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Tage«, antwortete er und hob den Blick von Mannys Grab, um ihn über die Wüste schweifen zu lassen. Er erinnerte sich an einen ganz ähnlichen Morgen, vor langer Zeit – als er im Begriff war, erwachsen zu werden und einen Ausflug in die Wüste unternahm, um die Geister zu treffen, die ihn in seinem Leben den Weg weisen würden. Was er genau hier draußen erfahren hatte, würde er nie herausfinden. Doch er wusste mit Sicherheit, dass es noch Jahre gedauert hatte, bis er zu Gott gefunden hatte.

      Das störende Brummen seines Satellitentelefons in seiner Jacke ertönte und er zog das TACSAT heraus und warf einen trägen Blick auf das Display.

      »Das ist wichtig«, flüsterte er und legte seinem Halbbruder eine Hand auf die Schulter. Dann entfernte sich der Texaner ein paar Schritte und klappte das Telefon auf. »Richards.«

      Bereits nach den ersten Worten wusste er Bescheid. Sein Urlaub war vorüber …

       07:13 Uhr Ortszeit

       NCS-Einsatzzentrale

       Langley, Virginia

      »Was soll das heißen, wir wissen es nicht?«, ereiferte sich Bernard Kranemeyer und starrte Ron Carter über den Konferenztisch hinweg an.

      Obwohl bereits Anfang fünfzig strahlte der Direktor des Clandestine Service immer noch die Autorität des Sergeant Major der Delta Force aus, der er einmal gewesen war. Dasselbe galt auch für seine Stimme und sein aufbrausendes Temperament. Es war kein Zufall, dass man ihn unter den Geheimdienstmitarbeitern auch den Dark Lord nannte.

      Carter schüttelte den Kopf. »Die Highway Patrol war fünf Minuten, nachdem die Bombe explodiert war, am Tatort. Sie fanden zwei Tote, die Leiche eines bislang noch nicht identifizierten Kaukasiers in einer Limousine, und die Leiche von Lays Bodyguard, Peter Ramirez, auf dem Fahrersitz des SUV. Vom DCIA fehlte jedoch jede Spur.«

      »Irgendwelche Hinweise, wer der Fahrer des anderen Wagens war?«, fragte Kranemeyer und verzog das Gesicht, als er unter den Tisch griff, um dort ein schmerzendes Bein zu reiben, das es nicht länger gab.

      Eine improvisierte Sprengvorrichtung, kurz IED, hatte eines sonnigen Tages des Jahres 2003 in Falludscha, Irak, seiner Militärkarriere ein jähes Ende beschert. Selbst damals war er bereits nach Spec-Ops-Maßstäben ein alter Mann gewesen, der sich verbissen gegen sein erzwungenes Ausscheiden aus dem aktiven Dienst gewehrt hatte.

      Die Explosion hatte die Männer neben ihm getötet, seinen Sergeant, den genialen Stan Sniadowski, und alles unterhalb Kranemeyers rechtem Knie in eine blutige, zerfetzte Masse verwandelt. Keine rekonstruktive Chirurgie der Welt hätte sein Bein retten können.

      Nun trug er also eine Prothese und litt an Phantomschmerzen. Berufsrisiko. Und er wusste sehr gut, wozu Bomben in der Lage sein konnten.

      »Noch nicht«, antwortete Carter. »Das Bureau hat uns versprochen, alle Informationen mit uns zu teilen.«

      »Das will ich hoffen«, erwiderte Kranemeyer mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen. Oberflächlich betrachtet hatten Kranemeyer und der DCIA nur wenig gemeinsam.

      Lay war der Politiker, er der Soldat. Aber über die Jahre hinweg hatte sich zwischen den beiden Männern eine tiefe Freundschaft entwickelt. Und nun war Lay verschwunden. Oder tot.

       07:21 Uhr

       CIA-Hauptquartier

       Langley, Virginia

      Ein metallischer Piepton erklang, dann öffnete sich die Tür des Konferenzraumes und Harry Nichols erschien.

      »Sie sind spät dran«, lautete Kranemeyers leiser Kommentar. »Wie ist Ihr Status?«

      »Ich habe eine Gulfstream von Monterrey nach New Mexico beordert, um Richards abzuholen«, antwortete Harry mit einem Verweis auf die CIA-Sprachschule in Kalifornien. Er zog es vor, den scharfen Unterton in der Stimme des DCS zu ignorieren. »Thomas ist auf dem Weg. Er sollte in fünfzehn Minuten hier sein.«

      Kranemeyer nahm die Informationen kommentarlos auf und wandte sich wieder Carter zu. »Wo ist Shapiro?«

      »Wir haben einen Hubschrauber zu ihm losgeschickt. Das Weiße Haus hat zwei Apache-Kampfhubschrauber als Eskorte autorisiert.«

      Der DCS nickte. Normalweise überflogen die Apaches die Fahrzeugkolonne des Präsidenten, und ihre Freigabe für den Schutz des Deputy Director of Intelligence Michael Shapiro war ein Zeichen dafür, wie ernst die Regierung den Vorfall nahm. Zurecht, wie er fand.

      »Wo befand sich Shapiro?«

      »Hat sein Haus nicht verlassen.«

      »Typisch Banker«, schnaubte der DCS verächtlich. Shapiro war der Einzige der Deputy Directors ohne geheimdienstliche Vergangenheit, was immer wieder deutlich wurde. Das und seine Arbeitsmoral, die Carter einmal so treffend »9-5, wobei die Neun Verhandlungssache ist, die Fünf aber pünktlich eingehalten wird«, genannt hatte. Doch jetzt hatte er das Sagen, und dagegen ließ sich nichts tun.

      Kranemeyer holte tief Luft und sah Harry in die Augen. »Ich will Ihr Team einsatzbereit haben. Wenn wir die Leute gefunden haben, die dafür verantwortlich sind, schlagen wir zurück. Senden Sie denen eine Nachricht, laut und unmissverständlich. Mit uns hat man sich nicht anzulegen.«

      »Meinem Team fehlen zwei Männer«, antwortete Harry und räusperte sich dabei. »Solange wir keinen Ersatz für Sarami und Zakiri gefunden haben, würde ich das Alpha Team kaum als einsatzbereit bezeichnen.«

      »Wollen Sie damit sagen, dass Sie es nicht schaffen?«, wollte der DCS herausfordernd wissen.

      Harry starrte den DCS regungslos an. »Das war eine objektive Einschätzung unserer Kampfbereitschaft. Wenn Sie Heldentaten erwarten, sollten Sie sich jemand anderes suchen.«

      Es verging ein kurzer Moment, dann breitete sich ein grimmiges Lächeln auf Kranemeyers Gesicht aus. »Ihre Beurteilung ist zur Kenntnis genommen, Nichols. Das Problem ist nur, dass wir derzeit ausgelastet sind. Wie Sie wissen, haben wir Nakamura und das Bravo-Team letzte Woche nach Tadschikistan entsendet. Das macht Sie zu unserem Ersatzschlagmann. Carter wird in der Zwischenzeit die Leitung der Joint Terrorism Task Force übernehmen.«

      Harry und Ron tauschten miteinander einen kurzen Blick aus. Sie hatten über die Jahre hinweg schon viele Male zusammengearbeitet, wenn auch nie unter solchen Umständen. Denn es hatte noch nie zuvor einen Anschlag auf den DCIA gegeben.

      Kranemeyer stemmte beide Hände auf den Tisch und richtete sich auf. »Los geht’s, Gentlemen.«

       07:22 Uhr

      »Schon erste Theorien?«, erkundigte sich Harry, nachdem die beiden Männer den Konferenzraum verlassen hatten und in die Einsatzzentrale zurückgekehrt waren.

      Carter schien aus seinen Gedanken gerissen worden zu sein. »Ja, habe ich.«

      Ein Moment des Schweigens folgte, während sie weiter den Korridor entlangliefen. Harry räusperte sich. »Wie wäre es, wenn Sie mich einweihen, oder wollen Sie den Tag mit einer lustigen Fragerunde beginnen?«

      »Oh. Tut mir leid«, entgegnete Carter geistesabwesend. »Ich habe Michelle angewiesen, Bildmaterial der VDOT zusammenzutragen. Ich will wissen, wer sich in der Nähe befand.«

      Das Straßenverkehrsamt von Virginia, kurz VDOT, verfügte über reichlich Überwachungskameras, ganz besonders in dem weitläufigen Umland südlich des Potomac. Das Netzwerk war aber alles andere als flächendeckend.

      »Suchen wir nach einem Gesicht?«

      »Sergei Korsakov.«

      Harry blieb abrupt stehen und starrte den Analysten an. »Der Ex-Speznas-Auftragskiller? Wieso?«

      »Er ist in den Staaten«, antwortete Ron. Er atmete tief durch und fuhr fort: »Offiziell dürfen Sie davon nichts wissen – von mir haben Sie es also nicht – aber Korsakov wurde vor zwei Tagen von einer Überwachungskamera in Philly gefilmt.

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