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vor Kurzem in den Rat berufen, sagte: »Ihre Schlussfolgerungen?«

      War das ein Test? Jeder Zug, den er machte, jedes Wort, das er seit Elges Sturz gesagt hatte, war ein Test gewesen. Das Offensichtliche zu wiederholen, würde seine mangelnde Effizienz unter Beweis stellen. Es würde sicherstellen, dass er niemals eine höhere Autorität innehaben würde als jene, die er zurzeit genoss.

      War Marle geprüft worden?

      Wie konnte er seine herausragende Eignung beweisen?

      Nach einem kurzen Moment löste sich persönliche Ambition im größeren Nutzen auf. Ein Cyber diente den Cyclan, aber niemals sich selbst. Stolz, Gier, Wut, Hass, Liebe – all dies waren Emotionen, die durch Training und Operationen beseitigt worden waren, um einen lebendigen Roboter aus Fleisch und Blut zu hinterlassen. Effizienz, Vernunft, Logik – das war die Basis des Denkens eines jeden Cybers und die Wurzel seiner Existenz. Alles andere war verrückt.

      Avro sagte: »Der Erhalt der Effizienz der Zentralintelligenz ist von höchster Bedeutung. Diese Effizienz zu erhalten, ist unsere erste Sorge.«

      »Das wissen wir.« Eine Zurechtweisung? Icelus’ Stimme klang monoton wie immer, aber seine Worte schienen eine gewisse Warnung zu enthalten. »Besteht Ihre Schlussfolgerung nur daraus, das Offensichtliche zu erklären?«

      »Die Position ist zu rekapitulieren.«

      »Das ist alles bekannt.« Dekel bewegte sich in seinem Stuhl. Ohne das Denkvermögen, das die versammelten Gehirne bereitstellten, waren die Cyclan behindert. Der kybernetische Komplex war das Herz und das Gehirn ihrer Organisation. »Haben Sie mehr anzubieten?«

      »Einen Vorschlag.« Avro schaute von einem zum anderen in Erwartung ihrer Reaktion. Boule und Alder würden sich damit Zeit lassen, beide waren alt, am Rande der Beeinträchtigung ihrer intellektuellen Fähigkeiten. Wären sie weise, würden sie keiner Ratssitzung mehr beiwohnen. Sie würden ihre Position aufgeben und die Belohnung akzeptieren. Glots Reaktion war nicht vorherzusehen. Icelus? Er würde, wie die anderen, den Nutzen des Plans einsehen. Avro sprach weiter. »Da die Funktionsweise der Zentralintelligenz so wichtig ist, schlage ich vor, dass wir alle Ressourcen genau darauf hin ausrichten.«

      »Alle?«, widersprach Boule. »Alle Ressourcen der Cyclan? Und was ist mit dem Masterplan?«

      Dekel sagte: »Zu viel Energie in ein Ziel zu stecken, kann sich als unproduktiv erweisen. Aber der Vorschlag verdient Beachtung. Erklären Sie sich.«

      »Aufgrund des Studiums aller zur Verfügung stehenden Daten bin ich zu dem Schluss gekommen, dass unser Hauptproblem der Mann namens Dumarest ist. Finden wir ihn, ergründen wir das Geheimnis des Affinitätszwillings. Damit können wir die Erkrankung der Einheiten heilen.«

      »Dafür gibt es keinen Beleg«, kam der schnelle Kommentar Therns.

      »Das stimmt, die Wahrscheinlichkeit dafür liegt aber bei 83 Prozent.« Eine Vorhersage, basierend auf negativen Erkenntnissen, dennoch valide. Wenn alles andere gescheitert war, musste das, was noch übrig blieb, von höherem Wert sein. Ein Faktum, dessen sie sich alle bewusst waren, und Avro machte nicht den Fehler weiterer Erläuterungen. Er sagte: »Wir müssen Dumarest finden.«

      »Ein weiterer offensichtlicher Kommentar, der den anderen folgt.« Alders Tonfall war genauso sanft wie der aller anderen, aber er hatte Biss. »Wir haben nach Dumarest gesucht, seit bekannt war, dass er über das Geheimnis verfügt. Wir arbeiten immer noch an seiner Gefangennahme.«

      »Und wir werden scheitern, wie zuvor«, sagte Avro mit Sicherheit. »Versagen und möglicherweise weitere tote Cyber als Beweis unserer Ineffizienz hinterlassen. Wie oft muss man ein Experiment wiederholen, bis man bereit ist, die Resultate zu akzeptieren? Dumarest ist kein normaler Mann. Die Vergangenheit zeigt dies klar.«

      »Ihr Vorschlag?«

      »Er muss von einem Team gejagt werden, das sich allein um seine Gefangennahme kümmert.«

      »Jagen? Das ist versucht worden.«

      »Mit einem Mann, der darin geübt war, Tiere zu erlegen.« Avros Blick wanderte von Alders Gesicht zu den anderen, schaute jedem in die Augen. »Dumarest ist kein Tier, sondern ein schlauer, mutiger, einfallsreicher und gnadenloser Mann, wie es die Aufzeichnungen beweisen. Er ist also, das vermute ich, mit gewissen paranormalen Gaben gesegnet. Man kann es Glück nennen oder das positive Zusammenfallen geeigneter Umstände, aber es arbeitet immer zu seinen Gunsten. Wie sonst wäre zu erklären, dass er uns dermaßen oft entwischt ist? Und das wird sich auch nicht ändern, ehe wir keine andere Herangehensweise wählen.«

      Thern sagte: »Er wird gefangen werden. Pläne wurden vorbereitet. Diesmal kann er unserer Falle nicht entkommen.«

      »Und wenn doch?« Avro ließ die Bombe platzen. »Ich fordere den Rat auf, mir die Aufgabe zu übertragen, Dumarest zu fangen. Volle Autorität über alle Ressourcen ist notwendig. Männer, Maschinen, Geld – ich fordere volle Freiheit.«

      »Und …« Dekel unterbrach sich, ehe er dann fortfuhr: »Sie wurden als möglicher Nachfolger für das Amt des Cyber Prime ausgewählt. Als solcher …«

      »Als solcher wäre ich verpflichtet, in meinem Arbeitszimmer zu wirken. Um Dumarest zu fangen, muss ich hinaus. Daher muss ich auf diese mögliche Beförderung verzichten.«

      »Aber als Cyber Prime könnten Sie über all die Machtinstrumente verfügen, die Sie für nötig halten«, klärte Icelus die Lage. »Sagen Sie uns, dass Sie Marle für besser geeignet halten für diese Position als Sie selbst?«

      »Nein.« Avro weigerte sich anzunehmen, dass jemand fähiger war als er selbst. »Der Unterschied zwischen uns ist vernachlässigbar. Aber ich bin am ehesten geeignet, Dumarest zu fangen.«

      Glot sagte: »Ihre Geste ist respektabel, aber unnötig. Bald schon wird Dumarest gefangen und von uns kontrolliert.«

      »Und wenn nicht?«

      »Dann wird man Ihnen die Macht geben, nach der Sie fragen«, beendete Dekel die Diskussion. »Und Marle wird der neue Cyber Prime.«

      Die Erlösung kam am dreizehnten Tag in Gestalt eines kleinen Punktes, verschwommen sichtbar durch verzerrtes Licht. Als sie näher kamen, wurden Details sichtbar, Ebenen, Hügel, dampfende Vulkane. Ein verkrustetes Ufer an einem bleiernen Ozean. Flecken von Vegetation, durchschnitten von Flüssen und verstreuten Lichtungen. Die Oberfläche war von brütender Stille, wie ein Friedhof.

      Ysanne erwachte, rang nach Luft, griff nach der Hand, die über ihrer Nase und ihrem Mund lag, während sie gleichzeitig nach dem Laser an ihrer Hüfte langte. Finger aus Stahl ergriffen ihr Handgelenk und sie keuchte in plötzlichem, unbewusstem Terror.

      »Langsam«, beruhigte Dumarest. »Langsam.«

      »Earl!« Sie holte Luft, als die Hand von ihrem Mund verschwand. »Was zur Hölle machst du da?«

      »Du hast laut geschrien«, sagte er. »Sehr laut.«

      Sie war in einem Albtraum verloren gewesen und damit Beute von Geistern und Schrecken aus ihrer Vergangenheit. Als sie sich aufrichtete, spürte sie auf ihrem Gesicht getrockneten Schweiß unter dem sanften Streicheln einer kühlen Brise.

      »Ein Traum. Ich habe geträumt.«

      Und hatte Lärm gemacht, den er mit ernsthafter Effizienz gestoppt hatte, ihr die Luftzufuhr verwehrt, um weitere Schreie zu verhindern. Der Trick eines Attentäters – hätte er den Druck aufrechterhalten, wäre sie gestorben.

      »Geht es jetzt besser?«, fragte er.

      »Ja.«

      »Dann leg dich wieder hin und schlafe.«

      Sie war zu wach, um wieder Ruhe zu finden. Stattdessen beobachtete sie Dumarest, wie er sich wieder um das Feuer kümmerte, die Flammen mit Resten von Treibstoff fütterte, sodass sie den Leib des Tieres rösteten, das über der Feuerstelle platziert war. Das tanzende Licht erhellte sein Gesicht, akzentuierte die Falten und Wölbungen, die harte Linie seines Kiefers, die Untiefen seiner Augen. Ein barbarisches Gesicht, und es passte zu Welten, die von jeglicher Zivilisation

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