Скачать книгу

Stempel!

      Ihr Rücken versteifte sich, und die Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. »Peter, ich weiß nicht, ob ich das kann«, flüsterte sie fast tonlos. »Ich liebe dich. Ich mag auch die Kinder. Aber das alles – das alles kann ich nicht bewältigen. Die Kinder…«

      »Es ist wegen der Kinder, ja?«

      Kathrin nickte. »Versteh mich bitte nicht falsch. Ich mag deine Kinder wirklich, und ich freue mich, daß sie mich akzeptieren würden. Aber ich befürchte, daß mir das alles über den Kopf wächst. Da bist du, der nach Liebe verlangt, aber da sind auch die Kinder, jedes anders und mit anderen Problemen. Mein Gott, und wenn eins mal krank wird, ich wüßte gar nicht, was ich da zuerst tun müßte. Und wenn es mit dem Zusammenleben dann doch nicht so klappt und es Streit gibt? Dann bin ich doch der Störfaktor, der in die Familie eingebrochen ist. Wann sind wir beide einmal allein, wann können wir Zärtlichkeiten austauschen, ohne daß eines der Kinder vor der Schlafzimmertür steht und mal muß oder was zu trinken will oder nicht schlafen kann…«

      »Es wird sich für alles ein Weg finden. Ich verstehe dich ja, daß du noch Berührungsängste hast. Aber wenn du dich erst einmal bei uns eingelebt hast, siehst du es auch anders. Es muß nur alles richtig organisiert sein.«

      »Und ich bin der Manager?«

      Peter lachte. »Gewissermaßen.«

      »Als erstes würde Kai aufbegehren, weil er seine Vorrangstellung verliert. Dann kommen die Vorwürfe, daß ich Martin vorziehe, wenn ich ihn in Schutz nehme. Und Jenny ist noch so klein, da kann man ja noch nicht mal an die Vernunft appellieren wie bei einem Schulkind.« Mit einem Mal wurde Kathrin bewußt, daß sie diesen Mann nie für sich allein haben würde. Immer würden die Kinder zwischen ihnen stehen. Verzweifelt rang sie die Hände. »Peter, es geht nicht. Das wird nichts. Ich kann das einfach nicht.«

      »Du liebst mich nicht, nicht wahr?«

      »Doch, ich liebe dich über alles, Peter, es tut richtig weh hier drin.« Sie legte die flache Hand aufs Herz.

      Peter senkte den Kopf. »Ich habe schon verstanden. Dich stören die Kinder.«

      »Sie stören mich nicht. Aber…« Kathrin war selbst verzweifelt. Wie sollte sie Peter klarmachen, daß die Angst vor der Verantwortung für eine Familie nichts mit ihrer Liebe zu Peter zu tun hatte. Nachts träumte sie davon, an Peters Seite auf den Boulevards von Paris zu wandeln, in eleganten Kleidern, chic frisiert und an den Füßen den letzten Schrei französischer Schuhdesigner. Die Frauen würden sich bewundernd nach ihr umdrehen und ihren Männern am liebsten die Augen verbinden.

      Warum nur traf es all die Reichen und Schönen, nicht sie, die kleine Schuhverkäuferin Kathrin Berger? Und wenn sie schon einen Mann kennenlernte, der ihr Herz in Aufruhr brachte, dann hatte er drei Kinder. Tränen der Enttäuschung stiegen in Kathrins Augen.

      »Ich vertrage wohl keinen Alkohol«, murmelte sie entschuldigend und schnüffelte diskret in ihr Taschentuch.

      Ich bin ein kompletter Idiot, schalt sich Peter Kilian. Ich falle mit der Tür ins Haus und überrumpele sie mit den Problemen der Kinder. Eine Liebe muß reifen, aber ich will es übers Knie brechen. Er war sich klar darüber, daß er eben verloren hatte, was sich so zart anbahnte.

      »Ich bringe dich nach Hause«, sagte er leise und zahlte. Kathrin hatte nichts dagegen einzuwenden, daß sie den gemeinsamen Abend beendeten. Vor ihrer Haustür verabschiedeten sie sich.

      »Werden wir uns wiedersehen?« fragte Peter.

      Kathrin senkte den Kopf. »Ich weiß nicht. Vielleicht läßt das Schicksal unsere Wege wieder kreuzen. Aber ich glaube nicht an solche Zufälle oder Fügungen. Und vielleicht ist es auch besser so, bevor

      es noch mehr gebrochene Herzen gibt.«

      Mit schleppenden Schritten stieg sie die Stufen zu ihrer Wohnung hinauf. Peter! Wenn sie an ihn dachte, klopfte ihr Herz schneller. Was für ein traumhafter Mann! Eigentlich war es ein Wunder, daß ein Mann mit diesem Aussehen noch keine Frau gefunden hatte. Natürlich waren die Kinder schuld, die jede Frau abschrecken würden. Zwar waren es liebe, hübsche, nette Kinder, aber eben Kinder, die laut waren, egoistisch, unordentlich…

      Als sie in ihrem Bett lag, weinte sie heiße Tränen ins Kopfkissen und fühlte sich schrecklich elend.

      *

      »Das können Sie mir nicht antun! Nein, das geht auf keinen Fall!« Herr Kremer rang seine Hände mit den dicken Wurstfingern verzweifelt. »Erst fällt Marion aus, weil sie unbedingt ein Kind haben will und Sie wollen jetzt Urlaub? Das geht auf keinen Fall!« wiederholte er.

      Kathrin blickte ihren Chef flehend an. »Ich kann einfach nicht mehr. Nur eine Woche, bitte. Was nützt es Ihnen, wenn ich vielleicht noch krank werde, weil mir einiges über den Kopf gewachsen und über meine Kräfte gegangen ist? Eine Woche Erholung wirkt da schon Wunder.«

      »Nur, wenn Sie Frau Grille als Vertretung überreden können. Wer soll sonst noch in der Kinderschuhabteilung verkaufen? Das ganze qualifizierte Personal läßt mich sitzen, und ich plage mich nur mit diesen Aushilfskräften herum!«

      ›Das mußte ich auch‹, hätte Kathrin beinahe geantwortet. Aber sie schwieg lieber. »Ich werde mit Frau Grille sprechen. Sie ist zwar schon in Rente, aber vielleicht ist sie doch bereit, eine Woche…«

      »Gut, aber es ist eine Ausnahme, verstehen Sie, Fräulein Berger, eine einmalige Ausnahme! Und vor dem Weihnachtsgeschäft sind Sie wieder hier, verstanden?«

      Kathrin war bereit, ihm das Blaue vom Himmel zu versprechen, wenn er ihr nur den Urlaub gewährte. Sie fühlte sich elend und ausgelaugt. Sie brauchte dringend Erholung und Tapetenwechsel. Sie wollte verreisen, irgendwohin, und sich ablenken. Wenn sie ganz ehrlich zu sich war, mußte sie sich eingestehen, daß es nichts weiter war als eine Flucht, eine Flucht vor Peter und vor ihrer eigenen Wankelmütigkeit.

      Sie war wütend auf sich selbst. Sie wollte nichts mehr mit Peter zu tun haben. Sie konnte einfach nicht, denn es brach ihr das Herz. Ein Teil ihrer Seele schrie nach ihm, verlangte nach ihm, seiner Liebe, seinen Küssen, seinen Zärtlichkeiten. Die andere Seite ihres Ichs hob warnend den Zeigefinger, appellierte an ihre Vernunft, ihren Verstand. Wie sollte sie, die junge Kathrin, eine dreifache Mutter ersetzen, einem erfahrenen Mann eine perfekte Ehefrau und Hausfrau zugleich sein, ohne gleichzeitig ihre eigenen Wünsche und Träume aufzugeben? Nein, das alles ließ sich nicht miteinander vereinbaren. Und deswegen mußte sie fort, weit weg von hier und alles hinter sich lassen. Was danach kam, daran wollte sie jetzt nicht denken, nicht danach fragen. Es lag noch so weit weg, dieses Danach. Sie wollte nur davonlaufen.

      Nach dem offensichtlich nicht ganz zufälligen Zusammentreffen mit Peter Kilian hatte es Kathrin tunlichst vermieden, noch einmal Kontakt mit ihm aufzunehmen. Es wurde ihr dadurch erleichtert, daß auch Martin nicht wieder das Schuhgeschäft besuchte. Sicher hatte es ihm sein Vater nahegelegt, einen Bogen um das Schuhgeschäft zu schlagen. Die Enttäuschung für Martin mußte wohl besonders groß gewesen sein. Nur einmal entdeckte sie seinen Blondschopf draußen vor den Schaufensterscheiben. Aber als Martin sie erblickte, lief er davon. Einerseits tat es Kathrin leid. Sie mochte die Kinder wirklich. Auch Jenny hatte schnell einen Platz in ihrem Herzen gefunden. Aber drei Kinder aufzuziehen, dazu gehörte sehr viel Verantwortung. Kathrin würde sich damit überfordert fühlen. Und irgendwie wollte sie auch noch etwas vom Leben haben!

      Kathrin öffnete das Fenster ihres Hotelzimmers und stützte sich auf das Fensterbrett. Tief sog sie die kühle Luft ein. Es roch etwas modrig. Glucksend schlug das dunkle Wasser des Kanals an die fleckige Hauswand des Hotels. Venedig lag im grauen Herbstnebel, irgendwo hinter den grauen Häuserzeilen vermutete sie die Lagune. Vergebens hielt sie nach einem romantisch singenden Gondoliere Ausschau. Einige Lastkähne, vollbeladen mit Gemüse, knatterten mit rauchenden Motoren vorbei. Ihre Flucht vor Peter Kilian endete in einem drittklassigen Hotel in einer grauen Seitenstraße von Venedig, der Stadt der Verliebten. Doch Kathrins Herz war schwer wie die regennassen Wolken am Himmel. Sie hoffte, eine Woche Ruhe und Abgeschiedenheit zu finden.

      Das Hotel war nur mäßig belegt, die Touristenzeit war vorbei.

Скачать книгу