem Bogen hindurch staken, wenn wieder die Zeit gekommen war, die Boote zu Wasser zu lassen. Ulrich prüfte die Festigkeit des Geländers, ließ sich dann von seinem Begleiter die Laterne reichen und überquerte die Brücke vorsichtigen Schrittes, leuchtete bald hierhin, bald dorthin und kehrte schließlich in der gleichen Weise wieder zurück. Da niemand sich die Mühe gemacht hatte, die Bohlen mit Asche zu bestreuen, war der Untergrund, auf dem er wandelte, auf tückische Art rutschig. Es war ein Leichtes, hier ins Stolpern zu geraten, gestand sich Ulrich ein. Doch hatte er im Ganzen bereits zu viele Dinge entdeckt, die dem vermeintlichen Unglück entgegen standen.

      Er blickte auf die Fläche, die sie beide vorhin vom Schnee freigeschaufelt hatten und die sich jetzt, da sie hier oben standen, so dunkel abzeichnete, als hätten sie dort ein tiefes Grab ausgehoben. Zögernd trat Krayenbrink hinzu, der nicht recht wusste, ob es der richtige Moment war, ihre Heimkehr anzusprechen.

      Ringsum herrschte Stille. Der flackernde Schein des einzigen Lichts inmitten großer Dunkelheit hüllte sie beide ein und brachte eine getragene Stimmung hervor. Es war diesmal der Alte, der das Wort ergriff, um etwas Tröstliches zu sagen. Schließlich wusste er das stille Verharren des Jüngeren nicht anders zu deuten, als dass ihn der Gedanke an den Verstorbenen bedrückte.

      „Ich habe den Tod bei vielen Gelegenheiten gesehen, junger Herr“, sagte er, in dem Bemühen, die angemessenen feierlichen Worte zu finden, „und nun mal oft kam er in ganz furchtbarer Gestalt. Aber seid nur gewiss, dass der hohe Herr vergangene Nacht ganz geschwind gestorben ist. Mein Wort drauf, junger Herr, er hat ganz gewiss nicht leiden müssen, und so friedlich hat er dagelegen, wie wir ihn gefunden haben, als hätte der Herrgott selbst ihn noch, wie er gefallen ist, brav hingebettet.“

      Ulrich stimmte ihm zu, denn das war höflich und den Bemühungen dieses aufrechten Veteranen angemessen. Etwas in den Worten des Alten hatte seinen Gedanken neuerlich einen Stoß gegeben, aber er hütete sich, auszusprechen, was ihn in Wahrheit bewegte. Was er im Ganzen an Ungereimtheiten aufgeworfen sah, würde er seinem Bericht anvertrauen, den er noch heute Nacht beginnen wollte.

      Ulrich bat den Alten, er möge ihn noch durch die Finsternis zurück zum Haus am Dovenfleet geleiten. Sofern sie sich nur recht beeilten, würde Krayenbrink noch rechtzeitig zum Zeughaus zurückkehren können, ehe das Licht seiner Laterne niedergebrannt war.

      So brachen beide auf, und da sie rüstig ausschritten, hatten sie bald die Alte Stadt erreicht. Straßen, die vor Stunden noch übervoll von Menschen gewesen waren, glichen nun verlassenen Schluchten, und nur spärlich verriet hier und da ein Lichtschimmer hinter geschlossenen Fensterladen, dass sich das Leben in Wahrheit nur zum Schlafen hinter die Häusermauern zurückgezogen hatte. Inzwischen mochte es auf die neunte Abendstunde zugehen. Als sie St. Nikolai und den Hopfenmarkt passierten, begegnete ihnen ein Nachtwächter auf seiner Runde, doch wirkte der Soldatenrock seines Begleiters amtlich genug, so dass Ulrich nicht erklären musste, weshalb er zu solch später Stunde noch auf der Straße unterwegs war.

      Hesenius wurde durchaus nicht müde, Krayenbrink unterwegs weiter zu befragen, etwa danach, auf welche Weise dieser mit seinen Kameraden den Toten gepackt und aufgeladen hatte. Anfangs hatte er noch befürchtet, seine gesammelte Neugier könne den Soldaten am Ende misstrauisch machen und dazu führen, dass wilde Gerüchte über den Todesfall aufkamen, doch der Alte war von schlichtem, ehrlichem Gemüt, er antwortete gutwillig und würde hinter seiner ganzen Fragerei nicht mehr vermuten als die übertriebene Gründlichkeit eines jungen Mannes.

      Am Dovenfleet angelangt, trennte er sich von dem Alten, der ihm ein durchaus angenehmer Begleiter gewesen war. Wiewohl Ulrich selbst zur Zeit nur den nötigsten Lohn empfing, fand er doch zum Abschied zwei Münzen in seinem Geldbeutel, die er dem hilfsbereiten Soldaten unter warmen Dankesworten in die Hand drückte. Womöglich war die Entlohnung sogar ausreichend für einen Besuch beim Schuster. Gern hätte er van Horn gegenüber lobende Worte für den Mann gefunden, aber er bezweifelte, dass er dem Hauptmann noch ein weiteres Mal begegnen werde.

      Dort, wo er hineilte, fiel ein einzelnes Licht aus einem der Fenster bis auf die Straße und lenkte seine letzten Schritte: Elsbeth hatte eine Kerze vor die Scheiben gestellt, um wenigstens auf diese Weise zu seiner sicheren Rückkehr beizutragen.

      Als er zu dieser späten Stunde endlich wieder das Haus betrat, umarmte er die beiden Frauen und ließ die vom Kummer gespeisten Vorwürfe in der Rede seiner Tante über sich ergehen, blieb selbst aber wortkarg. Auf ihre Weise half Elsbeth ihm dabei, denn nachdem er in der Küche zum verspäteten Abendessen Platz genommen hatte, verscheuchte sie abwechselnd Tochter und Schwiegersohn, die sich, von Neugier geplagt, dazu gesellen wollten, damit Ulrich ihnen von dem Erlebten berichtete. In diesen Dingen war Elsbeth ganz die gestrenge Herrin des Hauses und sie duldete nicht, dass er sein Mahl unterbrechen musste.

      Er aß hastig, doch war es nicht so sehr der Hunger, sondern eine Ungeduld mit sich selbst, die ihn dazu anhielt: Den Kopf noch voller Gedanken, wollte er möglichst rasch mit der Niederschrift beginnen.

      So schmeckte er weniger als sonst, was aufgetischt war. Dass die Tante die Pfanne überreichlich mit dem guten Speck zubereitet hatte, kam ihm erst zu Bewusstsein, als er sich lange vor dem letzten Löffel gesättigt fühlte.

      Es war nicht schwer, Müdigkeit vorzutäuschen, und so vertröstete er alle, die sich eine spannende Schilderung erhofft hatten, auf morgen. Gerdt, der sich eine unterhaltsame Runde mit ihm beim gemeinsamen Würfelspiel versprochen hatte, suchte vergeblich, ihn zu einem weiteren Krug Bier zu überreden. Er wünschte allen eine gute Nacht und zog sich, mit dem Nötigsten versehen, in seine Kammer zurück. Auch wenn er anderntags ausließ, was vertraulich zu behandeln war, so blieb noch genug, was er seinen Lieben mitteilen konnte. Die Nachricht vom Tode Heinrich von Brempts würde sich ohnehin bald herumsprechen.

      Einige Bogen Papier und Schreibfedern hielt er hier oben in seiner Kammer immer bereit, und auch das Tintenfass auf dem kleinen Schreibtisch war ausreichend gefüllt. So saß er also und begann im Kerzenschein endlich mit der Niederschrift, anfangs noch zögerlich, da er immer wieder nachdenklich innehalten musste, doch bald füllte er Zeile um Zeile. Er beschrieb die Beschaffenheit des Leichnams in den notwendigen Einzelheiten und vergaß dabei nicht, die Körperteile und was er aus ihnen heraus gelesen hatte, im Lateinischen sowohl wie auch in deutscher Sprache zu benennen. Denn wenn die Blätter auch für wichtige Herren bestimmt waren, so würden sie doch in der Hauptsache Kaufleute und Rechtsgelehrte zu lesen bekommen, und solche Leute wussten

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