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Und das wissen Sie.«

      Da hatte der Mann recht. Der ehemalige Speznas-Söldner fluchte noch einmal leise in sich hinein und blickte vorsichtig die Straße entlang. »Wieso rufen Sie mich an?«

      »Ich denke, das wissen Sie.«

      Und auch das stimmte. Korsakov räusperte sich. »Ich bin nicht sicher, ob Sie die Tragweite des Problems begreifen. Wenn das, was Sie mir erzählen, wahr ist – dann ist unser Freund verschwunden. Und ich werde keine weitere Chance mehr bekommen, an ihn heranzukommen. Nicht, wenn das Bureau nach mir sucht. Meine Männer und ich müssen sofort das Land verlassen.«

      »Sie suchen nicht nach Ihnen, Sergei«, antwortete die Stimme. »Und wenn Sie wollen, dass das so bleibt, sollten Sie mir jetzt sehr genau zuhören …«

      Zorn flackerte in den dunklen Augen des Russen auf. Er wartete einen kurzen Moment lang, spürte, wie der Wind an seinem Mantelsaum zerrte. Dann leckte er sich über die trockenen Lippen und sagte: »Reden Sie weiter.«

       08:50 Uhr

       NCS-Einsatzzentrale

       Langley, Virginia

      »Würde mir irgendjemand mal erklären, was genau hier vor sich geht?«, bellte Kranemeyer, der wie eine Sturmböe in die Einsatzzentrale fegte. Für einen Mann mit nur einem Bein bot er noch immer einen recht eindrucksvollen Auftritt.

      »Wir haben die Meldung vor fünf Minuten an die örtlichen Polizeikräfte herausgegeben«, antwortete Carter, der kurz von seinem Computer aufsah. »Laut den Berichten der Perimetersicherheit hat Nichols vor dreizehn Minuten den äußeren Checkpoint passiert.«

      »Und Carol war bei ihm?«, erkundigte sich Kranemeyer und sein Blick verfinsterte sich dabei.

      »Ja.«

      Der DCS fluchte. »Wovon sollen wir ausgehen – dass er sie entführt hat?«

      »Wir haben drei Wachmänner auf der Krankenstation liegen. Sie wurden mit einem Taser überwältigt und gefesselt. Kameraaufnahmen aus der Tiefgarage zeigen, wie sie mit ihm zusammen in ein Auto stieg, aber wer weiß, vielleicht hat er sie mit gezogener Waffe gezwungen.«

      »Was ist mit ihrem Handy?«, fragte Kranemeyer. »Es muss eine Möglichkeit geben, sie aufzuspüren.«

      »Ihr Handy ging offline, kurz nachdem sie das Gelände verließen«, erwiderte Daniel Lasker, der weiter konzentriert auf seine Bildschirme starrte. »Ich habe einen Hinweis auf ihren letzten bekannten Aufenthaltsort. Fünfhundert Meter außerhalb des Geländes. Unsere einzige Spur ist der Wagen. Nichols fuhr seinen Cutlass.«

      Der DCS quittierte die Information mit einem weiteren Fluch und schüttelte den Kopf. »Das ist nicht gut. Er wird den Wagen bei der erstbesten Gelegenheit loswerden. Das ist Standardvorgehensweise.«

      In diesem Moment begann das Telefon in Kranemeyers Tasche zu klingeln. Laskers Gehirn konnte den Klingelton noch als »Wanted Dead or Alive« von Jon Bon Jovi erkennen, bevor der DCS auf eigentümliche Art rot anlief.

      »Das ist er«, zischte Kranemeyer kaum hörbar und deutete mit seinem langen und dicken Zeigefinger in Carters Richtung. »Hängen Sie sich dran.«

      Es läutete viermal, dann nahm er den Anruf entgegen. »Kranemeyer hier.«

      »Freefall«, meldete sich eine bekannte Stimme, gefolgt von einem lauten Knacken. Dann starrte der DCS auf sein Telefon hinunter. Die Leitung war tot.

      »Haben wir was?«, fragte er mit einem scharfen Blick hinüber zu Carter.

      »Nein«, lautete die Antwort des Analysten. »Dafür dauerte es nicht lange genug. Was bedeutet Freefall

      »Das ist ein Notfall-Codewort der Agency«, erwiderte Kranemeyer, der nun seltsam blass wirkte.

      Danny Lasker tippte etwas in seine Konsole, dann sah er zu seinem Boss auf. »Wieso habe ich noch nie davon gehört?«, fragte er sichtlich verwirrt.

      »Das war vor Ihrer Zeit«, erwiderte Kranemeyer, der sich ein grimmiges Lächeln abrang. »Es stammt aus Tagen des alten Directorate of Operations. Ich war damals noch bei der Delta, auf einer Geheimmission der Agency im Westjordanland. David Lay leitete die Operation als Station Chief von Tel Aviv und Nichols war die Agency-Ausgabe der Bodentruppen vor Ort. Er war damals fast noch ein Kind, sein zweites Jahr im Einsatz.«

      »Was will er uns dann damit sagen?«, warf ein völlig ratloser Ron Carter ein.

      Der DCS schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung.«

       08:57 Uhr

       Der Highway

      »Was sollte das bedeuten?«, erkundigte sich Carol, als Harry ihr das TACSAT zurückgab.

      »Nehmen Sie das Gehäuse an der Rückseite ab und entfernen Sie die SIM-Karte«, wies er sie an und ignorierte die Frage. »Wir müssen die Karte und den Wagen loswerden.«

      »Wie?«

      Er deutete zu einer WAWA-Tankstelle und betätigte den Blinker. »Halten Sie sich bereit.«

      Berufsverkehr. An der Tankstelle herrschte in den frühen Morgenstunden reges Treiben. Harry steuerte den Cutlass in eine der wenigen leeren Parklücken. »Verstecken Sie die Pistole unter Ihrer Jacke«, wies er Carol an. »Und bleiben Sie nah bei mir.«

      Die eisige Morgenluft raubte Harry beinahe den Atem, als er seine Beine aus dem Auto schwang. Er gab Carol mit einer Geste zu verstehen, ihm zu folgen, dann schritt er über den Parkplatz zu den Fahrzeugen, die direkt vor der WAWA parkten.

      Während er sich dem Gebäude näherte, suchte er den Rand der Dachverkleidung nach Sicherheitskameras ab. Auf den ersten Blick schien die Tankstelle keine zu besitzen. Wahrscheinlich gab es nur eine in der Tankstelle, um mögliche Raubüberfälle aufzuzeichnen.

      Das machte die Sache leichter. Drei Wagen neben dem Eingang erspähte er einen älteren Chevy Impala, der im Leerlauf vor sich hintuckerte und Abgase aus dem Auspuff spuckte.

      Ein grimmiges Lächeln huschte über Harrys Gesicht. Er hatte noch nie verstehen können, wieso Leute ihr Auto laufen ließen, während sie in den Laden gingen, um sich einen Kaffee zu holen. »Wir nehmen den hier«, erklärte er und zog die Tür auf.

      »Sie wollen ein Auto stehlen?« Fassungslos starrte Carol ihn an. Der Blick eines Menschen, der noch nie im Einsatz gewesen war.

      »Ja«, antwortete er, nahm ihren Arm und schob sie durch die geöffnete Tür des Impala. »Natürlich.«

       08:18 Uhr Ortszeit

       Die Gulfstream IV

       Über Louisiana

      »Ein Anruf für Sie, Mr. Richards.« Der Texaner sah von seinem Sudoku auf und erblickte die männliche CIA-Ausgabe einer Stewardess vor sich: um die vierzig, übergewichtig, mit beginnender Glatze. Wortlos nahm ihm Tex das Telefon ab. »Richards.«

      »Hier spricht Thomas. Hör zu, wir haben ein Problem.« So viel verriet bereits seine Stimme, dachte Tex. Das war nicht der gute alte Parker, nicht seine ruhige, gelassene Ausgeglichenheit, die ihn zu einem der besten Scharfschützen des Geheimdienstes gemacht hatte. Dieser Thomas Parker hörte sich verwirrt und nervös an. Aufgewühlt.

      »Ich höre.«

      »EAGLE SIX ist abtrünnig geworden.«

      »Was weißt du darüber?«, erkundigte sich Tex mit einem Blick auf die geschlossene Cockpittür. »Aber denke daran, das ist keine abhörsichere Verbindung.«

      »Ich weiß, ich weiß. Er hat Carol Chambers aus der Vernehmung entführt und es von dem Gelände heruntergeschafft, bevor der Alarm ausgelöst wurde.«

      »Das ergibt keinen Sinn«, erwiderte Tex, der in Gedanken bereits die Möglichkeiten durchspielte. »Wo befindet er sich

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