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…«, begann Lili erneut, doch Sandra unterbrach ihre ältere Schwester. Sie hatte vor Aufregung rote Wangen bekommen. »Wir dürfen zu Ihnen kommen? In die schöne Wohnung?«, fragte sie.

      »Ja, das dürft ihr, aber ich verlange von euch, dass ihr fleißig arbeitet – so wie eure große Schwester. Sie ist der fleißigste Mensch, den ich kenne.« Irina wandte sich an Lili. »Sie sind nachmittags hier, Lili, und von jetzt an haben Sie hier wenigstens ein paar Stunden Ruhe. Sie können also auch einmal etwas anderes tun, als zu arbeiten – und ich hoffe, diese Gelegenheit nehmen Sie wahr.«

      »Aber warum wollen Sie das für uns tun?«, stammelte Lili.

      Irina lächelte. »Erstens, weil ich Sie gern habe. Und zweitens, weil mir klar geworden ist, dass ich zu jung bin, um gar nichts zu tun. Ich erwarte nicht, dass mein Vorschlag sofort angenommen wird. Sie sollten sich vielleicht auch mit Ihren Eltern besprechen, Lili – es kann ja sein, dass sie Einwände haben. Wenn sie mit mir reden möchten, stehe ich natürlich jederzeit zur Verfügung.«

      »Ich will Ihren Vorschlag annehmen«, sagte Sandra sofort.

      Patrick schlug sich auf ihre Seite. »Ich auch – sonst sehe ich ja Ihre tolle Wohnung nicht.«

      »Und du, Olli?«, fragte Lili den Achtjährigen.

      Oliver ließ sich Zeit mit der Antwort – er war ohnehin, wie Irina bereits bemerkt hatte, der Ruhigste von allen, von den fünfjährigen Zwillingen abgesehen, die dem Gespräch mit offenen Mündern gefolgt waren, aber bisher nichts gesagt hatten.

      »Gestern hat der Marco zu mir gesagt, dass ich zu blöd zum Rechnen bin«, antwortete Oliver endlich. »Ich möchte das gerne lernen, damit er so was nie wieder sagen kann und damit er nie wieder über mich lacht.«

      In die darauf folgende Stille hinein stellte Irina fest: »Ich schätze, das lässt sich machen. Aber wie gesagt, Ihre Eltern, Lili …«

      Die Neunzehnjährige fasste einen schnellen Entschluss. »Sie sind garantiert einverstanden«, sagte sie. »Alles, was die Kinder angeht, überlassen sie sowieso meistens mir, weil sie abends viel zu kaputt sind, um sich noch groß Gedanken darüber zu machen.«

      »Dann wäre das ja geklärt«, meinte Irina. »Fangen wir gleich morgen an?«

      Die drei, an die diese Frage gerichtet war, nickten.

      Als Irina sich verabschieden wollte, brachte Lili sie allein zur Tür – sie scheuchte ihre Geschwister, die sie alle begleiten wollten, zurück in die Küche. »Das können wir nie wieder gutmachen, Frau Mahler«, sagte sie. »Nie wieder.«

      »Das sollen Sie ja auch gar nicht, Lili. Und Sie schicken wir irgendwann auf eine gute Schule, damit Sie das mit dem Kochen von Grund auf lernen. Sie haben mir doch neulich mal gesagt, dass Sie das am liebsten machen.«

      Lilis Gesicht war schon wieder feuerrot. »Ich muss Geld verdienen, Frau Mahler, meine Eltern schaffen das nicht allein, und mein Vater hat sowieso schon gesundheitliche Probleme. Er macht sich ständig Sorgen, weil er sieht, dass das Haus langsam zerfällt, und wir können es nicht machen lassen.«

      »Das Haus gehört Ihnen?«

      »Zum Glück, ja, es war das Haus meiner Großeltern, von denen hat mein Vater es geerbt. Aber Sie haben ja gesehen, in welchem Zustand es ist.«

      »Ja, das habe ich«, erklärte Irina. »Das Dach muss gemacht werden.«

      »Und die Heizung ist alt, der Putz bröckelt, von unten zieht Feuchtigkeit in die Mauern – das ist ein Fass ohne Boden«, murmelte Lili. »Und es tut mir weh, wenn ich sehe, wie sich meine Eltern kaputt machen, damit wir durchkommen. Ich kann nicht aufhören, Geld zu verdienen, Frau Mahler – und die Stelle bei Ihnen ist das Beste, was uns passieren konnte.«

      Noch lange gingen die Bilder des schäbigen Häuschens Irina nicht aus dem Kopf. Sie schämte sich beinahe, als sie ihre großzügige, elegante Wohnung betrat, wo auch für eine siebenköpfige Familie Platz gewesen wäre. Nun, sie würde von jetzt an dafür sorgen, dass es den Ganghofers besser ging.

      *

      »Wollen wir uns am Wochenende sehen?«, fragte Johannes von Thalbach.

      Zu seinem nicht geringen Erstaunen erwiderte Leonid: »Stell dir vor, ich habe andere Pläne. Friedrich von Kant hat mich nach Sternberg eingeladen, und ich habe zugesagt.«

      »Du?« Johannes konnte sein Erstaunen nicht verbergen. »Das glaube ich nicht, Leo. Du meidest doch jede Gesellschaft – und nun fährst du zu Leuten, die du praktisch nicht kennst?«

      »Sie waren mir sympathisch«, erklärte Leonid. »Und du scheinst sie auch zu mögen, da hatten sie bei mir gleich einen Sympathievorsprung. Außerdem ist es vielleicht an der Zeit, mich wieder ein bisschen mehr den Menschen zuzuwenden.«

      »Was hat Clara von Bethmann eigentlich zu dir gesagt, bevor sie gegangen ist? Ich sah, dass sie stehenblieb.«

      Leonid lachte. »Sie hat mich nach allen Regeln der Kunst beschimpft. Unter anderem hat sie mich, wenn ich mich recht erinnere, einen kulturlosen Banausen genannt.«

      »Wieso denn das?«, wunderte sich Johannes.

      »Weil ich ihr das Bild vor der Nase weggeschnappt habe. Sie hat mich verdächtigt, dass es mir gar nicht um das Bild ging, sondern nur darum, über sie zu siegen.«

      »Mit dieser Ansicht steht sie ja nicht allein«, stellte Johannes vorsichtig fest. »Die habe ich später von mehreren Seiten gehört.«

      »Tatsächlich?« Leonid zog die Augenbrauen hoch, er wirkte verstimmt, doch gleich darauf hellte sich sein Gesicht wieder auf. »Und wenn schon«, sagte er. »Was kümmert es mich, was die Leute reden.«

      »Ich nehme an, mir willst du auch nicht erzählen, warum du dieses Bild für einen so horrenden Preis erworben hast?«

      Leonids Blick wurde nachdenklich. »Nein«, antwortete er endlich. »Das will ich nicht, Jo, entschuldige bitte. Es ist etwas sehr … Persönliches.«

      »Das dachte ich mir schon«, erwiderte Johannes und wechselte umgehend das Thema. Es lag ihm fern, seinen jüngeren Freund unter Druck zu setzen. »Da du also nach Sternberg fährst, werde ich mich ganz und gar dem Nichtstun hingeben.«

      Leonid lächelte. »Das glaube ich dir nicht, du wirst zumindest eine Wanderung machen, schätze ich.«

      »Möglich«, gab Johannes zu.

      Sie saßen bei einem Glas Wein in Leonids Wohnung. Das Bild, das der junge Graf ersteigert hatte, war nirgends zu sehen. Er wollte es offenbar nicht aufhängen, stellte Johannes fest. Wenig später verabschiedete er sich. »Viel Spaß auf Sternberg, Leo. Wir sehen uns dann nächste Woche.«

      Als er im Wagen saß, stellte er fest, dass ihm die Sache mit dem Bild nicht aus dem Kopf ging. Normalerweise war er nicht besonders neugierig, aber in diesem besonderen Fall hätte er doch gern gewusst, was für ein Geheimnis sich hinter dieser seltsamen Auktionsgeschichte verbarg.

      Leider würde er es vermutlich nie erfahren.

      *

      »Das gibt Ärger, Tante Sofia«, vermutete der kleine Fürst, als die Baronin beim Abendessen erzählt hatte, wer am Wochenende auf Sternberg erwartet wurde.

      »Möglich«, gab Sofia zu, »aber wir wollten weder Clara noch den Grafen aus St. Petersburg wieder ausladen. Also werden wir sehen, was passiert.«

      »Clara setzt sich gleich wieder ins Auto und fährt nach Hause«, meinte Anna. »Oder sie dreht ihm den Hals um.«

      »Anna!«, mahnte die Baronin.

      »Ist doch wahr, Mama. Hast du nicht gesehen, wie sie ihn angegiftet hat auf der Auktion? Sie hasst ihn.«

      »Du übertreibst«, wies nun auch der Baron seine Tochter zurecht.

      Konrad war dem Gespräch bisher stumm gefolgt. »Ich habe offenbar doch was verpasst«, stellte er jetzt fest. »Da muss ja richtig was los gewesen sein.«

      »So

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