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Tucker. „Ja, wie soll ich mich ausdrücken? Also, die Sache ist so …“

      „Ferris und ich, wir meinen, daß deine Mary …“

      „Was?“

      „Nun, äh …“

      „Sie wird an deiner Fistelstimme keinen Gefallen finden“, sagte Tucker.

      „Richtig.“ Carberry nickte zustimmend. „Und an der anderen Sache auch nicht.“

      „Wieso Fistelstimme?“ fragte Old O’Flynn. „Und was für eine andere Sache?“ Diesmal war er wirklich schwer von Begriff. Er bemerkte nicht mal, daß Nils Larsen, Smoky und Jack Finnegan inzwischen halb über dem Schanzkleid hingen und vor mühsam verhaltenem Lachen Gefahr liefen, das Gleichgewicht zu verlieren.

      Ferris Tucker setzte eine Leichenbittermiene auf. Es fiel ihm sichtlich schwer, Haltung zu bewahren.

      „Mag sein, daß der Padischah Besucher auch in seinem Harem empfängt“, sagte er. „Aber dann eben nur Eunuchen, und die haben bekanntlich eine Fistelstimme, weil sie …“

      Old Donegal fiel ihm ins Wort: „Was soll das heißen, du karierter Holzwurm?“ Er plusterte sich auf wie ein Gockel vor der Balz.

      „Nichts“, sagte Ferris Tucker unschuldig.

      Wütend stampfte der Alte mit dem Holzbein auf.

      „Ihr könnt mich alle – zum Padischah begleiten!“ rief er. „Ein Kerl wie ich braucht keine blöden Schleifchen, um Aufmerksamkeit zu erregen.“

      Das stimmte in der Tat. Nur hüteten sich die Arwenacks, das auszusprechen.

       2.

      Unter Führung des jungen Doglee verließen Hasard, der Erste Offizier Ben Brighton, Dan O’Flynn und Old Donegal die Schebecke. Der Alte hatte sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, an Bord zurückbleiben zu müssen, und Hasard war gegen die Vielzahl „logischer“ Argumente nicht gefeit gewesen.

      „Treib’s nicht zu wild, Donegal!“ riefen die Kerle von Deck aus hinterher.

      „Bring uns ein paar Ladys mit! Es muß ja nicht gleich der ganze Harem sein.“

      Mac Pellew, der wie üblich auch jetzt griesgrämig dreinblickte, schoß mit seiner Bemerkung den Vogel ab. Er sagte schlicht und einfach: „Vergiß uns nicht, Mister O’Flynn.“

      Das Gelächter folgte Hasard und seinen Begleitern, bis sie zwischen den Magazinen des Kaufmanns Rahid die Schebecke aus den Augen verloren. Old Donegal tat, als ginge ihn das alles herzlich wenig an.

      „Die Männer sind eben so“, sagte er zu Dan, seinem Sohn. „Aber sie haben das Herz am rechten Fleck.“ Irgendwie klang das sogar entschuldigend.

      Der Regen hatte die Stadt verändert. Dichte Nebelschwaden trieben durch die Straßen und engen Gassen und legten sich beklemmend auf das sonst bunte und lärmende Treiben.

      Hie und da brach die Sonne durch, ihre gleißenden Strahlen ließen den aufsteigenden Dampf sichtbar werden. Manche Wege und Plätze standen noch unter Wasser, an anderen Stellen hatten sich Schlamm und Geröll angehäuft. Trockenen Fußes hindurchzugelangen, war unmöglich.

      Doglee führte die Arwenacks tiefer in das Gewirr der Häuser und Hütten. Den Palast und den Hindu-Tempel verloren sie bald aus den Augen, doch der schlanke Turm des Minaretts tauchte immer wieder vor ihnen auf und half bei der Orientierung.

      Das Leben in Surat nahm seinen gewohnten Gang. Das Rufen der Händler, die ihre Waren feilboten, das laute Werben der Gaukler und Geschichtenerzähler um die Gunst des Publikums, Hundegebell, Kindergeschrei – all das wurde zeitweise noch von einer schrillen, kreischenden, quietschenden und quakenden Musik übertönt, die den Engländern nicht immer als Wohlgenuß erschien.

      Die Luft war erfüllt von dem süßlichen Aroma feuchten Erdreichs, von Essensgerüchen und dem Qualm brennender Herdfeuer ebenso wie von der sich vermengenden Vielfalt exotischer Gewürze, die die Arwenacks zum Teil nicht mal dem Namen nach kannten.

      Wortreich verscheuchte Doglee einige Bettlerjungen, die nur wenig jünger als er selbst waren und den Arwenacks wie Kletten folgten.

      „Aufpassen!“ raunte er dem Seewolf zu. „Die stehlen sogar ihrer Mutter die Töpfe vom Feuer. Wissen, daß wir Geschenke dabeihaben.“

      Hasard schwieg dazu. Er hatte eher den Eindruck, daß Doglee die Nähe seiner früheren Gefährten peinlich war. Offenbar fürchtete er, die Ingles könnten seine Dienste künftig ablehnen.

      Tatsächlich schritt der Junge schneller aus. Er hielt auch nicht inne, als die Arwenacks einem Fakir forschende Blicke zuwarfen. Der Mann, eine würdevolle Erscheinung mit mächtigem Turban und wallendem weißen Bart, kauerte inmitten einer Vielzahl geflochtener Körbe. Von zweien waren die Deckel abgenommen. Kobras züngelten daraus hervor und schienen sich zum Rhythmus seines schrillen Flötenspiels zu wiegen.

      „Ich denke, den Schlangen wurden die Giftzähne gezogen“, sagte Ben Brighton. „Die taugen nur noch als Kinderschreck.“

      „O nein“, antwortete Doglee im Vorbeieilen. „Biß von Kobras sein tödlich. Aber beißen nicht, solange Flöte erklingt.“

      „Bist du sicher, Junge?“

      „Ich zeige euch. Später.“

      Darauf konnte nun jeder verzichten. Sie eilten weiter, so schnell es die schwere Truhe mit den Geschenken für den Padischah erlaubte, die Ben Brighton und Dan O’Flynn schleppten.

      Schon die Truhe an sich war eine kleine Kostbarkeit. Sie bestand aus geschnitztem schwarzem Holz und wies auf ihren Seiten Seefahrtsmotive aus vier Himmelsrichtungen auf, den Deckel zierte das Abbild einer Galeone unter vollen Segeln. Beschlagen war sie mit versilberten Eisenbändern, das Silber wurde zum Deckel hin durch Gold abgelöst.

      Die Truhe stammte ebenso wie ihr Inhalt aus den Schätzen des spanischen Geleitzugs, den die Seewölfe in einem der größten Raids ihres Lebens nach London geführt hatten. Die Spanier nahmen den Indianern in der Neuen Welt ihre Schätze ab, die Korsaren plünderten die Spanier aus, und letztlich erhielten Herrscher ferner Länder einen verschwindend geringen Teil davon als Antrittsgeschenk der englischen Krone – das war der Lauf der Welt.

      Die geschundenen Eingeborenen Amerikas blieben dabei auf der Strecke. Doch die Arwenacks hatten auf ihre Fahnen geschrieben, gerade den Geknechteten und Ausgebeuteten zu helfen, und sie hatten oft genug bewiesen, daß sie dazu in der Lage waren.

      Endlich erreichten sie die Palastmauer mit ihren kunstvoll und reich ornamentierten Türmen. Die Bilder und Fresken stellten Ereignisse aus der indischen Mythologie dar, wobei Elefanten und mehrgliedrige Geschöpfe die Szenerie beherrschten.

      So selbstverständlich, als habe er in seinem jungen Leben nie etwas anderes getan, steuerte Doglee auf das zweiflügelige Tor und die davor postierten Wachen zu.

      „Sag ihnen, daß der Padischah uns erwartet“, raunte Hasard dem Jungen zu.

      Doglee wechselte einige Worte mit den uniformierten Muselmanen, die neben ihren breiten Säbeln und in den bunten Tuchgürteln steckenden Elfenbeindolchen auch Feuerwaffen trugen. Mit Kennerblick stellten die Arwenacks fest, daß Pistolen und Musketen Steinschlösser hatten.

      In einer fließenden Bewegung berührte Doglee mit den Fingerspitzen der rechten Hand hintereinander Stirn, Lippen und Brustkorb und verbeugte sich. Anschließend wandte er sich zu den Engländern um.

      „Wachen sagen, erhabener, großehrwürdiger Padischah gewähren Ingles Zutritt, wenn Geschenke bringen.“

      „Feine Sitten“, murmelte Dan. „Bisher glaubte ich immer, Geschenke würden freiwillig gegeben.“

      „Du mußt das von der praktischen Seite sehen“, erwiderte Old Donegal. „Wir wissen nun wenigstens, woran wir sind. Der Padischah ist so geldgierig wie alle Herrscher.“

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