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haben es also auch gespürt?«

      Sie nickte, während er die Wagentür des SUV für sie öffnete. »Sie verschweigt uns etwas.«

      Harry lief um die Vorderseite des Excursion herum und ließ sich auf den Fahrersitz sinken. Dann sah er zu ihr hinüber. »Dann wird es Sie freuen zu hören, dass ich gelogen habe.«

      Rhoda sah ihnen hinterher, beobachtete, wie der SUV die Auffahrt verließ und nach Süden davonschoss. Erst, als sie außer Sicht waren, trat sie von dem Fenster zurück, lief den Flur hinunter und bliebt vor der Schlafzimmertür stehen.

      Stille. Sie klopfte leise an, dann schob sie die Tür auf, ohne eine Antwort abzuwarten.

      »Ich denke immer noch, dass Sie es ihnen hätten sagen sollen«, erklärte sie missmutig dem großen Mann, der in Bandagen eingewickelt auf ihrem Bett lag.

      David Lay schüttelte schwach den Kopf und zuckte bei den Schmerzen zusammen, die selbst diese kleine Bewegung verursachte. »Dafür gibt es keinen Grund, Rhoda. Das Wissen um meine Anwesenheit hier hätte sie nur zusätzlich in Gefahr gebracht. Bei ihm wird sie sicher sein.«

      Er hielt inne. Ein schmerzverzerrter, aber von Verzweiflung gezeichneter Blick huschte über das Gesicht des verwundeten Mannes. »Das hoffe ich.«

      Kapitel 5

       13:31 Uhr Ortszeit

       Fargo, North Dakota

      Es bedurfte schon eines gewaltigen Schneesturmes, um die Schulen von Fargo zu schließen, aber genau das war eingetreten. Einundsiebzig Zentimeter Schnee bedeckten die Northern Plains.

      Was bedeutete, dass es für sie heute nichts zu unterrichten gab. Es hatte Tage gegeben, da hätte sie eine Pause willkommen geheißen, aber nicht heute. Nicht nach dem Tod ihrer Schwester vor nicht einmal einem Monat.

      Mary – groß gewachsen und hübsch, mit langen kastanienbraunen Locken. Ihre süße kleine Schwester, vier Jahre jünger als sie. Ihre Familie hatte immer wieder Witze darüber gemacht, dass die beiden Mädchen nicht unterschiedlicher hätten sein können – Mary war lebhaft gewesen, stets gutgelaunt und unbekümmert. Sie hingegen reserviert, ernst. Analytisch. Eigenschaften, die sie schließlich Lehrerin für Mathematik an einer der vielen Highschools von Fargo werden ließen.

      Sie war unverheiratet und zog die Männer nie auf dieselbe Weise wie ihre jüngere Schwester an. Nicht, dass sie unattraktiv gewesen wäre, aber ihre Persönlichkeit wirkte auf viele Männer eher einschüchternd. Sie war nicht der Typ, der gern freitagnachts in Singlekneipen abhing.

      Alicia Workman sah auf das Bild ihrer Schwester auf ihrem Computertisch hinunter und spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Marys Hang zur Romantik, ihre Fähigkeit, auf Männer anziehend zu wirken und sich Hals über Kopf zu verlieben, waren ihr zum Verhängnis geworden.

      Man fand Mary tot in ihrem Appartement in D.C., gestorben an einer Überdosis verschreibungspflichtiger Schmerzmittel. Der Abschiedsbrief war wirr und zusammenhanglos gewesen. Nichts darin hatte Sinn ergeben – es sei denn, man kannte alle Teile des Puzzles.

      Ihre Hand glitt von dem Foto zu dem Brief hinab, der darunter lag. Ein Ausdruck der letzten E-Mail ihrer Schwester, fünf Tage vor ihrem Selbstmord. All ihre Hoffnungen und Träume, schwarz auf weiß in 12 Punkt großer Times New Roman.

      Ihre Liebe zu einem Mann.

      Einem verheirateten Mann.

      Alicia warf einen Blick aus ihrem Appartementfenster auf den immer noch wirbelnden Schnee hinaus. Die Einzelteile einer auseinandergenommenen Bersa Firestorm lagen neben Marys Brief, zum Reinigen zerlegt.

      Es war eine kleine Pistole, eine halbautomatische Kleinwaffe, geladen mit 0.380 ACP Munition. Alicia, die auf der Farm ihres Großvaters mit Waffen aufgewachsen war, kannte die Möglichkeiten und Grenzen dieser Pistole zu gut.

      Ihr Blick huschte zu den Zeitungsausschnitten und Ausdrucken, die eine Wand ihres Zimmers dekorierten. Das lächelnde Gesicht eines Mannes, der von so vielen Menschen geliebt wurde.

      Es stellte sich nur eine Frage: Würde das genügen?

       08:35 Uhr Ortszeit

       Bonn, Deutschland

      »Mr. President, eine Stellungnahme, bitte!«

      »Wie lautet Ihr Kommentar zum möglichen Zerfall der EU, Mr. President?«

      »Ein Kommentar?«

      »Mr. President! Wird es eine Überein…«

      Die Wagentür der Limousine schloss sich mit einem befriedigenden Klick und der Lärm von draußen verebbte zu einem dumpfen Dröhnen.

      »Was für ein Morgen.«

      Präsident Roger Hancock blickte seinem Chief of Staff in die Augen. »Das dürfte die Untertreibung des Jahres sein, Ian.«

      Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, welche die Europäische Union seit der Finanzkrise Griechenlands erschütterten, hatten sich nun zugespitzt. Spanien und Portugal waren Griechenland rasch in die Zahlungsunfähigkeit gefolgt, was Schockwellen durch den gesamten Kontinent schickte.

      Nun, nachdem ein Land nach dem anderen den Bach runterging, waren Deutschland und Frankreich – die vielleicht stärksten Wirtschaftsmächte in Europa – zu dem Entschluss gekommen, dass ein Verbleib in der EU nicht mehr länger in ihrem Interesse wäre.

      Und deshalb war er hier. Um sein politisches Kapital dafür zu nutzen, sie umzustimmen.

      Mit dreiundfünfzig war er als Präsident der Vereinigten Staaten noch ein junger Mann, aber vier Jahre im Amt hatten ihren Tribut an seinem jugendhaft guten Aussehen gefordert. Sein braunes Haar war nun stark von silbernen Strähnen durchzogen, etwas, das ihm nach Aussage seiner Berater mehr Würde verlieh.

      Zum Teufel mit der Würde.

      »Gibt es Neuigkeiten aus D.C.?«

      Ian Cahill schüttelte den Kopf. Der Ire war seit zehn Jahren an Hancocks Seite, seit der aus Wisconsin stammende Mann das erste Mal für den US-Senat kandidiert hatte. Zuerst als Wahlmanager, dann als Chief of Staff. Geboren und aufgewachsen in Chicago, hatte sich der zweiundsechzigjährige Cahill seine Reputation als Straßenkämpfer in dem als hinterhältig geltenden Politzirkus Illinois erworben.

      Ein Ruf, der ihm in der Hancock-Administration gute Dienste leistete.

      »Das Bureau hat Virginia total abriegeln lassen, überall schwirren Agenten herum«, antwortete Cahill und sah auf das Display seines Handys hinunter. »Bislang … gibt es noch keine Erkenntnisse. Sowohl was den flüchtigen Agenten als auch den DCIA selbst angeht.«

      Hancock fluchte leise in sich hinein und starrte aus den getönten Fenstern auf die Schilder der Demonstranten hinaus, welche die lange Straße säumten. Dann beschleunigte der Autokorso und ließ die Rufe und Schreie der Demonstranten in der Ferne verhallen.

      Wenn sich doch nur alle Probleme so leicht lösen ließen.

       16:11 Uhr Ortszeit

       NCS-Einsatzzentrale

       Langley, Virginia

      Thomas sah von seinem Monitor auf, als Tex Richards den kleinen, fensterlosen Bürowürfel betrat.

      »Hab deine Nachricht erhalten«, sagte Tex einfach nur. »Konntest du schon Zugang zu den Satellitenübertragungen erhalten?«

      »Negativ«, antwortete Thomas kopfschüttelnd. »Die sind seit heute Morgen alle blockiert und gesichert – ich habe keinen Zugang, zumindest nicht von hier aus. Nein, ich bin über die Hintertür rein und habe angefangen, Versorgungsdienstleister zu checken.«

      Tex durchquerte den Raum, um die sich kontinuierlich erneuernden Graphen und farbigen Zickzacklinien auf

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