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war Goethes Liebe zu Elisabeth (Lili) Schönemann, der Tochter eines Frankfurter Bankiers, einer ebenso schönen wie klugen 17jährigen Blondine, deren harmlose Koketterie die edelsten Gemüts- und Charakteranlagen nur leise verbarg. Sie, die vielleicht besser als irgend eine andre des Dichters Lebensweg zu schmücken verstanden hätte und seiner würdig gewesen wäre, wurde zwar seine Braut, doch führten einerseits die Ehescheu des jungen Titanen, anderseits die Verschiedenheit der Lebenssphären und Anschauungen beider Familien bald zu einer Lösung der Verlobung (vgl. E. Graf von Dürckheim, Lillis Bild, 2. Aufl., Münch. 1894). So war es denn auch in dieser Hinsicht wünschenswert, dass G. den heimischen Verhältnissen, die ihm zu eng wurden, entfloh: einer Einladung des jungen Herzogs Karl August von Weimar, dessen Bekanntschaft er schon 1774 gemacht hatte, folgend, zog er nach der thüringischen Residenz, wo er 7. Nov. eintraf, ohne zunächst zu glauben, dass er hier dauernd verweilen werde.

      Vom Eintritt in Weimar bis zur Rückkehr aus Italien (1775–88).

      Der Eintritt in neue Verhältnisse großen Stils und in einen Kreis hochgebildeter vornehmer Personen blieb nicht ohne tiefgehenden Einfluss auf den Dichter. Karl August, eine überschäumende Kraftnatur, hochbegabt, soldatisch derb, rastlos, aber nicht immer zweckbewußt tätig, begegnete dem jungen Dichter mit Bewunderung und größtem Vertrauen. Beide wurden bald nahe befreundet und überboten sich zum Schrecken aller Philister in oft fast bedenklich tollem Treiben. Den Mittelpunkt des Musenhofes bildete noch die Herzogin-Mutter Anna Amalia, der die Huldigungen der Dichter und Komponisten (außer G.: Wieland, Knebel, Bertuch, Herder, Einsiedel, Seckendorf u.a.) in erster Linie galten. Dagegen hielt sich die edle, sittenstrenge Herzogin Luise, von dem haltlosen Treiben peinlich berührt, mit Entschiedenheit zurück (vgl. E. v. Bojanowski, Luise, Großherzogin von Sachsen-Weimar, Stuttg. 1903). Auch von den Staatsbeamten verfolgten manche mit Kopfschütteln die Beweise unbedingter Gunst, die der Fürst des Landes dem jungen Dichter schenkte, vor allem Graf Görtz und der Minister v. Fritsch, der mit seinem Abschied drohte, als Karl August G. ein Amt im Verwaltungsdienst übertragen wollte (vgl. K. von Beaulieu-Marconnay, Karl August und der Minister v. Fritsch, Weim. 1874; Düntzer, G. und Karl August, 2. Aufl., Leipz. 1888). Aber der Herzog ließ sich nicht abhalten, G. 11. Juli mit dem Titel eines Geheimen Legationsrates im geheimen Konseil anzustellen; er übertrug ihm die Geschäfte der Wegebaukommission, der Bergwerks- und Forstverwaltung, der Kriegskommission u.a., Geschäfte, die des Dichters nicht immer würdig sein mochten, ihm aber doch die Weltkenntnis mehrten. 1782 wurde G. auf Anlass Karl Augusts durch den Kaiser geadelt, und im selben Jahr übernahm er das Kammerpräsidium. Er selbst, der acht Jahre älter war als der Herzog, fühlte sich bald durch die zerstreuenden Vergnügungen unbefriedigt und suchte auch seinen ungestümen Herrn zu ernsterer Lebensauffassung zu bewegen.

      Zu der tiefen Wandlung, die G. schon in den ersten Jahren erfuhr, trug wesentlich bei seine Liebe zu Frau von Stein, geborenen v. Schardt. Sie, die Gattin des Oberstallmeisters v. Stein, Mutter von sieben Kindern, sieben Jahre älter als G., flößte ihm ein Gefühl ein, das sich von seinen früheren Liebesregungen wesentlich unterschied. Die kränkelnde, nicht eben schöne Frau vereinte mit den edlen Formen der echten Aristokratin ein unendlich tiefes Gemüt, ungewöhnlich reiche Bildung und scharfen Verstand. Ihr Wesen spiegelt sich in den Gestalten von Iphigenie und der Prinzessin im »Tasso«, vor allem in der letzteren, ab. Auch ihr begegnete der Dichter mit leidenschaftlichem Ungestüm, aber sie verstand es, sein heißes Drängen in Schranken zu halten, sein Gemüt zu klären und zu beruhigen, und ihrem Einfluss ist der weihevolle Geist der Dichtungen dieser Zeit in erster Linie zu danken.

      Goethes Bemühungen gelang es, Herder dauernd nach Weimar zu ziehen, wo er die Stellung eines Generalsuperintendenten und ersten Predigers an der Stadtkirche übernahm. Andre Freunde unsers Dichters, Lenz und Klinger, machten sich in Weimar, wo sie zu Besuch erschienen, bald unmöglich; der Graf Fritz Stolberg wurde dagegen durch Klopstock, dem übertriebene Gerüchte von dem wilden Treiben der Weimaraner zu Ohren gekommen waren, bewogen, die angebotene Stellung eines Kammerherrn abzulehnen. – Außer einigen tiefgefühlten Gedichten schrieb G. in dieser Periode nur kleine Dramen, die zumeist für die Ausführung auf dem von ihm selbst geleiteten Liebhabertheater bestimmt waren: die entzückenden »Geschwister« (1776), »Lila« (1777), mit Anspielung auf das Verhältnis des Herzogs und der Herzogin, den »Triumph der Empfindsamkeit« (1778), mit starker Satire gegen die herrschende Gefühlsseligkeit, »Jeri und Bätely«, »Die Fischerin«, »Scherz, List und Rache«, vor allem aber »Iphigenie auf Tauris« (1779), welches Stück, damals in Prosa abgefasst, bei der Ausführung sogleich tiefen Eindruck machte. Daneben gelangen dem Dichter die Anfänge des »Wilhelm Meister« und des »Torquato Tasso«, während »Elpenor« und »Die Geheimnisse« leider immer Fragment blieben. Schon seit der zweiten Schweizerreise, die G. in Gemeinschaft mit dem Herzog in den Monaten September 1779 bis Januar 1780 unternahm, war eine Wandlung seines Innern unverkennbar geworden. Der Dreißigjährige befestigte sich mehr und mehr in idealer Lebensauffassung und in dem Vorsatz zu rastloser Tätigkeit. Als dann 1781 das Noviziat seines Verhältnisses zu Frau v. Stein mit einer endgültigen Festsetzung der einzuhaltenden Grenzen abgeschlossen war, steigerte sich sein leidenschaftlicher Bildungseifer, sein tiefes Verlangen nach Veredlung seines gesamten Seins. Indessen fühlte er mehr und mehr die Hindernisse, die ihm die weimarischen Verhältnisse hierbei entgegenstellten; es war eine gewisse Ernüchterung eingetreten, die anfangs empfundene Anregung der Geschäfte war verflogen, das Verhältnis zum Herzog des öfteren getrübt, vor allem aber empfand es der Dichter als schweren Druck, dass ihm die Vollendung seiner poetischen Arbeiten erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht wurde. Alles dies bewog ihn, sich für längere Zeit von den Fesseln des Amtes zu befreien: mit Zustimmung des Herzogs, aber ohne Wissen andrer Personen trat er 3. Sept. 1786 von Karlsbad aus die lang erwünschte Reise nach Italien an.

      Während dieser in Italien verbrachten Zeit vollendete sich die innere Wandlung des Dichters (vgl. »Tagebücher und Briefe Goethes aus Italien an Frau v. Stein und Herder« in den »Schriften der Goethe-Gesellschaft«, Bd. 2, Weim. 1886; R. Haarhaus, Auf Goethes Spuren in Italien, Leipz. 1896 bis 1897, 3 Bde.). Es war eine ernst aufgefasste Bildungsreise, während deren die Kunstbetrachtungen im Vordergrund standen, eine Reise, die des Dichters ästhetische Weltanschauung zur Reise brachte. Über München und den Brenner fuhr er nach Verona und Venedig, der durch Palladios Meisterwerke geschmückten Stadt, in der er über 14 Tage verweilte; nach kurzem Aufenthalt in Ferrara und Bologna eilte er nach Rom, wo er 29. Okt. 1786 durch die Porta del popolo einzog. Im Verkehr mit deutschen Künstlern, Bury, Schütz, Dannecker, Lips, Trippel, Reiffenstein, Heinrich Meyer, mit Angelika Kauffmann und dem Dichter Karl Philipp Moritz, unter historischen wie kunsthistorischen Studien, die Schätze des Vatikans emsig würdigend und vor allem Michelangelos Größe tief erfassend, verbrachte er hier bedeutungsvolle Monate. Am 22. Febr. 1787 reiste er nach Neapel weiter, wo statt der Kunst nunmehr das bunte, südlich-bewegte Volkstreiben mit Bewunderung verfolgt wurde. Mit dem Maler Heinrich Kniep, der ihm außer Philipp Hackert hier in Neapel Anregungen bot, fuhr G. 29. März nach Sizilien weiter, dessen Naturwunder, Kunstschätze und Altertümer ihm Eindrücke gaben, die er als »unzerstörlichen Schatz seines Lebens« betrachtete. Auf der Rückkehr verbrachte er die zweite Hälfte des Mai wieder in Neapel, dann die Zeit vom Juni 1787 bis zum April 1788 abermals in Rom, wo Angelika Kauffmann ein Ölbild, Trippel die berühmte Apollobüste des Dichters schuf. Hier in Rom, wo er seine Kräfte wiederum den mit tiefstem Ernst betriebenen Bildungsinteressen widmete, gewann er in Maddalena Riggi, der »schönen Mailänderin«, eine bewundernd zu ihm ausschauende Freundin, in der jugendlichen Faostina Antonini die Geliebte, die neben Christiane Vulpius in den »Römischen Elegien« verewigt wurde (vgl. Carletta, G. a Roma, Rom 1899). Der Gewinn der Reise bestand in einer Vertiefung seiner Kunstanschauungen und in allseitiger Bereicherung seines inneren Lebens; er hatte die Umarbeitung der »Iphigenie«, des »Egmont« und mehrerer Singspiele der früheren Zeit vollendet, die des »Tasso« wesentlich gefördert, die Arbeit am »Faust« fortgeführt und daneben neue bedeutende Pläne, wie den der »Nausikaa«, entworfen.

      Von der Rückkehr aus Italien bis zu Schillers Tod (1788–1805).

      Nach diesen reichen Jahren der italienischen Reise folgte eine schmerzliche Reaktion. Namentlich Frau v. Stein hatte dem Dichter die heimliche Flucht verübelt; nur spärliche

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