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nicht sagen, aber er traute Herta Haemlin alles zu, da sie in ihrem Haß auf Jana völlig die Kontrolle über sich verloren hatte. Dr. Behnisch hatte gesagt, daß sie eigentlich in eine Nervenanstalt gehöre.

      *

      Nach diesem Anruf hatte Jana schnell ihre Wohnung verlassen, war in ihr Auto gestiegen und zum Einkaufszentrum gefahren. Dort tätigte sie ihre Einkäufe und war ganz konzentriert bei der Sache. Sie kaufte auch wunderschöne Rosen für Rolfs Grab, verstaute die Taschen im Auto und fuhr dann zum Friedhof.

      Die Sonne hatte sich verkrochen, ein kühler Wind wehte. Sie streifte das Stirnband über und schlug den Mantelkragen hoch, bevor sie ausstieg. Sie hatte einen günstigen Parkplatz gefunden, nicht weit vom Eingang entfernt und im Eilschritt legte sie den Weg zum Grab zurück.

      Wie immer war das Grab mit Blumen überladen, die diesmal aber nicht mehr ganz frisch waren. Jana wagte aber nicht, welche zu entfernen, überzeugt, daß sie auch deshalb mit Schmähungen belegt würde. Sie stellte ihre Rosen dicht an den pompösen Marmorstein. Ich kann nichts dafür, Rolf, dachte sie. Wenn ich zuständig wäre, sähe dein Grab anders aus.

      Sie ging langsam und ganz in Gedanken versunken auf einem anderen Weg zurück zum Eingang, doch plötzlich kam ein kleiner Junge auf sie zugelaufen und rief: »Mami, Mami, schau Papi, Mami ist wieder da.«

      Erst als der Junge sie umarmte, begriff Jana, daß sie gemeint war. Noch ganz verwirrt sah sie den großen, breitschultrigen Mann näherkommen. Schnell griff er nach dem Kind, das Jana nun mit großen, tränenfeuchten Augen anblickte.

      »Entschuldigen Sie bitte, gnädige Frau«, sagte der Mann heiser, »und haben Sie bitte Verständnis. Mein Sohn begreift noch nicht, daß seine Mutter nicht wiederkommt.«

      »Aber das ist doch meine Mami, ich habe sie gleich erkannt«, stieß der Kleine trotzig hervor.

      »Die Dame sieht ihr nur ähnlich, Bobby. Wir wollen jetzt weitergehen.«

      »Ich will aber, daß meine Mami wiederkommt«, schluchzte der Junge auf, »und daß du wieder lachst, Papi!«

      »Es tut mir leid, sehr leid«, flüsterte Jana mit erstickter Stimme.

      Der Mann hob den Jungen empor und sah Jana verzeihungsheischend an.

      »Wenn solche Wünsche nur in Erfüllung gingen«, flüsterte sie und eilte dann schnell davon. Völlig außer Atem gelangte sie zu ihrem Wagen und mußte nun erst verschnaufen. Das eben Erlebte ging ihr nicht mehr aus dem Sinn. Was war wohl schlimmer – den Mann zu verlieren, oder wenn einem kleinen Kind die Mutter genommen wurde? Aber sie hatte ihren Mann und ihr werdendes Kind verloren, und jetzt war es ihr wieder elend zumute.

      Sie hatte keine Lust mehr, in diesem freundlichen Restaurant zu essen, das sie immer aufsuchte, wenn sie vom Friedhof kam, zuviel gab ihr an diesem Tag wieder zu denken. Wenn sie wirklich Hunger bekam, konnte sie sich zu Hause etwas zubereiten. Eingekauft hatte sie genug für die nächsten Tage.

      Als sie die Wohnungstür aufschloß, hörte sie schon das Telefon läuten. Es läutete lange, bis sie es dann aufnahm. Es war eine angenehme Überraschung, als sie die Stimme ihrer Freundin Simone vernahm, mit der sie schon die Schulbank gedrückt hatte. Simone wohnte immer noch in Regensburg, wo sie beide aufgewachsen waren, aber wie sie jetzt hörte, hatte Simone eine Stellung in München angenommen, bei der Dalibo-Chemie.

      »Ist dir das ein Begriff?« fragte sie.

      »Sie hat einen guten Ruf. Ich hatte damit nichts zu tun«, erwiderte Jana.

      »Arbeitest du wieder?«

      »Ich will etwas anderes machen. Wir können darüber noch reden. Wir werden uns ja hoffentlich bald sehen.«

      »Das will ich meinen. Du hattest doch eine Bombenstellung, willst du die wirklich aufgeben?« fragte Simone.

      »Es hat sich so viel verändert, Mone. Wann kommst du?«

      »Ich bin schon auf dem Wege.«

      »Dann komm doch gleich zu mir. Du kannst auch bei mir wohnen, ich habe genug Platz.«

      »Wir werden viel zu erzählen haben. Ich kann in zwei Stunden bei dir sein.«

      »Ich freue mich. Endlich mal etwas, worauf ich mich freuen kann.«

      *

      Sie bereitete alles für ein Essen vor. Eine Fleischbrühe hatte sie schon angesetzt, und der Tafelspitz war butterweich. Dazu Gemüse und Kartoffeln. Als Dessert einen frischen Obstsalat mit Schlagrahm.

      Aber während sie alles zubereitete, mußte sie wieder an den kleinen Jungen denken, der in ihr seine Mami gesehen hatte. Es mußte schön sein, ein solches Kind zu haben. Das würde sie nun nie mehr erleben. Nicht einen Augenblick dachte sie daran, daß es in ihrem Leben wieder einen Mann geben könnte.

      Gewaltsam brachte sie sich auf andere Gedanken. Fast zwei Jahre hatte sie Simone nicht gesehen. Das letzte Mal auf ihrer Hochzeit. Da war sie mit ihrem Verlobten Hanno gekommen, aber die Verlobung war in die Brüche gegangen. Aus welchem Grunde eigentlich? Simone hatte darüber nie gesprochen.

      Sie war mit ihren Vorbereitungen gerade fertig, da erschien Simone schon. Groß, schlank und sehr attraktiv stand sie da, sah Jana an und nahm sie so behutsam, als sei sie zerbrechlich, in die Arme.

      »Du Krischperl«, sagte sie weich und ein bißchen wehmütig. »Es wird wohl Zeit, daß sich jemand um dich kümmert.«

      »Freundliche Gesellschaft kann mir nur willkommen sein«, meinte Jana lächelnd, »aber ich mag ja auch nicht reden. Es ist schön, daß du gekommen bist, Mone.«

      Es war wie früher. Die alte Verbundenheit war wieder da. »Es ist schon komisch, aber ohne Männer läßt sich’s besser reden«, meinte Simone, »und kochen kannst du auch besser als ich. Die Wohnung ist zauberhaft, Jana. Ich bin froh, daß du anscheinend keine finanziellen Sorgen hast.«

      »Habe ich nicht, aber denk ja nicht, daß Rolfs Eltern dafür sorgen.«

      »So habe ich sie auch nicht eingeschätzt. Nichts gegen Rolf, aber mit seinen Eltern wäre ich auch nicht ausgekommen und ich bin nicht so zart besaitet wie du.«

      »Sie sind bösartig, aber heute habe ich grad erfahren, daß Herr Haemlin einen Schlaganfall hatte und in der Behnisch-Klinik liegt.«

      »Das sollte kein Anlaß zur Trauer sein.«

      »Wir haben keinen Kontakt. Sie machen mich runter, wo sie nur können. Ich habe schon zu Dr. Norden gesagt, daß sie mich auch für Rolfs Tod verantwortlich machen.«

      »Das müssen ja die reinsten Sadisten sein. Aber jetzt bin ich hier und jederzeit erreichbar. Es soll niemand wagen, dir zu nahe zu treten. Ich habe ja geahnt, daß dich etwas bedrückt, so wie du aussiehst.«

      »Wie sehe ich denn aus?«

      »Durchsichtig, zum Umblasen.«

      »Ich hatte unser Baby verloren«, sagte Jana leise.

      Simone sah sie forschend an. »Es mag herzlos klingen, aber ich denke, es ist besser so. Immerhin hätte das Kind schreckliche Großeltern gehabt.«

      »Daran habe ich allerdings auch gedacht.«

      »Doch ein Zeichen von gesundem Lebenswillen. Du wirst bald einsehen, daß das Leben schön sein kann.«

      Jana schwieg kurz. »Jetzt erzähle mir mal, wie du darauf gekommen bist, nach München zu wechseln. Du hattest doch auch eine tolle Stellung.«

      »Ich mußte mich verändern. Alles war so festgefahren. Hanno wollte sich wieder bei mir einnisten, nachdem zwei Fehlversuche mit anderen Bienen sein Konto überbeansprucht haben. Da dachte er, daß die großzügige Simone ihn wieder aufrichten würde. Soviel Unverschämtheit kannst du dir gar nicht vorstellen. Aber da er in derselben Firma beschäftigt ist, war es nun mal so, daß wir uns ständig in den Weg liefen. Da er meinte, daß wir uns in aller Freundschaft getrennt hätten, könnte alles wieder von vorn beginnen.«

      »Du hast nie darüber geredet«,

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