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du stehst ihm in nichts nach und eine Frau habt ihr auch wieder im Haus.« Die letzte Bemerkung war Kathrin so herausgerutscht, und sie hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Sie wollte die liebenswerten Jungen nicht in ihren Herzschmerz hineinziehen.

      »Ach, du meinst Tante Hella«, lachte Kai. »Die macht das Treiben noch ganz verrückt und bringt meinen ganzen Haushalt durcheinander. Aber sonst ist sie spitze.«

      »Soso, Tante Hella«, murmelte Kathrin. Nun wußte sie, wie die elegante Dame hieß. Die Jungs schienen von ihr begeistert zu sein.

      Kathrin ließ sich ihren Kummer nicht anmerken und betrachtete Martins Kunstwerk. »Eigentlich schade, daß der Gips wieder ab muß.«

      »Du kannst ihn ja einfach dranlassen, wenn er dir gefällt«, schlug Martin vor.

      »O je! So schön du ihn auch bemalt hast, ich bin trotzdem froh, wenn ich wieder richtig laufen kann.«

      »Das verstehe ich.« Martin nickte ernst. »Aber dann brauchst du uns ja auch nicht mehr.« Er wurde traurig.

      »Vielleicht gibt mir der Arzt den aufgeschnittenen Gips mit nach Hause, dann habe ich immer eine Erinnerung an euch.«

      »Das ist eine tolle Idee!« jubelte Martin. »Vielleicht ist es sogar Vati, der dir den Gips aufschneidet.«

      »Ja, vielleicht…«

      Als die Jungs nach Hause gegangen waren, griff Kathrin zum Telefon. Ihre Kollegin Birgit mußte sie im Kinderschuhsalon vertreten.

      »Hallo, Birgit, ich brauche dringend deine Hilfe!« sprudelte Kathrin los. »Bitte, bring mir heute abend noch zwei Paar Kinderstiefel, die braunen Wildleder mit dem Fellrand, einmal Größe fünunddreißig, einmal die achtunddreißig. Und noch ein Paar dieser roten Mädchenstiefel mit den Glitzersternen für eine Dreijährige… Legst du bitte das Geld aus? Und bring sie mir unbedingt noch heute abend, ja?«

      »Was ist denn los? Willst du ein Konkurrenzgeschäft eröffnen?«

      Kathrin lachte. »Keineswegs. Sie sind für meine Heinzelmännchen.«

      *

      Es war der Tag vor Heiligabend. Für Kathrin hielt er eine herbe Enttäuschung parat. Kai rief an. »Tut mir leid, Kathrin, aber heute müssen wir mit Papa Tante Hella vom Flughafen abholen. Sie war einige Tage in Rom und bringt bestimmt eine Menge Geschenke mit. Außerdem braucht sie immer so viele Koffer!« Kai lachte, während Kathrins Miene sich verfinsterte. »Sie wäre sicher böse, wenn wir sie nicht abholen würden«, plapperte er weiter. »Sie hat uns sehr gern. Aber wir kommen auch bald wieder zu dir!« Damit legte er auf.

      Kathrin ließ den Hörer sinken. Tante Hella kam aus Rom, und da war selbst Kathrin für die Jungs uninteressant geworden. Eigentlich gab es, dank der fleißigen Hilfe von Kai und Martin, in Kathrins Haushalt kaum noch etwas zu tun. Aber Kathrin hatte sich so an die Gesellschaft der beiden liebenswerten Buben gewöhnt. Ihr gefiel das helle Kinderlachen in ihren sonst so stillen Wänden, sie mochte die Unterhaltung und den Spaß mit ihnen. Versonnen betrachtete sie ihr buntbemaltes Gipsbein. Wenn die Kinder nicht da waren, erschien ihre Wohnung so leer und sie fühlte sich einsam.

      Auch am Heiligabend saß sie allein in ihrem Wohnzimmer. So gut es ging, hatte sie einen kleinen Weihnachtsbaum aufgestellt und geschmückt. In einer Schale auf dem Tisch lagen Äpfel und Nüsse, aus der Stereoanlage erklang Weihnachtsmusik. Aber in Kathrin kam keine Weihnachtsstimmung auf. Voll Bitterkeit dachte sie an Peter und die Kinder. Die würden sich jetzt von der vornehmen Hella bescheren lassen, die Kinder ihre teuren Geschenke auspacken und selbstvergessen damit spielen. Und Peter würde den Arm um Hella legen, sie küssen und dann würden sie die Weingläser erheben…

      Entschlossen hinkte Kathrin in die Küche. Seit einigen Tagen durfte sie das Bein etwas belasten und benutzte nur noch eine Gehstütze. Sie kippte eine ganze Flasche Glühwein in einen Topf, würzte ihn mit braunem Zucker, Nelken, Zimt und erhitzte alles vorsichtig. Heute wollte sie ihren ganzen Kummer hinunterspülen, heißer Glühwein erschien ihr an diesem kalten Wintertag das richtige Mittel.

      Nach dem vierten Glas wurde ihr wunderbar warm und leicht zumute. Deshalb vernahm sie zuerst auch die Türklingel nicht. Erst als das Klingeln fordernder wurde, schreckte Kathrin hoch. Sie wunderte sich, wer sie zu dieser Stunde noch störte. Zögernd öffnete sie die Wohnungstür – und prallte zurück. Draußen stand Peter Kilian mit Jenny auf dem Arm, daneben Kai und Martin, alle mit roten Weihnachtsmützen auf dem Kopf. Und im Hintergrund gewahrte sie Hella.

      »Fröhliche Weihnachten!« riefen alle wie aus einem Munde. Kathrins Augen wurden rund wie Christbaumkugeln, sie stand wie zur Salzsäule erstarrt.

      »Dürfen wir reinkommen?« Peter lächelte unsicher.

      »Ja, ja, natürlich«, stammelte sie und trat beiseite. Irritiert betrachtete sie den unerwarteten Besuch.

      »Hm, es duftet nach Glühwein«, bemerkte Peter. Wortlos stellte Kathrin zwei weitere Gläser auf den Tisch.

      »Bleib sitzen, Kathrin!« rief Kai. »Ich hole den Saft für uns Kinder.«

      »Freust du dich über die Überraschung?« fragte Martin erwartungsvoll.

      »Allerdings, das ist wirklich eine Überraschung.«

      »Wir dachten, weil du doch Heiligabend so allein bist und dazu mit dem kaputten Bein, wollten wir dir Gesellschaft leisten. Und Hella wollte dich unbedingt kennenlernen«, sagte Peter.

      Kathrin schob trotzig die Unterlippe vor und blickte Hella direkt in die Augen. Hella hatte sich wieder sehr elegant gekleidet. Sie trug ein rotes Kostüm – wie passend zu Weihnachten! – mit einem schwarzen Seidenshirt darunter. Eine goldene Kette lag schwer um ihren schlanken Hals, in den Ohrringen und dem Ring funkelten zueinander passende Aquamarine. Kathrin mußte neidvoll zugeben, daß die Farbe ihrer Augen sich mit dem

      Blau dieser teuren Edelsteine vergleichen konnte. Das blonde Haar war zu einer kleidsamen Rolle am Hinterkopf gesteckt, und als sie lächelte, blitzten ihre perfekten Zähne wie zwei Reihen Perlen. Ein zarter Hauch eines teuren Parfüms umgab sie.

      Kathrin fand für den Moment keine Worte darüber, daß Peter mit seiner Auserwählten am Heiligabend in ihr kleines privates Reich einbrach, sie sich gemütlich palzierten und diese Hella auch noch auf Kathrins Bekanntschaft neugierig war. Doch ehe Kathrin sich sammeln konnte, sagte Hella. »Ich hoffe, Sie verzeihen uns diesen Überfall. Die Kinder haben so von Ihnen geschwärmt. Und als wir heute so glücklich zu Hause beisammensaßen, mußten wir an Sie denken.«

      »Wie großherzig«, murmelte Kathrin.

      »Das Leben geht manchmal eigenartige Wege, nicht wahr?« Hella blickte sie aufmerksam an.

      »Ich weiß nicht, wie Sie das meinen«, erwiderte Kathrin.

      »Nun, daß ein Schuhkauf sozusagen Schicksal spielt.«

      »Welches Schicksal? Doch sicher nicht meines!«

      »Ich glaube doch«, warf Peter ein. »Schließlich hat das Schicksal nochmals unsere Wege kreuzen lassen.« Er deutete auf Kathrins Gipsbein.

      »Ein sehr grausames Schicksal«, erwiderte sie.

      »Schmerzhaft wohl, aber nicht grausam. Ich garantiere dir, daß du bald wieder springen kannst wie ein Reh. Nach Weihnachten kommt der Gips ab, und Mitte Januar bist du wieder so gut zu Fuß, daß du unser Weihnachtsgeschenk in Empfang nehmen kannst.« Peters treuherziger Blick verunsicherte Kathrin und ihre Augen wanderten zwischen Peter und Hella hin und her. »Es ist

      eigentlich Hellas Geschenk«, fügte Peter hinzu.

      »Ich wüßte nicht, aus welchem edlen Grund Sie mir etwas schenken sollten.« Kathrin warf Hella einen feindseligen Blick zu. Und als Jenny auf Hellas Schoß kletterte und das Köpfchen an ihre Schulter lehnte, war es endgültig mit Kathrins Beherrschung vorbei. Tränen schossen in ihre Augen. Hella warf Peter einen hilfesuchenden Blick zu.

      Sie hat ebensolche blauen Augen wie Peter, stellte Kathrin wütend fest. Oh, wie wunderbar die beiden zusammenpaßten. Wollten sie Kathrin ihr

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