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ersticken zu wollen, sondern sie mit einem feierlichen Versprechen zu beruhigen. Und so nahm ich endlich ihre Hand und schwor ihr an diesem Abend, dass alles, aber auch alles in die Wege geleitet werde, auf dass sie am Ende erfahren möge, wie Heinrich in dieser Nacht gestorben sei. Mag aus dem Versprechen auch nichts anderes erwachsen, als dass man später sagen wird, wir hätten endlos Zeit und Mühen aufgewendet, weil eine vom Schmerz betäubte Frau närrische Dinge sagt. Mag sein, dass ich am Ende selbst einem Narren gleich dastehen werde. Was gilt es mir, da ich doch endlich erleben durfte, wie Maria sich aufrichtete an meinen Worten und wie sie zurückfand zu der stillen Kraft, die ihr zu eigen ist.“

      „Und deshalb“, schloss Lengsdorp und erwiderte dabei so fest und eindringlich den Blick seines Zuhörers, als gelte es, die letzten Sätze durch ein zwischen ihnen geknüpftes Band zu beschwören – „deshalb wollte ich es nicht dabei belassen, dass allein wackere Soldaten, die Männer der Wedde und unser braver Doktor Winckel den toten Freund in Augenschein nehmen.

      Ihr seid jung und habt doch, wie ich von anderen erfuhr, bereits mit so vielen hochgelehrten Köpfen verkehrt, und ich halte dafür, dass, wenn mit Heinrichs Tod ein Geheimnis verknüpft wäre, Ihr auf eure Art so gut befähigt seid, es zu entdecken, wie andere, mögen sie auch klangvolle Titel führen und Euch nach Alter und Erfahrung voraus sein.“

      Ulrich erwiderte nichts. Schweigen breitete sich aus. Inmitten der Stille verstand er, wie alles gekommen war, und warum der Ratschluss des anderen ihn schließlich an diesen Ort geführt hatte.

      Da er eben befand, es sei an der Zeit, sich dem zu widmen, worum man ihn gebeten hatte, war eine polternde Unruhe von außerhalb zu vernehmen. Eine tiefe Stimme, welche von den Gängen her zunehmend laut und herrisch herüber klang, schälte sich aus dem Getrappel schwerer Schritte heraus. Gleich darauf erschien ein Wachsoldat in der halb offenen Tür und meldete die Ankunft eines Herrn, den er als „Gottfried Sriver, Arzt und zweiter Physicus der Stadt“ vorstellte. Als der Genannte eintrat, geschah es unter fortwährendem Schnaufen. Sriver war klein und von stämmiger Statur, in erster Linie jedoch war er über die Maßen dick und beleibt. Unter dem weit vorstehenden, prallen Bauch wirkten seine kurzen Beine fast schon schmächtig, und es erschien seltsam unzureichend, wenn beim Gehen wechselweise nur eines von ihnen die Schwere des ganzen Körpers auszubalancieren hatte. Ulrich schätzte den Mann, den er um Haupteslänge überragte, auf etwa drei Zentner und fragte sich im Stillen, ob er zeitweilig bereits unter Schmerzen in den Knien und anderen Gelenken zu leiden hatte, wie es bei so vielen der Fall war, deren Gewicht durch ständige Völlerei überhandgenommen hatte.

      Unter einer schlecht sitzenden Perücke glänzte die schweißnasse Stirn, das breite Gesicht war von den jüngsten Anstrengungen tief gerötet. Ulrich konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass Srivers Blut ganz sicher zu schwer floss: Es schien beinahe geboten, ihn sofort ausgiebig zur Ader zu lassen, um dem in der Brust heftig pochenden Herzen Erleichterung zu verschaffen.

      Lengsdorp begrüßte den Doktor mit formvollendeter Höflichkeit. Hesenius erntete zwischendurch ein kurzes Schnaufen von Sriver, als er dem anderen vorgestellt wurde.

      Der Kaufmann hatte sich für Srivers Eintreffen zwei Ehrenämter gemerkt, die der Arzt bekleidete, dazu noch eine Stellung, die er vormals innegehabt hatte, und er nahm sich die Zeit alles aufzuzählen, so dass der wonnigen Eitelkeit des Mannes mehr als Genüge getan wurde. Des Doktors Gemüt schien ob der freundlichen Ausführungen jedoch keineswegs aufgeheitert. Ein dumpfes Missvergnügen umwehte ihn und wollte nicht weichen, und man spürte dahinter, dass nicht Pflichtgefühl oder gar Neigung ihn hergeführt hatte. Gottfried Sriver war ganz gegen seinen eigentlichen Willen überredet worden zu kommen, und das Opfer, das er dem Kaufmann damit erbracht hatte, schien ihm keineswegs ausreichend gewürdigt.

      „Eure freundlichen Worte in allen Ehren“, begann Sriver, „doch seid Ihr Euch im klaren darüber, dass wir eine höchst bedeutsame Sitzung im Ausschuss für den weiteren Ausbau des Spinnhauses verlassen haben, allein um eurem Wunsch zu willfahren? Und wir fragen uns weiterhin, weshalb Ihr ärztlichen Beistand erbittet, ganz so, als ginge es um eine Angelegenheit von großer Dringlichkeit, wenn unser Ratsherr, nach dem, was ich vernommen habe, sein Leben doch schon in der Nacht ausgehaucht hat?“

      Es war eine taktlose Eröffnung. Ein Dunsthauch von Wein stieg auf, während Sriver sprach, und Ulrich war es gewiss, dass die Sitzung, von welcher der Doktor vorzeitig aufgebrochen war, eine üppig mit Speis und Trank beladene Tafelrunde einschloss.

      Lengsdorp hätte hierauf zweifellos eine geschickte Antwort zu geben gewusst, dergestalt, dass sie den Unwillen des Mannes besänftigen konnte und zugleich an sein Pflichtgefühl appellierte, doch wollte sich Ulrich nicht länger enthalten, das Wort zu ergreifen. obgleich sein ganzes Wesen von leiser und zurückhaltender Art war, empörte ihn doch, wie Ignoranz und auch Unwissenheit hinter der lauten Art dieses Mannes sichtbar wurden. Sriver mochte auf seine Weise ein gebildeter Mann sein, und er war in der Medizin zu Amt und Würden gelangt, aber bei alledem schienen ihm einige der Grundtugenden seines Berufes abhandengekommen zu sein.

      Srivers ohnehin rötlich gefärbtes Gesicht schien sich noch weiter zu verdunkeln, da er den jungen Mann, den er bislang kaum beachtet hatte, überrascht und verwundert ansah, so, als könne er nicht glauben, dass dieser Widerworte gegen ihn gerichtet hätte.

      „Wie?“, entgegnete er, „Höre ich recht? Will er mich belehren, was zu tun oder zu lassen wäre? Ich kenne euresgleichen zur Genüge. Junge Bürschlein, die über einem jeden Leichnam sogleich ihr Seziermesser erproben möchten und die es, wie einst ihr Patron Vesal, selbst dann schwingen würden, wenn das Leben noch nicht entwichen ist!“

      Ulrich schüttelte den Kopf ob dieser frechen Lüge.

      „Eine böswillige Legende, gestrickt von seinen Widersachern: Vesalius hat eine solche Torheit nie begangen. Auch wisst Ihr so gut wie ich, dass wir nicht ohne Grund und des Weiteren nicht ohne besondere Erlaubnis befugt wären, auf solche Weise auch in den Eingeweiden des Toten zu lesen. Sollte eine äußere Untersuchung des Leibes bestätigen, was wir über den Eintritt des Todes vermuten, so sehe ich durchaus keine Notwendigkeit für eine Sektion!“

      „Vortrefflich!“ Sriver bedachte sein Gegenüber mit einem verächtlichen Blick, um sicherstellen, dass Ulrich die Schmähung, die er in das Lobeswort gelegt hatte, nicht entging. „So wisst Ihr eurem Eifer doch Grenzen zu setzen. Alsdann merkt Euch ebenso: Ein einfacher Fall wie dieser eignet sich nicht zum Disput. Jeder Wundarzt, ja selbst ein Bader hätte hier den nötigen Dienst verrichten können!“

      „Glaubt Ihr denn wirklich, ein einfacher Bader hätte je von den vielen Regeln vernommen, welche Paolo Zacchia den Ärzten für die äußere und innere Leichenschau genannt hat?“

      So etwas wie Verblüffung mischte sich in Srivers erregte Gesichtszüge, und Ulrich kam der Gedanke, dass der Mann selbst wohl nie einen Band der „Quaestiones

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