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nur mehr knapp ein Dutzend Schritte weit. Die Stadt, die Lagerhallen, selbst der Fluß – alles verschwand hinter schier undurchdringlichen Wassermassen.

      Der Tapti, sonst träge dahinfließend, schwoll an, überflutete die Ufer und riß Sträucher und Bäume mit sich. Die lehmig braunen Fluten verschonten auch den ruhigen Seitenarm nicht, in dem die Schebecke lag. Von dem Augenblick, da das Wasser zu steigen begann und erstmals über die Uferbefestigungen leckte, bis zu seinem höchsten Stand, immerhin gut drei Fuß über normal, verging gerade eine halbe Stunde.

      So schnell, wie er begonnen hatte, hörte der sintflutartige Regen auch wieder auf. Die Sonne brach durch die Wolkendecke und verwandelte die Stadt und ihre weitere Umgebung in ein dampfendes Treibhaus. Gierig leckten die Strahlenfinger durch den aufsteigenden Dunst.

      Sogar die Arwenacks litten unter der unwahrscheinlich hohen Luftfeuchtigkeit, die jede Arbeit zur Qual werden ließ. Wer an Deck ging, hatte rasch keinen trockenen Faden mehr am Leib.

      „Monsunzeit“, sagte der Bettlerjunge Doglee in seinem gebrochenen Portugiesisch. „Aber das Land braucht den Regen. Wenn Monsun ausbleibt, wir alle müssen hungern.“

      Ein entwurzelter Baum trieb vorbei. Hätte nicht Arwenack zu zetern und zu kreischen begonnen, wäre wohl niemand auf das Affenjunge aufmerksam geworden, das ängstlich in der weit ausladenden Krone hing.

      „Sir!“ Hasard junior blickte den Seewolf erwartungsvoll an. „Arwenack meint, wir sollen die Jolle aussetzen und versuchen, den kleinen Kerl zu retten.“

      „Hat er das gesagt?“

      Hasard junior grinste schwach.

      „Das nicht, aber …“

      „Zu Noahs Zeiten regnete es vierzig Tage und vierzig Nächte lang. Ich kann verstehen, daß er gezwungen war, von allen Tieren ein Pärchen an Bord zu nehmen. Aber wir haben keine Arche, ganz zu schweigen davon, daß ein halbstündiger Wolkenbruch nicht mit der Sintflut zu vergleichen ist. Sind wir uns da einig?“

      „Natürlich, Sir. Aber der kleine Affe …“

      Der Seewolf verzichtete auf eine Antwort. Statt dessen deutete er flußabwärts zur nächsten Biegung, wo sich die mächtige Baumkrone inzwischen im Ufergestrüpp verfangen hatte.

      „Schon klar“, sagte Hasard junior. „Die Natur gibt jedem ihrer Geschöpfe eine Chance.“

      „Was man von uns Menschen durchaus nicht immer behaupten kann.“ Der Seewolf drehte auf dem Absatz um und trat vor die Querbalustrade des Achterdecks.

      „Mister Carberry!“ rief er zur Kuhl hinunter.

      Nahezu die halbe Mannschaft war auf dem Mitteldeck versammelt. Doch der Profos fehlte.

      Der Kutscher, seines Zeichens Erster Koch und Feldscher, der seit kurzem in einer Fülle kostbarer Gewürze schwelgte, beugte sich über die Laderaumgräting: „Ed, der Kapitän will dich sehen!“

      Poltern und unverständliches Gemurmel drangen von unten herauf. Wenig später tauchte ein dunkelblonder, wirrer Schopf aus der Luke auf, gefolgt von einem häßlichen Narbengesicht und einem gewaltigen Rammkinn.

      „Sir?“ fragte Edwin Carberry dröhnend.

      „Landgang ist angesagt“, raunte der Kutscher ihm zu. „Hasard erwartet, daß du schneller arbeitest.“

      „Das soll er mir selber verklaren!“

      Anklagend verdrehte der Kutscher die Augen.

      „Hätte ich nur eine Prise Pfeffer hier …“

      „Wozu?“

      „Ich würde sie dir in den Hintern blasen, Mister Profos. Das muntert auf.“

      Edwin Carberry packte blitzschnell zu. Seine schwielige Pranke verfehlte den Kutscher jedoch um Haaresbreite, weil der genau das vorausgeahnt hatte.

      Die herrschende Schwüle drückte den Männern aufs Gemüt und ließ manchen überreizt reagieren.

      Bevor zwischen dem Profos und dem Koch ein offener Streit ausbrechen konnte, fragte der Seewolf: „Hast du die Geschenke für den Padischah bereit?“

      Ein anzügliches Grinsen huschte über Carberrys Narbengesicht. Suchend ließ er den Blick über die versammelte Mannschaft schweifen.

      „Old Donegal muß mir noch zur Hand gehen“, sagte er.

      Hasard tat den Einwand mit einer lässigen Bewegung ab.

      „Erzähl mir nicht, daß dich die Kräfte verlassen, Ed. Eher fallen wohl Weihnachten und Pfingsten zusammen.“

      Alles Murmeln und Raunen ringsum verstummte. Die Männer ahnten, daß der Profos irgendeine Anzüglichkeit bereit hatte. Sie kannten ihn, der vor nichts und niemandem Respekt hatte, außer natürlich vor Toten und Särgen, und sie kannten Old O’Flynn, Hasards kauzigen Schwiegervater.

      Herausfordernd schob der Profos sein Rammkinn vor.

      „He, Old Donegal!“ rief er. „Du mußt Schleifchen binden!“

      Das schlagartig losbrechende Gelächter erschütterte die Planken. Einige aus der Crew lachten, daß ihnen die Tränen über die Wangen kullerten.

      Nur Old Donegal O’Flynn stand stocksteif da und starrte über den Fluß. Der Profos und die schadenfrohe Bande waren schlichtweg Luft für ihn.

      „Alles Banausen“, murmelte er im Selbstgespräch. „Die können es nicht verknusen, wenn einer mehr Gefühl für Schönheit aufbringt.“

      Luke Morgan rang nach Atem. Zwischen zwei vergeblichen Versuchen, sein bebendes Zwerchfell zu beruhigen, sagte er ächzend: „Old Donegal wird die Geschenke für den Padischah bestimmt nicht mit Schleifchen verzieren, das tut er nur, wenn er dafür viele Küßchen empfängt.“

      „Klitzekleine oder riesengroße?“ japste Piet Straaten.

      „Laß mich ausreden!“

      „Ist doch ohnehin klar, was du sagen willst, Luke.“ Big Old Shane, der graubärtige Riese, mischte sich ebenfalls ein. „Die Fischvergiftung und sein Scheintod haben Donegal irgendwie – na ja, verdreht. Wenn seine Mary Snugglemouse wüßte, daß er jetzt nicht mehr auf Küßchen der königlichen Lissy aus ist, sondern vom Padischah …“

      „Old Donegal braucht eben Abwechslung“, sagte Sam Roskill grinsend.

      „Ha-ha-ha!“ Der Alte äffte ihn nach. „Ist vielleicht einer von euch Klugscheißern schon auf den Gedanken verfallen, der Padischah könnte einen Harem voll hübscher, liebreizender weiblicher Wesen haben? Die Gastfreundschaft gebietet es, daß er seinem Lieblingsgast gewisse Vorrechte …“

      „Hör auf!“ stöhnte Stenmark.

      „Neidisch, wie?“ Old Donegal grinste den Schweden herausfordernd an. Er schenkte überhaupt jedem ein überlegenes Lächeln. „Köpfchen muß man haben, dann ergibt sich alles andere ganz von selbst.“

      Das mit dem Schleifchen lag einige Monate zurück. Old Donegal hatte damals ziemlich unbedacht den Wunsch geäußert, wenigstens eine der spanischen Schatzgaleonen als Geschenk für die Königin mit einem in schmale Bahnen geschnittenen Segel zu verzieren.

      Die Crew hatte ihm daraufhin ein Schiffsmodell mit aufgebauschter Schleife in die Koje gelegt, dazu einen Zettel mit folgendem Text: Ein Schatzschiff für die Königin. Liebevoll eingepackt von Old Donegal Daniel O’Flynn, einem treuen Untertan. In der Hoffnung auf viele klitzekleine Küßchen.

      „Dan!“ rief der Profos, der mittlerweile die Arme seitlich auf dem Lukenrand abstützte. „Wußtest du, daß dein Vater abmustern will, um den Rest seines Lebens in einem Harem zu beschließen?“

      „Quatsch.“ Der Alte brauste auf, ehe Dan O’Flynn antworten konnte. „Zwei oder drei Tage sind doch keine Ewigkeit.“

      „Für gewisse Dinge schon“, entgegnete der Profos.

      „So

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