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hab’ aber nichts gehört«, sagte der Optimist, »komm, laß uns weitergehen! Die Sache gefällt mir nicht.«

      Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als er erneut zusammenzuckte.

      Diesmal faßte der Maskierte nach seiner rechten Gesäßhälfte, stöhnte leicht auf und blieb dann wie erstarrt stehen.

      »Nein«, sagte er fast andächtig, »nein, das kann doch nicht wahr sein!«

      »Was denn?«

      »Mann, da hat mir einer ’nen Pfeil in den Hintern gejagt.«

      »Spinnst du?« Der Skeptiker war ärgerlich. Seine Stimme klang gereizt.

      »Sieh dir das an!« Der Optimist war längst kein Optimist mehr. Er hatte den schmerzenden Gegenstand aus dem verlängerten Rücken gezogen und präsentierte ihn seinem Begleiter.

      »Wie ’n Blasrohrpfeil«, sagte der. Skeptiker, der seine Taschenlampe eingeschaltet hatte.

      »Blasrohrpfeil?« Der Optimist keuchte vor Überraschung. »Gibt’s hier denn Indianer?«

      »Sieht so aus, Auuuu!«

      Jetzt hatte es den Skeptiker ebenfalls erwischt.

      Er griff blitzschnell an seinen Oberschenkel und hielt Bruchteile von Sekunden später ebenfalls einen Blasrohrpfeil in der Hand.

      Beide Pfeile waren etwa so lang wie Stopfnadeln und wiesen bunte Miniaturfedern auf, die den Flug wohl stabilisieren sollten.

      »Mir ist schlecht«, verkündete der Optimist und lehnte sich gegen einen glatten Felsen. Er übertrieb keineswegs. In seinen Beinen fühlte er eine seltsame Mattigkeit, in seinem Magen die ersten Anzeichen einer kommenden Revolution.

      »Mir ist speiübel«, meldete der Skeptiker und kämpfte verzweifelt gegen aufsteigenden Brechreiz.

      Die beiden Maskierten setzten ihren Weg nach unten zum Strandstreifen nicht fort, hockten erst mal nieder und schnappten verzweifelt nach Luft.

      »Wer hat uns die Dinger verpaßt?« wollte zwischendurch der Optimist wissen.

      »Keine Ahnung«, würgte der Skeptiker hervor und wischte die Maske vom Gesicht. Er war schweißnaß darunter.

      »Wir müssen weg, bevor noch mehr passiert.«

      »Und der Bursche da unten?«

      »Den holt sich die Brandung. Ich hau’ ab.«

      Die beiden Männer waren wirklich nicht mehr auf der Höhe. Ein schleichendes Gift breitete sich immer weiter in ihren Körpern aus. Sie krochen schließlich auf allen vieren zurück nach oben und legten am Rand der Klippen erst mal eine kleine Ruhepause ein. Das Gift ihn ihrem Blut tat voll seine Wirkung und schüttelte sie durcheinander. Sie übergaben sich, fühlten sich hundeelend und schleppten sich nach einer Viertelstunde weiter zu ihrem Jeep, den sie in einer Bodenwelle versteckt hatten.

      In wilden Schlangenlinien kurvte dieser Jeep dann zurück zur Küstenstraße und verschwand in der Dunkelheit. Dort aber, wo er eben noch gewesen war, erhob sich jetzt ein gewisser Butler Parker, der mit dem Erfolg seiner Bemühungen durchaus zufrieden war.

      Natürlich war er nicht zusammen mit Lady Simpson weggefahren. Die ältere Dame hatte den Wagen übernommen und war davongerumpelt. Josuah Parker war am Tatort zurückgeblieben, denn er hatte damit gerechnet, daß die beiden Maskierten sich um den Toten kümmerten.

      Parkers Spezialwaffen hatten sich wieder mal voll bewährt.

      Mit der Zwille oder Gabelschleuder hatte er seine berüchtigten Tonmurmeln verschossen. Und mit seinem Universal-Regenschirm waren die »Giftpfeile« durch die Dunkelheit gelenkt worden, angetrieben von komprimiertem Kohlensäuregas. Lautlosere Waffen konnte man sich nicht vorstellen.

      Das Gift, mit dem die Spitzen der beiden Pfeile bestrichen waren, hinterließ natürlich keine gesundheitlichen Schäden. Es rief nur eine nachhaltige Übelkeit hervor. Parker hatte sich da von einem anerkannten Fachmann und Chemiker beraten lassen.

      Er kannte jetzt das Kennzeichen des Jeeps und hatte sich die Gesichter der beiden Männer eingeprägt. Er war sicher, daß die beiden Männer ihm bald über den Weg laufen würden. Ja, er wußte möglicherweise schon, wo er sie fand. Der Jeep war nämlich kein Privatwagen, sondern gehörte zum Wagenpark eines großen Schwerlast-Fuhrunternehmens, wie die Aufschrift am Heck besagte.

      Butler Parker schritt gemessen hinüber zur Küstenstraße und wartete geduldig auf die Rückkehr der Lady Simpson. Es war ausgemacht, daß sie ihn hier aufpickte, und falls nichts dazwischen gekommen war, mußte sie bald erscheinen.

      Der Butler spielte gerade mit dem Gedanken, sich eine seiner Zigarren anzuzünden, als er plötzlich einen grellen Lichtschein sah, der die nächtliche Dunkelheit aufriß. Während eine Feuersäule zum Himmel stieg, war das dumpfe Grollen einer Detonation zu hören.

      Natürlich dachte Parker sofort an Lady Simpson.

      Hoffentlich führte sie nicht wieder einen Privatkrieg auf eigene Faust. Sie liebte solche Extravaganzen und ließ sich leicht provozieren. Parker hatte nach Myladys Temperamentsausbrüchen immer alle Hände voll zu tun, um die streitbare Dame wieder zu beruhigen.

      Hier schien es sich allerdings nicht nur um einen mittelschweren Temperamentsausbruch zu handeln, denn der Feuerschein am nächtlichen Himmel weitete sich aus und eine zweite Detonation war zu hören.

      Parker war in echter Sorge.

      Auf was mochte Lady Simpson sich wieder mal eingelassen haben? Er setzte sich umgehend in Bewegung und legte ein forsches Tempo vor, das mit seiner sonstigen Gemessenheit aber auch gar nichts mehr zu tun hatte.

      Er sah wenig später Autoscheinwerfer, die sich ihm näherten. Genau in diesem Moment atmete der Butler befreit auf. Aus dem Tempo des Wagens und dem ruckartigen Kurven auf der Straße ließ sich mit letzter Sicherheit schließen, daß Agatha Simpson diesen Wagen steuerte. Ihr Kamikaze-Stil war unverkennbar.

      Parker hatte also keine Bedenken, sich dem Scheinwerferlicht zu präsentieren. Mit seinem altväterlich gebundenen Regenschirm winkte er dem Wagen entgegen.

      Ja, sie war es!

      Das Bremsmanöver war schon fast gewalttätig.

      Parkers hochbeiniges Monstrum schleuderte fast quer über die Straße und hielt dann endlich vor dem gegenüberliegenden Graben.

      »Hatten Mylady eine gute Fahrt, wenn ich mir die Freiheit nehmen darf, mich danach zu erkundigen?« Parker lüftete zu seinen Worten höflich die schwarze Melone.

      »Ihr Wagen ist auch nicht mehr das, was er mal war«, erwiderte die resolute Dame am Steuer ungnädig.

      »Kam es zu einem Unfall?« sorgte sich der Butler. Er ging davon aus, daß Lady Simpsons Bemerkung sich auf den momentanen Zustand des Wagens bezog.

      »Lahm ist Ihr sogenannter Wunderwagen«, kritisierte die Detektivin. »Im zweiten Gang habe ich ihn nicht über hundertfünfzig bekommen.«

      Parker schloß für Sekunden die Augen und dachte an die Ventile. Dann aber hatte er sich schon wieder unter Kontrolle.

      »Vielleicht eine augenblickliche Unpäßlichkeit, Mylady«, entschuldigte er sein Auto. »Haben Sie möglicherweise die Feuersäule und die Detonation wahrgenommen?«

      »Halten Sie mich für blind oder taub?« grollte sie prompt. »Natürlich hab’ ich das mitbekommen. Der Jeep ist in die Luft geflogen, und wenn mich nicht alles täuscht, auch die beiden Insassen!«

      *

      Jane Wells war früh auf den Beinen.

      Sie saß in dem kleinen Frühstücksraum des Hotels und ließ sich von Norman Carty bedienen. Der rundliche Mann mit den schlauen Augen wußte inzwischen mehr über seinen Gast. Er hatte gewisse Verbindungen in London spielen lassen. Noch ließ Carty sich nichts anmerken. Er wirkte aber wie ein verfetteter Kater, der eine attraktive Maus belauert und mit ihr spielt.

      Jane

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