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sich über die dem Grafen erteilte Zurechtweisung ebenso sehr, wie sie der Äbtissin die darauf erfolgte Antwort desselben gönnte. Selber jedoch verstimmt, dass sie mit ihrem schon so oft erprobten Rate nicht durchgedrungen war und die Äbtissin unter dem Einfluss des übermütigen Grafen von Regenstein wieder einmal einen großen Fehler beging, zog auch sie sich nach einem sparsamen Gruße zurück und ließ die Äbtissin mit ihrem mächtigen Schutzvogt allein.

      Graf Albrecht machte eine tiefe Verbeugung hinter der mürrisch Davonsegelnden her und sagte dann: »Die Gunst unserer holdseligen Pröpstin hab' ich einmal wieder verspielt und muss nun ihre Ungnade tragen.«

      Die Äbtissin antwortete nicht; sie stand am Fenster und schmollte. Des Grafen höhnisches Lachen hatte sie sehr empfindlich berührt, und sie wartete nun auf ein versöhnendes Wort aus seinem Munde. Hatte er denn nicht gemerkt, was in ihrem Schwanken zwischen Annahme und Ablehnung der bischöflichen Einladung den Ausschlag gegeben hatte? Freilich, – seiner großen Erregtheit musste man etwas zugutehalten, und Jutta hatte ihn gereizt. Das tat ihr jetzt leid, und an ihr war es, nun wieder einzulenken. Er musste noch etwas Besonderes auf dem Herzen haben, dass er nicht ging. Sie wollte ihm zu Hilfe kommen.

      Sich zu ihm wendend sprach sie ein wenig schüchtern: »Herr Graf, was glaubt Ihr, dass der Bischof tun wird, wenn wir beide nicht zu seiner Weihe kommen?«

      Der Graf zuckte die Achseln und erwiderte: »Zunächst wird er sich gründlich darüber ärgern, und das gönn' ich ihm.«

      »Wird er meine Bedenken wegen des Papstes gelten lassen?« frug die Äbtissin weiter.

      »Schwerlich,« versetzte der Graf.

      »Aber dann wird er nach einem anderen Grunde suchen, vielleicht wähnen, dass ich nur Euch – dass nach Eurem Streite –«

      »Dass Ihr nur mir zu Liebe wegbliebet?« ergänzte der Graf. »Nun, laßt ihn doch in dem Irrtum, er hat ja keine Gewalt über Euch.«

      Jutta schwieg und machte sinnend einige Schritte auf und ab. Endlich sagte sie: »Was meint Ihr, Herr Graf, wenn ich schon vorher zum Bischof ginge und versuchte, euch zwei miteinander zu befrieden?«

      »Ich sage Euch so freundlichen Willens und Erbietens großen Dank, Domina!« erwiderte der Graf, »aber ich nehme das Opfer nicht an.«

      »Das Opfer, Graf Albrecht, bring' ich Euch gern,« sprach Jutta, »Ihr habt mir schon mehr als eins gebracht.«

      »Dafür bin ich Euer Schutzvogt, Domina!«

      »So laßt mich auch einmal Euer Schutzvogt sein!« bar sie fast schmeichelnd.

      »Nein, nein! Ihr dürft nicht nach Halberstadt, am allerwenigsten meinetwegen,« entschied der Graf. »Der Bischof will keinen Frieden mit mir. Und wenn Ihr darum selber zu ihm kämet und mit der Wärme, die ich an Euch kenne, meine Sache bei ihm führtet, so würde er denken –« Er vollendete nicht und preßte die Lippen zusammen, als sollte das Wort nicht darüber hinaus.

      »Nun? was denn? was würde er denken?«

      »Ich bring' es kaum heraus,» sagte der Graf.

      »Sprecht es nur aus, Graf Albrecht,« lächelte Jutta dicht vor ihm stehend mit leuchtendem Blick, und ihre Brust hob sich in raschem Atemgange.

      »Ihr werdet mich auslachen.«

      »Wartet das ab!« sprach sie leise, mit tiefem Erröten die Augen niederschlagend.

      »Er würde denken, – dass ich mich vor ihm fürchte!« stieß der Graf heraus.

      Die Äbtissin hatte etwas ganz anderes erwartet. Sie trat einen Schritt zurück. »Ja, ja, – ganz recht, – Ihr habt ganz recht, – was sollte er auch anders denken?« sprach sie vor sich hinstarrend. Plötzlich warf sie den Kopf hoch und sagte schnell: »Übrigens könnten wir Euch auch kaum verteidigen, Herr Graf; es kommen zu viele Klagen über Euch.«

      »Die Verteidigung gegen meine Kläger führ' ich am liebsten selber, Domina!« erwiderte der Graf bestimmt.

      »Wenig kümmert uns, was Ihr in Eurer Grafschaft tut, aber im Stiftsgebiet solltet Ihr billig Frieden halten,« sprach sie in verweisendem Tone.

      »Ist Euer Frieden gestört, gnädige Frau?«

      »Ihr umlauert unsre gute Stadt Quedlinburg und fangt ihre Bürger weg. Das ist Friedensbruch, Herr Graf! Aber das nicht allein. Die Mönche von Sankt Wipertihausen [tun] gar übel hier unter unseren Augen. Ihr wüstes Treiben ist ein Ärgernis für Rat und Bürgerschaft,« erwiderte die Äbtissin immer heftiger werdend.

      »Und das soll meine Schuld sein?«

      »Ihr haltet die Hand über sie, habt ihr Kloster befestigt wie einen Burgstall. Was soll das? Habt Ihr nicht genug an der Gunteckenburg hier dicht vor den Toden der Stadt?«

      »Aha!« lachte der Graf, »da hängen die Glocken, die mir so liebliche Vesper läuten! Rat und Bürgerschaft schilt den unbequemen, allzu wachsamen Nachbar. Gnädigste Domina, laßt's Euch nur gefallen, wenn ich Eure gute Stadt Quedlinburg scharf im Auge behalte; es ist nicht für mich, sondern für Euch. Denen da unten schwillt der Kamm gewaltig, seit sie zum Hansabund gehören; jetzt sind sie mir widerhaarig, nächstens bedrohen sie Euch, wenn wir ihnen nicht fest auf dem Dache sitzen.«

      Da blickte sie ihn wieder freundlich an und sagte: »Ist's so gemeint? in der Sorge um mich? Das hab' ich nicht gewusst, das hatt' ich nicht gedacht, Graf Albrecht!«

      »Was soll ich viel Rühmens darum machen!« erwiderte er. »Aber eins wollt ich noch fragen, Domina. Ist's Euch bekannt, wie es auf der Lauenburg aussieht?«

      Die Lauenburg! Also darum war er bei ihr geblieben. Ein rascher Gedanke kreiste hinter Juttas von dunklem Haar umwallter Stirn, und sie sagte bedächtig: »Ich weiß, Leutfried liegt schwer danieder; wir werden bald einen neuen Burgvogt einsetzen müssen.«

      »Es ist ein wichtiger Platz, Domina! Die Lauenburg verlangt einen sicheren Mann,« bemerkte der Graf.

      »Den ich seinerzeit zu finden hoffe,« gab sie lächelnd zur Antwort und fügte einer Erwiderung ihm zuvorkommend, mit beredtem Blick hinzu: »Habt Geduld wie ich; nicht hinter Eurem Rücken geb ich die Burg in andere Hände.«

      »Dessen getröst' ich mich, Domina! Lebt wohl!«

      »Auf Wiedersehen, Herr Graf!«

      Sie reichte ihm die Hand, und Graf Albrecht ging.

      Die Äbtissin stand mitten im Zimmer und blickte ihm nach. »Die Lauenburg!« lächelte sie und drohte mit dem Finger nach der geschlossenen Tür.

      Der Graf ritt den steilen Weg vom Schlossberg vergnügten Sinnes hinab. Er hatte erreicht, weswegen er gekommen war: die Äbtissin fuhr so wenig zur Inthronisation wie er und seine Brüder. Er lachte sich ins Fäustchen, indem er dachte, wie der Bischof sich fuchsen würde, wenn die Ersten und Mächtigsten im Gau bei seiner Weihe fehlten. Mochten dann die lieben Vettern, die Grafen von Blankenburg, die ja den Regensteinern in allen Dingen das Widerspiel hielten, mitsamt den Wernigerödern sich dort breit machen und dem dünkelhaften Bischof Weihrauch streuen, so viel sie wollten. Ob die anderen Harzgrafen aus dem Schwabengau und Helmgau erscheinen würden, war immerhin sehr zweifelhaft; sicher nicht, wenn ihnen Albrecht eine abratende Botschaft sandte. Der Bischof sollte sich umsehen nach allen denen, die fehlten, und dem Grafen war es gerade recht, wenn jener von Willekin von Herrkestorf erfuhr, wie es nur sein, Albrechts Werk war, dass die Äbtissin von Quedlinburg mit ihren vornehmen Kapitularinnen ausblieb. Dann mochte der geistliche Herr nur an Schwanebeck denken und an seinen langen Krummstab, mit dem er dem Grafen von Regenstein zu drohen gewagt hatte.

      Und was die Lauenburg betraf, die mit ihrem Gebiet teils an den Stadtforst der Quedlinburger, teils an die großen Harzforsten der Blankenburger Vettern grenzte, – nun, die Äbtissin hatte ihm ja versprochen, nicht ohne seinen Rat den neuen Burgvogt zu wählen. Das wäre da oben in den waldumrauschten Bergen so ein Horst für seinen herzlieben Siegfried, den jüngsten, blühendsten, blondesten der sechs Regensteiner Brüder. Und Jutta? Welchen Wunsch würde sie ihm nicht erfüllen? Hatte er doch heute wieder recht deutlich gesehen,

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