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Belgische Finsternis. Stephan Haas
Читать онлайн.Название Belgische Finsternis
Год выпуска 0
isbn 9783960416487
Автор произведения Stephan Haas
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Stephan Haas, 1984 im belgischen Eupen geboren, hat in Aachen Neuere Deutsche Literatur, Deutsche Philologie und Geschichte studiert. Danach begann er eine Lehrtätigkeit und schloss parallel ein weiteres Studium in Betriebswissenschaften in Lüttich ab. Heute ist er in einem großen Industrieunternehmen im Personalmanagement tätig und lebt mit Frau und Kindern im deutschsprachigen Teil Belgiens.
Dieses Buch ist ein Roman. Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind nicht gewollt und rein zufällig.
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© 2020 Emons Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Umschlagmotiv: Roy Bishop/Arcangel.com
Umschlaggestaltung: Nina Schäfer, nach einem Konzept von Leonardo Magrelli und Nina Schäfer
Umsetzung: Tobias Doetsch
Lektorat: Lothar Strüh
eBook-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
ISBN 978-3-9604-1648-7
Originalausgabe
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Dieser Roman wurde vermittelt durch die
Literaturagentur Kai Gathemann GbR, München.
Für Hanna
Dunkelheit kann man nicht sehen. Sie ist.
Erhard Blanck
Prolog
Hätte Nadja geahnt, wie heiß der letzte Schultag sein würde, ihre Wahl wäre auf den Aufsatz über »Ritter und Burgen« gefallen, den ihre Lehrerin als alternative Strafe angeboten hatte. Stattdessen stand sie mit Antoine auf dem Flur, den sie gemeinsam säubern sollten.
»Jede Ecke muss glänzen«, lautete die Anweisung der alten Königs.
Wie soll das gehen, bei Fliesen aus den Fünfzigern?
Grimmig blickte Nadja den französischen Austauschschüler an, dessen hellblaues T-Shirt bereits schweißgetränkt war.
Hätte er den Zettel einfach an Isa weitergegeben, die Königs hätte nichts gemerkt!
Doch wie so oft hatte Antoine kein Wort verstanden.
Und dafür darfst du jetzt den Dreck aus den Fugen kratzen.
Während die Freundinnen sich zum Schwimmen im Freibad trafen. Verärgert schüttelte sie den Kopf und rieb sich die vom Staub brennenden Augen. Dann blickte sie auf und wies Antoine mit dem Kinn an, in Position zu gehen. Sie begann, den massiven Eichenschrank von der Wand wegzuziehen. Mit einer Sekunde Verzögerung machte es ihr Antoine nach. Nur mühsam und unter Begleitung eines nervtötenden Quietschens bewegte sich der Holzkoloss, dessen Rückwand mit unzähligen Spinnweben benetzt war, über die unverwüstlichen Fliesen.
Inmitten des Staubes kamen etliche Stifte und Radiergummis, eine alte Sporthose von Adidas und ein Buch zum Vorschein.
»Na los, komm schon! Du sammelst auf, ich kehre!«, wies Nadja Antoine an. Der Austauschschüler hob die Sachen mit spitzen Fingern auf und legte sie in einen Karton, in dem sich schon allerhand Relikte der vergangenen fünfzig Jahre Schulgeschichte befanden. Gleichzeitig begann Nadja mit der Rechten zu kehren, während sie sich den linken Arm vor den Mund hielt.
Als Antoine gut die Hälfte der Sachen aufgehoben hatte, unterbrach er plötzlich. Gereizt schaute Nadja ihn an und hörte, was er mit zitternder Stimme sagte.
»Rie-chen.«
Sie verdrehte die Augen und schnaubte ungeduldig.
Riechen? Was will er denn jetzt riechen?
Sie hatte weder Zeit noch Lust für alberne Spielchen. Sowieso vermied sie es, mit ihm zu reden. Eigentlich wollte sie nur die Arbeit so schnell wie möglich hinter sich bringen und zu den Mädels ins Freibad. Trotzdem interessierte sie, was er meinte.
»Was redest du da?«
»Hier!«, sagte Antoine und zeigte mit der staubigen Hand auf die erste Seite des Buches, das er vor wenigen Sekunden aufgehoben hatte. »Der Junge von die Plakate.«
»Lass mal sehen«, raunte sie und riss ihm das Buch aus der Hand. Bereits im nächsten Moment stockte ihr der Atem. Denn jetzt verstand sie: Antoine wollte nichts riechen. Er hatte nur den Namen auf dem Buchdeckel vorlesen wollen – in seinem französischen Akzent.
Und zwar den Namen, der in ganz Raaffburg Gänsehaut erzeugte.
»Felix Riegen«, las sie vor, um sich selbst zu vergewissern, dass sie keiner Täuschung unterlag.
Das kann doch nicht …
Sie bekam keine Luft. Begann zu husten. Gegen die Wand gelehnt, versuchte sie einzuatmen. Doch der Sauerstoff stoppte vor der Luftröhre, als läge dort ein verstopfter Filter. Zuerst gab sie dem Staub die Schuld, der auf dem gesamten Flur der zweiten Etage aufgewühlt worden war.
Doch sie wusste, dass es etwas anderes war.
Panisch schnellte sie um die Ecke und suchte nach der Colaflasche, die sie mitgebracht hatte. Mit zitternder Hand drehte sie den Deckel los, der auf die Fliesen fiel und davonrollte. Hastig kippte sie die schwarze Brause in den Mund. Jeder Schluck schmerzte in ihrer Brust.
Dann wischte sie sich mit dem Arm den Mund ab und ging zurück an die Stelle, wo das Buch lag. Sie nahm es in die Hand und schlug die erste Seite auf. Ihre Augen sprangen direkt auf den geschwungenen Schriftzug »Felix Riegen«.
»Was machen wir jetzt?«, fragte sie.
Ihre Hände zitterten, während sie die dünnen Seiten des Buches durchblätterte. Erst überflog sie nur ein paar. Was sie las, empfand sie als merkwürdig. Die meisten Einträge waren einfache Kürzel. Leise sprach sie nach.
»LM, CS, RB.«
Was bedeuten diese Buchstaben?
Sie tastete nach Antoine, wollte sich vergewissern, dass er da war, auch wenn sie ihn nicht mochte. Doch als sie sich umdrehte, war niemand zu sehen.
»Antoine?«, fragte sie zögerlich.
Niemand antwortete.
Sie rief noch einmal, diesmal laut: »Antoooine?«
Stille.
»Dieser Idiot hat sich einfach verpisst!«
Ihre Muskeln verkrampften, und sie hatte wackelige Knie.
Ich will hier raus!
So schwach, als hätte sie ein Virus befallen, lief sie zur Tür Richtung Innenhof und drückte die Klinke hinunter.
Verschlossen.
Da, am anderen Ende des Flurs, war noch eine Tür. Sie lief los. Aber schon nach ein paar Metern stolperte sie, und ihre Shorts rissen an einer Seite auf. Doch sie rappelte sich wieder hoch. Die Angst trieb sie an.
Du hast den Schülerkalender von Felix Riegen gefunden.
Er war der Junge, der seit fünfzehn Jahren vermisst wurde. Der Junge, dessen Vater heute noch die Kleinstadt mit den Fotos seines Sohnes plakatierte. Der Junge, der verschwand, als in Raaffburg gemordet wurde.
Sie öffnete die Tür und merkte, dass sie es nicht aufhalten konnte. Sie erbrach sich vor der Eingangstreppe. Die Luft draußen war heiß und drückend. Sie wollte ihre Mutter anrufen, doch sie musste ihr Handy oben gelassen