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ALTE WUNDEN (Die Ritter des Vatikan 6). Rick Jones
Читать онлайн.Название ALTE WUNDEN (Die Ritter des Vatikan 6)
Год выпуска 0
isbn 9783958354937
Автор произведения Rick Jones
Жанр Языкознание
Серия Die Ritter des Vatikan
Издательство Bookwire
Doch der große Mann starrte den Fremden weiterhin finster an und zog die Augenbrauen zusammen. Erst nach einer ganzen Weile entspannte sich sein Gesichtsausdruck wieder, doch der Fremde hegte keinen Zweifel daran, dass dies nur vorgetäuscht vor.
Nachdem der Mann wieder zu seinem Tisch zurückgekehrt war und sich zu seinen Brüdern gesellt hatte, konnte der Fremde sie leise miteinander tuscheln und lachen hören. Doch das kümmerte ihn nicht. In dreißig Minuten würden sie ohnehin tot sein.
Er nahm ein paar Schlucke von seiner Billig-Coke oder -Pepsi, die nach keinem von beiden schmeckte, griff dann in seine Manteltasche und zog ein Glasfläschchen hervor, welches schwarz gefärbt worden war, damit man den Inhalt nicht sehen konnte. Er legte es auf die Tischplatte. Als Nächstes förderte er eine kleine und auf beiden Seiten leere Visitenkarte zutage, schrieb etwas darauf, faltete die Karte in der Mitte zusammen, sodass sie ein kleines Zelt bildete, und stellte die gefaltete Karte sorgfältig über das Fläschchen.
Anschließend stand er auf, nickte den Brüdern zur Verabschiedung kurz zu – was ihm eine spöttische Bemerkung von Billy-Joe und das Gelächter seiner Brüder einbrachte – und verließ das Lokal.
An seinem Jeep angekommen, steckte er sich seinen Bluetooth-Kopfhörer ins Ohr und schaltete das Gerät ein. »Ich bin es«, meldete er sich, startete den Motor und legte den Rückwärtsgang ein.
»Wo bist du?«, erkundigte sich der Navigator.
»Ich verlasse soeben Bensenville«, antwortete er.
»Sehr gut. Und das Paket?«
Der Fremde verzog seine Mundwinkel zu einem sardonischen Lächeln. »Habe ich als Trinkgeld dagelassen«, erklärte er. Der Fremde trat jetzt hart auf das Gas, schoss an dem Springbrunnen vorbei, wo er den Raben aufscheuchte, und hielt dann auf die Zufahrtsstraße zu, die ihn von Bensenville fortführen würde. Der perfekte Ort für Ground Zero, ein Ort, an dem es keine Kameras und so gut wie keine Technologie gab. Außerdem vollkommen isoliert, sodass die Kollateralschäden auf ein Minimum begrenzt sein würden.
»Sehr gut«, wiederholte der Navigator. »Die menschliche Natur wird nun für alles Weitere sorgen. Du hast alles erledigt, Ezekiel. Zeit, nach Hause zu kommen.«
Der Mann hinter dem Steuer des Jeeps jagte jetzt über die Anhöhen und Senken der Wüstenlandschaft hinweg und versuchte so viel Abstand wie nur möglich zwischen sich und der kleinen Stadt zu bringen. Er fragte sich, ob die Brüder den Geist bereits aus der Flasche befreit haben würden.
Er lächelte.
Als der Fremde verschwunden war, begab sich der Barkeeper mit einem feuchten Lappen zu dem Tisch, um ihn sauber zu wischen, und bemerkte die gefaltete Karte. Er las die Notiz, die darauf geschrieben stand. Das ist Ihr Trinkgeld. Unter der Karte entdeckte er ein Fläschchen, nahm es zwischen Daumen und Zeigefinger und schüttelte es leicht.
»Was hast du da, Jimmy Ray?«, fragte einer der Brüder neugierig.
Jimmy Ray musterte die kleine Flasche und runzelte ratlos die Stirn. »Wieso sollte jemand so etwas hier zurücklassen?«
»Was isses denn?«, wollte nun auch Billy Ray wissen.
Der Barkeeper schüttelte das Fläschchen. »Das ist seltsam«, meinte er. »Die scheint leer zu sein.«
Billy-Joe schlurfte daraufhin mit seinem Bierglas in der Hand zu dem Barkeeper und griff nach dem Fläschchen. Jimmy Ray aber zog seine Hand weg.
»Mal langsam mit den jungen Pferden, Billy-Joe.« Doch Billy-Joe dachte gar nicht daran. Mit seiner freien Hand schnappte er sich das Reagenzglas und hielt es sich aufgrund seiner schwächer werdenden Sehkraft ganz nah vor das Gesicht, dann schüttelte er das Fläschchen heftig und kam schließlich ebenfalls zu dem Schluss, dass Jimmy Ray recht hatte. Das Fläschchen war leer, also gab er es ihm enttäuscht zurück.
Jimmy Ray kehrte mit dem Fläschchen zum Tresen zurück, warf den Wischlappen beiseite, fummelte an der Plastikkappe herum und kratzte schließlich die Versiegelung ab, bis sich die Kappe löste. Danach schüttete er das Fläschchen über seiner linken Handfläche aus. Aber es kam nichts heraus. Das Röhrchen war tatsächlich leer. »Dachte ich mir schon«, sagte er. »Das Ding ist so leer wie dein Schädel, Billy-Joe.«
»Das ist ja wirklich mal ein Wahnsinns-Trinkgeld, Jimmy Ray.« Die Bemerkung von Billy-Joe löste schallendes Gelächter bei seinen Brüdern aus. »Ein Wahnsinns-Trinkgeld. Hab dir ja gesagt, dass es leer ist.«
Aber Billy Ray lag falsch. So falsch wie noch nie zuvor in seinem Leben.
Denn das Fläschchen, welches Jimmy Ray gerade achtlos in den Müll geworfen hatte, enthielt mehr Dämonen als die Büchse der Pandora.
Bensenville, New Mexico
13:34 Uhr
Als der Pick-up-Truck auf die Zufahrtsstraße nach Bensenville einbog, bemerkten die beiden Brüder Dana und Andrew – von denen Andrew zwölf Jahre älter war – sofort den aschfarbenen Staub, der sich wie feines Talkumpuder über die gesamte Landschaft, den Boden, den Springbrunnen und die Dächer herabgesenkt hatte. Winzige graue, an Ascheflocken erinnernde Partikel fielen wie Schneeflocken träge von einem wolkenlosen Himmel herab und sammelten sich auf der Windschutzscheibe, was Andrew dazu veranlasste, den Scheibenwischer einzuschalten, der die Asche aber nur in zwei Halbkreisen auf der Scheibe verschmierte und ihnen schließlich die Sicht versperrte.
Auf der kleinen Anhöhe angekommen, lenkte der Fahrer den Wagen zu dem Springbrunnen, stieg aus dem Pick-up und stellte fest, dass der Schafbock, den sie am frühen Morgen geschossen hatten und der nun auf der Ladefläche lag, ebenfalls ergraut war und seine bräunliche Färbung komplett verloren hatte. So stark war der seltsame Niederschlag.
Andrew schaute in den Himmel hinauf, sah aber keine einzige Wolke, von der dieser seltsame Ascheregen hätte stammen können. Der Himmel war blau und wolkenlos, soweit das Auge reichte und doch trieben seltsame Flocken durch die Luft.
Dana, ein junger Mann im Teenageralter mit einem Gesicht voller Pickel, die jeden Moment aufzuplatzen drohten, wischte sich seine Finger an seiner Kleidung ab, die bereits ebenfalls grau zu werden begann. »Was geht denn hier vor, Andy?«, fragte er verunsichert.
Andrew, der immer noch in den Himmel starrte, schüttelte verwundert den Kopf. »Ich weiß es nicht«, sagte er schließlich. Während er gedankenverloren dastand, fielen Flocken auf seinen Kopf und verwandelten sein tiefschwarzes Haar in ein aschfarbenes Grau.
Er ließ seinen Blick über die Stadt schweifen und stellte fest, dass wirklich alles mit Asche bedeckt war, einschließlich der gesamten Landschaft. Die beiden ließen ihren Truck am Springbrunnen zurück und begaben sich ins Jimmy Ray’s. Auf ihren Weg dorthin hinterließen sie deutlich sichtbare Fußspuren in der angesammelten Schicht, die so fein wie Mondstaub beschaffen war.
Im Inneren der Bar bot sich ihnen das gleiche Bild – Tische, Stühle und der Tresen waren mit grauer, toter Asche bedeckt.
Auch die Luft war mit dem feinen Staub durchsetzt, der träge umherwirbelte und einen an Nebel erinnernden Schleier bildete.
An einem Tisch zu ihrer Rechten befanden sich drei leblose Körper, die über einem Glas Bier zusammengesunken waren. Ihre Kleidung schien irgendwie zu groß für sie zu sein und hing über ihren Leibern wie riesige Decken. Als sich Andrew dem Tisch näherte, wurde ihm bewusst, dass mit der Haut an ihren Händen irgendetwas nicht stimmte. Sie wirkte irgendwie alt und faltig, so als würden die Knochen darunter fehlen. Unter den Leibern hatten sich Lachen einer dunkelroten Flüssigkeit gebildet, die ihnen offenbar aus allen Körperöffnungen rann. Sie waren regelrecht ausgeblutet und der Gestank war einfach überwältigend, er erinnerte an eine Jauchegrube an einem heißen Sommertag.
»Andy …« Doch Dana sprach nicht weiter, denn er spürte instinktiv, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.
Andrew hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Dann trat er