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wanderte die goldene Uhr vom Nachtkästchen des Komponisten auf das seines Freundes Otto Hein, mit dem er ein schäbiges Untermietzimmer teilte.

      Das Ritual war immer dasselbe: Navratil läutete, Stolz wusste, dass der »Kuckuck« drohte, und die Uhr wurde auf Ottos Nachttisch platziert. Der Gerichtsvollzieher betrat das Zimmer, lächelte wohlwollend und sagte: »Ich seh schon, Herr Stolz, Ihr Nachtkastl is leer, bei Ihnen is nix zu pfänden.« Und ging wieder.

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      »Regen S’ Ihna net auf, heut pfänd ich den Hein«: So kam Robert Stolz um seine goldene Taschenuhr.

      Eines Tages war Navratil wieder da. Die Uhr wanderte, Robert Stolz schaute unschuldig – doch der Gerichtsvollzieher ging diesmal schnurstracks auf Otto Heins Nachtkastl zu. Und nahm die Uhr an sich.

      »Was ist los, um Gottes willen?«, protestierte der fassungslose Robert Stolz.

      »Regen S’ Ihna net auf«, sagte Herr Navratil, »heut pfänd ich den Hein!«

      Sprach’s, steckte die Uhr ein und ging. Stolz war um seinen letzten Wertgegenstand gekommen.

      Bald übrigens nicht nur um diesen. Freund Hein nahm ihm noch etwas ab: Seine damalige (zweite) Ehefrau Franzi Ressel machte sich mit dem Zimmergenossen des Komponisten auf und davon.

      Die verhinderte La Traviata

       Der Streit zwischen Karajan und der Callas

      Nun sei eine Geschichte erzählt, die zwei Musikgenies des 20. Jahrhunderts betrifft: Herbert von Karajan, den bedeutendsten Dirigenten, und Maria Callas, die berühmteste Sängerin ihrer Zeit. Alles hatte so verheißungsvoll begonnen. Mit dem Wunder, dass Maria Callas im Frühjahr 1956 für drei Vorstellungen von Donizettis Schicksalsoper Lucia di Lammermoor an der Staatsoper nach Wien kam. Karajan, der designierte Staatsoperndirektor, hatte das Gastspiel der Mailänder Scala zustande gebracht.

      Die 32-jährige Callas war der Star des Abends. Das Publikum tobte. Der 48-jährige Karajan hätte, so wurde hinter den Kulissen gemunkelt, »die Tigerin« gezähmt. Nie zuvor war die Wahnsinnsarie so gesungen worden wie von der Callas in Wien.

      Die größte Sopranistin ihrer Zeit wusste, wem sie den Erfolg zu verdanken hatte. Und so fiel die griechische Göttin nach der letzten Lucia-Vorstellung am 16. Juni 1956 im nicht enden wollenden Schlussapplaus auf die Knie und küsste Karajan auf offener Bühne beide Hände.

      Das Opernhaus raste, Presse und Publikum waren einer Meinung: Die Primadonna assoluta musste wiederkommen! Da auch die Callas den Erfolg wiederholen wollte, einigte sie sich mit Karajan, im Wiener Festspielsommer 1957 sieben Mal La Traviata zu singen. Abgemacht, mündlich fixiert, als wären solche Auftritte das Einfachste auf der Welt.

      Waren sie aber nicht. Für den 4. Mai 1957 war die Vertragsunterzeichnung angesagt. Das Management der Callas forderte 2500 Dollar pro Aufführung. Ausgeschlossen, empörte sich Karajan, sein Gegenangebot lautete: 1600 Dollar als Maximum.

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       Nicht enden wollender Schlussapplaus nach einer denkwürdigen Aufführung an der Wiener Staatsoper: Herbert von Karajan und Maria Callas

      Die Callas rief dem Direktor wütend zu: »Dann singen Sie die Violetta doch selbst!« Karajan zerriss den Vertrag vor den Augen der »Göttin«, die daraufhin wutschnaubend das Direktionszimmer verließ und sämtliche Türen mit lautem Knall hinter sich in die Angeln warf.

      Von den geplanten sieben Traviata-Vorstellungen mit der griechischen Opernsängerin hat keine einzige stattgefunden.

      So kann’s kommen, wenn sich zwei Genies in die Haare geraten.

      SPURENSUCHE IN DER K. U. K. WELT

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      Die letzte Nacht in der Armesünderzelle

       Die Abschaffung der Todesstrafe

      Die Todesstrafe wurde in Österreich 1787 durch Kaiser Joseph II. abgeschafft, allerdings setzte man danach Sträflinge zu Zwangsarbeiten ein – etwa zum Schiffsziehen entlang der Donau –, die so grausam waren, dass man von einer »verlängerten Todesstrafe« sprach. 1795 wurde die Todesstrafe für Hochverrat und etwas später auch für andere schwere Verbrechen wieder eingeführt, und sie blieb bis zum Ende der Monarchie aufrecht.

      Es gab genaue Richtlinien zur Exekution, die strikt eingehalten werden mussten. So verbrachten alle zum Tod Verurteilten die Nacht vor ihrer Hinrichtung in der »Armesünderzelle« des Landesgerichts, in der am letzten Abend die sogenannte Henkersmahlzeit serviert wurde. Die Häftlinge durften rauchen und Alkohol trinken – nicht genehmigt wurde aber der oft geäußerte letzte Wunsch, in der Zelle eine Prostituierte zu empfangen.

      Am nächsten Morgen wurde der Verurteilte Punkt sieben Uhr von vier Wachebeamten, dem Kerkermeister und einem Priester in den Galgenhof des Landesgerichts geführt, wo ihn der Scharfrichter erwartete. Dies war in Wien von 1900 bis 1918 der ehemalige Kaffeehausbesitzer Josef Lang, der »im Dienst« einen schwarzen Salonanzug, Melone und Glacéhandschuhe trug.

      Nun verlas der ebenfalls anwesende Richter das Urteil, das mit den Worten »Scharfrichter, walten Sie Ihres Amtes« endete. Während der Delinquent von den beiden Gehilfen auf den Galgen gehoben wurde, stand der Scharfrichter auf einer Treppe hinter dem Richtpflock, legte dem Todeskandidaten einen Strick um den Hals, der am oberen Ende des Galgens befestigt wurde, und befahl seinen Helfern, den Verurteilten an den Füßen zu ziehen. Ein jäher, plötzlicher Ruck – und dem Gesetz war Genüge getan.

      Scharfrichter Lang war ein hoch angesehener Mann, an dessen Wohnungstür ein Messingschild mit der Aufschrift »Josef Lang, k. u. k. Scharfrichter« prangte. Er wurde als »gemütlicher und trinkfester Spezi« beschrieben, und da er auch Hauptmann bei der Freiwilligen Feuerwehr war, vermutete sein Biograf Oskar Schalk, dass er »vielleicht ebenso vielen Leuten das Leben gerettet hat, als er es in Ausübung seines Amtes nehmen musste«.

      Nach dem Ende der Monarchie gab es die Todesstrafe auch in der Zeit des austrofaschistischen und des nationalsozialistischen Regimes. Endgültig abgeschafft wurde sie in Österreich 1950.

      Verwandt mit Queen Victoria

       Der erste Skandal im Hause Mensdorff-Pouilly

      Der Name Mensdorff-Pouilly taucht auch in unseren Tagen auf – wenn auch nicht immer zur großen Freude der alten Adelsfamilie. Die Geschichte der Dynastie reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück, und sie beginnt in der französischen Region Lothringen. Als ein Baron Pouilly 1789 vor der Französischen Revolution ins Ausland flüchtete, nahm er, um unerkannt entkommen zu können, den Namen Mensdorff an. So kam es zu dem heute noch verwendeten Doppelnamen der Familie, deren verwandtschaftliche Beziehungen bis ins britische Königshaus reichen. Der prominenteste Angehörige des Hauses war Alexander Mensdorff-Pouilly, der es unter Kaiser Franz Joseph zum Außenminister brachte.

      Er gelangte in diese Position, weil es dem Kaiser vorteilhaft erschien, dass der Graf mit dem britischen Königshaus verwandt war: Alexander Mensdorffs Großvater, der Herzog Franz von Sachsen-Coburg-Saalfeld, war gleichzeitig auch der Großvater der Queen Victoria. Zu dieser hatte Mensdorff mehr als verwandtschaftliche Beziehungen: Victoria wollte den Grafen ursprünglich sogar heiraten, wie der Mensdorff-Chronik zu entnehmen ist. Das wurde aber vom britischen Parlament abgelehnt, da er »nur ein Graf« war.

      Die Mensdorffs waren 1818 in den österreichischen Grafenstand erhoben worden. Als der Kaiser dem Grafen Alexander Mensdorff 1864 die Stelle als Außenminister anbot, wehrte dieser ab:

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