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zeigen.«

      Seine Finger tanzten über die Tasten und riefen eine Karte der Tri-State-Region auf. »Die roten Punkte sind FBI und DHS. Aus den Memos, die ich gesehen habe, geht hervor, dass das Department of Homeland Security versucht, die Suche zu übernehmen.«

      Nach ein paar weiteren Tastenanschlägen erschienen weitere gelbe Punkte auf der Rasterkarte. »Polizeikräfte von Virginia.«

      Blaue Punkte. »Die örtlichen Truppen, Hilfssheriffs und so weiter.«

      Korsakov fluchte leise. Sie waren überall. Wäre seine Mission nicht von so entscheidender Bedeutung gewesen, wäre es ehrfurchtgebietend gewesen – die gesamte Macht der amerikanischen Regierung, wegen eines Mannes in Bewegung gesetzt. Aber so …

      »Bleib wachsam, Viktor. Wenn Sie Nichols und Chambers finden, müssen wir bereit sein, sie abzufangen.«

       »Da, Towarischtsch.«

      Der Attentäter hatte sich von ihm abgewandt, als ihm noch etwas einfiel. »Viktor?«

       »Da?«

      »Wie lange noch, bis der zweite Tracker aktiviert wird?«

      Der Junge sah auf seinen Computerbildschirm, dann blickte er auf die Uhr, als müsse er die Zeit vergleichen. Als er Korsakov ansah, schienen seine Augen mit einem Tadel zu rechnen. »Noch sechzehn Stunden.«

       18:29 Uhr

       Außerhalb von New Market

       Virginia

      Es schneite immer noch, als Harry zurück auf den Fahrersitz des SUV kletterte. »Sieht aus, als wäre die Luft rein.«

      In dem kurzen Augenblick, bis das Innenlicht von allein ausging und sie beide in Dunkelheit hüllte, warf er ihr einen Blick zu. Sie sah erschöpft aus und in ihrem Gesicht ließ sich der Kummer dieses Tages ablesen. Die Kahr .45 lag noch immer in ihrem Schoß, fest von ihren beiden Händen umklammert, so wie sie die Waffe bereits hielt, seit er sie allein gelassen hatte.

      Harry nahm die zerknüllte Verpackung einer Feldration von der Mittelkonsole, legte einen Gang ein und fuhr langsam die Straße entlang, vorbei an einem der Maklerschilder, wie man sie seit der Finanzkrise 2008 öfter sah: Zwangsversteigerung.

      Das verlassene Terrassenhaus lag abseits der Hauptstraße, versteckt in einer Senke, wie sein Großvater es genannt hätte. Für ihre Zwecke wie geschaffen.

      Harrys Sperrpistole brauchte nicht einmal eine Minute für das Vorhängeschloss und das Türschloss an der Vordertür. Schlösser hielten nur die Ehrlichen fern, daran hatte sich nichts geändert.

      Mit seiner taktischen Taschenlampe zwischen den Zähnen und seiner 1911 in beiden Händen lief Harry voraus und sicherte Zimmer für Zimmer des verlassenen Hauses.

      Die ehemaligen Besitzer hatten ein Bett und einen mottenzerfressenen Lehnstuhl in einem Schlafzimmer im Erdgeschoss zurückgelassen, einem Raum mit dem Bild eines Einhorns an einer der Wände. Das Kinderzimmer eines kleinen Mädchens.

      Früher mochte es einmal hübsch ausgesehen haben, doch nun ragte das verblassende Gemälde bedrohlich im Schein von Harrys Taschenlampe auf. Ein Relikt aus glücklicheren Tagen.

      Er versetzte dem Lehnstuhl einen misstrauischen Tritt mit seinem Fuß, so als würde er befürchten, dass der Stuhl in sich zusammenfallen könnte.

      Aber das tat er nicht. Sein Licht glitt noch einmal durch den Raum, ein letzter Kontrollblick, bevor er sich zu ihr umdrehte. »Sie können das Bett haben.«

      Er konnte ihr Gesicht nicht sehen, konnte ihr Zögern aber in ihrer Stimme hören. »Danke, schätze ich. Werden Sie in dem Lehnstuhl schlafen können?«

      Harry schlug seine Jacke zurück und ließ die große Colt in das Lederholster gleiten. »Ich werde nicht viel schlafen.«

       20:53 Uhr

       Der Black Rooster Pub

       Washington, D.C.

      Thomas war noch nie zuvor im Black Rooster gewesen, hatte noch nicht einmal von dem Laden gehört, bevor er die Worte von Kranemeyers Bildschirm in die Google-Suche eingegeben hatte.

      Als er an dem Pub eintraf, war ihm auch klar, wieso. Die Bar nahm die Ecke eines Bürogebäudes auf der L Street ein, seine Ziegelfassade das Einzige, was es von den anderen Gebäuden hier unterschied.

      Warme Luft und Siebzigerjahre-Musik wehten ihm entgegen, als er eintrat. Er strich sich ein paar schmelzende Schneeflocken von seinen Jackenärmeln und sah sich um.

      Tex war bereits da, die langen Beine um einen Barhocker vor einer massiven Holztheke gewickelt. Selbst vom anderen Ende der Bar aus konnte Thomas die Augen des großen Mannes sehen, mit denen er die Spiegel hinter der Theke im Blick behielt. Ein beinahe perfektes Setup.

      »Was darf’s sein, Kumpel?«, fragte ihn der Barkeeper mit müden Augen, als Thomas sich auf den Barhocker neben Tex setzte.

      »Kommt ganz drauf an – was hatte denn mein Freund hier?«, fragte er und musterte die klare Flüssigkeit in Tex‘ Glas.

      Das Lächeln wich einem schiefen Grinsen. »Wasser.«

      Natürlich. Thomas schüttelte den Kopf. Was für ein Tag … aber natürlich wusste er, dass Tex nicht trank. Er besuchte dieselbe Kirche wie Harry – natürlich trank er nicht. Wie konnte er das vergessen?

      »Was können Sie denn empfehlen?«

      »Vielleicht einen Dark&Stormy?«, schlug der Barkeeper vor und sah von dem Schnapsglas auf, das er gerade putzte. »Jamaikanischer Rum und Ingwerbier.«

      »Klingt nach einem Plan.«

      »Er ist hier«, raunte ihm Tex zu, nachdem ihnen der Barkeeper den Rücken zukehrte, um sich um die Bestellung zu kümmern. Thomas hob den Kopf und erkannte den Umriss des DCS, der sich wie ein Schatten in der Tür abzeichnete.

      21.00 Uhr, auf die Minute. Pünktlich wie immer.

      Kranemeyer durchquerte die Bar und legte Thomas die Hand auf die Schulter. »Schön, dass ihr es einrichten konntet, Jungs.«

      Und dann lief zu einem leeren Ecktisch im hinteren Ende des Pubs. Thomas streckte die Hand nach seinem Glas aus und kippte es mit einer schnellen, ruckartigen Bewegung nach hinten. Der Rum rann ihm die Kehle hinab und half gegen die Kälte in seinem Inneren.

      Aber das würde nicht genügen. Er leerte sein Glas, stellte es auf die Bar zurück und folgte Kranemeyer.

      Die Party war vorbei.

       21:05 Uhr

       Das zwangsversteigerte Haus

       New Market, Virginia

      Sie schlief nicht. Harry bemerkte es sofort, als er den Raum betrat, schloss die Tür aber genauso behutsam hinter sich, als würde sie tief und fest schlummern.

      Er nahm die AK-47 von der linken in seine rechte Hand und ließ sich leise in den Lehnstuhl sinken. Unter den Waffen im Wagen war seine Wahl nach kurzem Überlegen auf diese gefallen. Die Motorradfahrer hatten Körperpanzerung getragen.

      Er konnte Carols Umrisse in der Dunkelheit kaum ausmachen, wie sie auf dem Bett lag, eingewickelt in den Schlafsack, den sie aus dem Safehouse mitgebracht hatten.

      Sie war wach, lag nur da. Das konnte er an ihrer Atmung hören. Er hatte lebenslange Erfahrung damit, anderen Menschen beim Schlafen zuzuhören. Nicht alle von ihnen waren danach wieder aufgewacht.

      Harry lehnte sich in dem Lehnstuhl zurück und legte sich das Sturmgewehr in den Schoß. In dem Haus war es kalt, bitterkalt, aber dagegen ließ sich nichts tun. Die Wasser- und Stromzufuhr waren gekappt worden. Das doppelstöckige Gebäude war wie so viele andere Mitte der Neunzigerjahre gebaute Häuser ohne eine alternative

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