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verwirren ließ. »Wir werden sehen, ob Ihnen das gelingt«, bemerkte sie kühl. »Und ihr beide, Sofia und Fritz, habt einiges gutzumachen. Ich hatte mich auf ein Wochenende mit euch gefreut, und nun muss ich mich mit jemandem an einen Tisch setzen, der mir auf den ersten Blick unsympathisch war.«

      »Aber Clara!«, rief die Baronin peinlich berührt, doch Clara beeindruckte das nicht.

      »Das habt ihr gewusst, Sofia. Also beschwert euch jetzt nicht darüber, dass ich unhöflich bin. Oder sagt mir, wenn euch meine sofortige Abreise doch lieber wäre.«

      »Das kommt nicht in Frage«, rief Leonid. »Wenn jemand abreist, dann bin ich das. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie mir den Erwerb des Bildes so übelgenommen haben, Frau von Bethmann.«

      Sie glaubte ihm kein Wort. Um ihm jedoch keine weitere Gelegenheit zu geben, sich als perfekten Gentleman darzustellen, beschloss sie, die Debatte zu beenden: »Wir werden beide hier bleiben, und Sofia und Fritz die Suppe auslöffeln lassen, die sie sich eingebrockt haben«, sagte sie mit kühlem Lächeln.

      Der Baron lachte. »Gut, dazu sind wir bereit, nicht, Sofia? Ich schlage vor, dass wir jetzt endlich hineingehen.«

      Niemand widersprach ihm. Die Baronin freilich war ein wenig blass um die Nase, als sie gleich darauf das Schloss betraten. Das Wochenende ließ sich schwieriger an als erwartet.

      *

      Johannes verbarg sich noch eine ganze Weile hinter einer Litfaßsäule, nachdem die Frau mit dem Pagenkopf wieder in dem eleganten Altbau verschwunden war, in dem sie offenbar wohnte. Clara von Bethmann war längst abgefahren, er hatte keinen Sinn darin gesehen, ihr noch länger zu folgen, denn nicht sie war es ja, für die er sich interessierte, sondern diese Frau hier.

      Sein Herz klopfte wie wild. Auf der Auktion war ihm keine vernünftige Erklärung dafür eingefallen, warum Clara von Bethmann das Bildnis einer Unbekannten hatte ersteigern wollen – ebenso rätselhaft war ihm Leonids Interesse daran geblieben, doch mittlerweile sah die Sache natürlich ganz anders aus. Er war von einer verrückten Idee ausgegangen, jetzt schien es einen ganz realen Hintergrund zu geben, auch wenn er ihn noch nicht durchschaute. Eins freilich war ihm klar geworden: Wenn Clara von Bethmann einen guten Grund für ihr Interesse gehabt hatte, dann war es bei Leonid mit Sicherheit ebenso. Dann kannte auch er diese Frau. Und wenn das so war, dann musste er, Johannes, zu allererst herausfinden, wer sie war.

      Seine Überlegungen sprangen hin und her, er stellte Theorien auf, verwarf sie wieder, stellte eine neue auf, verwarf auch sie. Und endlich wagte er sich hinter seiner Säule hervor und lief auf das Haus zu, um die Namen auf den Klingelschildern zu studieren. Doch sehr weit kam er nicht, denn nirgends stand ein ausgeschriebener Name, überall las er nur Initialen, wie es bei Leuten üblich war, die nicht von jedem sofort ausfindig gemacht werden wollten. Hatte die Frau etwas zu verbergen?

      Noch während er sich fragte, welche der Initialen wohl ihre waren, wurde die Tür ganz plötzlich geöffnet, und die Frau, um die die ganze Zeit über seine Gedanken gekreist waren, stand vor ihm. »Ich beobachte Sie schon eine ganze Weile«, sagte sie mit erzwungener Ruhe. »Wer sind Sie und was wollen Sie hier?« Ihre Augen bohrten sich in seine, er erkannte, dass sie ernsthaft erzürnt war. »Antworten Sie – oder ich rufe die Polizei. Sie sind meiner Freundin und mir in die Stadt gefolgt, und jetzt lungern Sie immer noch hier vor dem Haus herum. Wollen Sie mich ausspionieren?«

      »Nein!«, beteuerte Johannes. Sie hatte ihn überrumpelt, er war nicht einmal auf die Idee gekommen, dass sie ihn bemerkt haben könnte. Und er hatte auch nicht mit einem so durchdringenden Blick aus bemerkenswert klugen Augen gerechnet. Ihr Gesicht war nicht mehr jung, aber noch immer bemerkenswert schön. »Entschuldigen Sie bitte, gnädige Frau«, fuhr er fort, nachdem er sich gesammelt hatte. »Es ist nur so, ich war gerade auf einer Auktion. Dort kam ein Bild unter den Hammer – das Porträt einer Unbekannten. Sie sind dieser Frau wie aus dem Gesicht geschnitten. Jünger zwar – und mit anderer Frisur, aber als ich Sie sah, wusste ich sofort, dass Sie es sein müssen. Reiner Zufall …« Er wollte Clara von Bethmanns Interesse an dem Bild nicht erwähnen, und seinen Freund Leonid wollte er erst recht nicht ins Spiel bringen. Ihm schien, als wäre es besser, zunächst einmal möglichst wenig preiszugeben. Später vielleicht …

      »Und Sie erwarten allen Ernstes, dass ich Ihnen diese Geschichte glaube?«, fragte sie. »Wie sah das Bild aus?«

      Er beschrieb es ihr in allen Einzelheiten, und ihm entging nicht, dass sich ihr Gesicht veränderte, während er sprach. Sie kennt das Bild, dachte er. Sie kennt es!

      »Frau von Bethmann war auch auf dieser Auktion«, sagte sie endlich langsam. »Sie hat dieses Bild also auch gesehen?«

      Ihr Blick war noch immer miss­trauisch.

      Er entschloss sich, seine Vorsicht über Bord zu werfen und ihre Frage ehrlich zu beantworten. Mit einem Mal wünschte er sich nichts mehr, als dass sie Vertrauen zu ihm fasste und ihm einen Einblick in ihr Leben gestattete. Wie gern hätte er sich mit ihr in ein Café gesetzt, mit ihr geredet, sie ausgefragt, von sich erzählt. Sie war so … er fand sie überwältigend. »Ja«, sagte er endlich. »Sie wollte es sogar unbedingt ersteigern, aber sie hat es nicht bekommen, jemand anders hat es ihr weggeschnappt, für einen absurd hohen Preis.«

      »Wer?«, fragte sie. Ihre Stimme klang verändert, ihr Gesicht war jetzt sehr blass.

      »Leonid von Zydar«, antwortete Johannes. »Wir haben uns angefreundet. Er stammt aus St. Petersburg, hat aber vor einiger Zeit seinen Wohnsitz nach hier verlegt. Ich habe ihn sehr gern.«

      »Weiß jemand, dass Sie mir heute gefolgt sind?«

      »Aber nein, ich habe Ihnen doch gesagt: Es war reiner Zufall!«, beteuerte Johannes. »Hätte ich nicht Frau von Bethmann in ihrem Geschäft gesehen …«

      »Dieses verflixte Bild!«, murmelte sie, dann nahm sie seinen Arm und bevor er sich darüber wundern konnte, hatte sie ihn bereits ins Haus gezogen. »Erzählen Sie bitte niemandem von dieser Begegnung«, raunte sie ihm zu. »Wollen Sie mir das versprechen?«

      Er zögerte. »Ich kenne Sie doch überhaupt nicht«, erklärte er dann. »Warum sollte ich Ihnen überhaupt etwas versprechen? Außerdem wüsste ich gern, was hinter dieser Geschichte mit dem Bild steckt, um das sich zwei Menschen einen so erbitterten Kampf geliefert haben.«

      Sie nickte langsam. »Das verstehe ich«, sagte sie. »Aber ich brauche noch Zeit, ich habe nicht damit gerechnet, dass mich jemand findet, nach so langer Zeit …« Erschrocken verstummte sie, als sie erkannte, dass sie im Begriff war, zu viel zu verraten. »Geben Sie mir noch ein paar Tage«, bat sie, »und kommen Sie nächste Woche wieder – aber erst abends, ich bin sonst nicht allein. Am Dienstag?«

      Johannes zögerte noch immer. »Wer sagt mir, dass ich Ihnen trauen kann? Vielleicht verschwinden Sie auf Nimmerwiedersehen, und ich erfahre Ihre Geschichte nie. Oder Sie sind eine gesuchte Verbrecherin, der ich dabei behilflich bin, sich vor der Polizei zu verstecken.«

      Sie sah ihn an mit einem Blick, den er sein Leben lang nicht vergessen würde. »Ich bin keine Verbrecherin, aber ich verstecke mich tatsächlich. Und ich verspreche Ihnen hiermit in die Hand, dass ich Ihnen am Dienstag meine Geschichte erzählen werde.« Sie streckte ihre rechte Hand aus.

      Johannes ergriff sie. Er hätte nicht sagen können, wieso er sicher war, dass sie ihn nicht anlog, aber er war es. »Ich glaube Ihnen«, sagte er ruhig. »Aber Sie müssen mir noch verraten, wo ich klingeln muss. Ich kenne ja noch nicht einmal Ihren Namen.«

      »Irina Mahler«, antwortete sie. »I. M. – das bin ich.«

      »Dann bis Dienstag, Frau Mahler.«

      Sie nickte und öffnete die Tür wieder. Er war schon einige Schritte gegangen, als sie ihn fragte: »Was machen Sie beruflich,

      Herr …?«

      »Ich bin der Thalbach«, antwortete er. »Mir gehört die Thalbach-Bank.«

      Sie nickte nur, lächelte ihm noch einmal zu und schloss dann eilig die Tür.

      Johannes hatte das Gefühl, dass ihm etwas die Kehle zusammenschnürte. Ich

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