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Die Familiensaga der Pfäfflings. Agnes Sapper
Читать онлайн.Название Die Familiensaga der Pfäfflings
Год выпуска 0
isbn 9783955016395
Автор произведения Agnes Sapper
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
In solchem Familienkreis geht es lebhaft zu und die Hausfrau findet oft kaum Zeit zum Essen, bis sie den Kindern vorgelegt hat, und es ist ein Glück, wenn für sie noch etwas auf der Platte bleibt, nachdem alle Teller voll sind. Sie sah auch ein wenig mager aus, die gute Frau Pfäffling, aber ihr Mann war auch nicht dicker, ebenso waren die drei Jungen lang aufgeschossen, die Zwillingsschwestern schmal und das jüngste, das Elschen, gar ein zartes Geschöpf. Nur der Frieder war rundlich und hatte frische rote Backen. Das Essen ging rasch vorüber, übrig blieb nichts, und es waren alle so gerade zur Not satt geworden. Vater Pfäffling nahm gleich wieder seine Karte vom Fichtelgebirge vor, breitete sie aus, und so viel Köpfe darüber Platz hatten, so viele steckten sich zusammen, um des Vaters Finger zu folgen, der den geplanten Reiseweg bezeichnete.
Es gibt nichts Schöneres, als so im Geist zu reisen: da geht alles so leicht und glatt, ohne Hindernis; und doch können auch die Reisen im Geist jäh unterbrochen werden – es klopfte jemand an der Türe, alle Köpfe hoben sich, der Hausherr trat ein.
Ein paar Reden wurden gewechselt über das Wetter und die bald beginnenden Ferien, und dann, ja dann kam es eben heraus, dass der Hausherr leider die Wohnung kündigen, und dass die Familie Pfäffling ausziehen müsse. Ein Verwandter wollte die Wohnung mieten und fast doppelt so viel Miete zahlen wie Herr Pfäffling, der ja die Wohnung halb umsonst gehabt habe; der Verwandte habe auch nur ein Kind, und da kämen nicht so fatale Sachen vor wie z. B. gestern, wo die jungen Pfäfflinge durch den Hof gesprungen seien und die Stangen umgestoßen hätten,
die das Waschseil hielten, so dass die frischgewaschene Wäsche auf den Hof gefallen sei und die Hausfrau alles noch einmal habe waschen müssen.
»So etwas habt ihr getan, Kinder?« rief Vater Pfäffling und wandte sich nach den Angeschuldigten um; aber merkwürdigerweise standen bloß noch die Mädchen da, die Knaben hatten sich einer nach dem andern beim Erscheinen des Hausherrn hinausgedrückt. Doch nicht alle, Frieder, der kleine Dicke, stand noch beim Vater.
»Glauben Sie nicht, dass ich solche Unarten unbestraft lasse,« sagte Herr Pfäffling zum Hausherrn. »Sie dürfen ja nur klagen, dann werden die Jungen bestraft. Kommt nur gleich her, ihr Schlingel,« rief der Vater und faßte den Kleinen, der ihm zunächst stand. »Wo sind denn aber die andern, sie waren doch eben noch da? Wegen dir allein ist mir's gar nicht der Mühe wert anzufangen, schnell hole deine Brüder.« Der Frieder ging und rief mit weinerlichem Stimmchen die Brüder; von denen war aber nichts zu sehen und nichts zu hören, er kam zurück und sagte: »Sie sind alle fort.«
Da lachte der Hausherr und sagte: »Die sind nicht so dumm wie du, spring nur auch davon, du brauchst nicht für die andern die Schläge zu kriegen, du bist ja gar nicht einmal dabei gewesen.« Und dann wandte der Hausherr sich zu Herrn Pfäffling: »Es ist nicht nur wegen der Kinder,« sagte er, »die sind ja gut in Zucht, aber ich kann's meinen Verwandten nicht abschlagen, dass sie zu mir ins Haus ziehen.«
Der Hausherr ging, die Eltern sahen sich bestürzt an. So billig, wie sie hier seit zehn Jahren gewohnt hatten, würden sie jetzt nirgends unterkommen, und schon der Auszug kostet Geld. Herr Pfäffling ging mit langen Schritten hin und her und schalt bald über die Kinder, bald über den Hausherrn. »Wäre ich nur schon fort gewesen,« rief er endlich, »hätte ich nur meine Reise schon in Sicherheit gebracht, jetzt wird nichts mehr daraus, oder meinst du, es ginge doch?« fragte er, hielt mit seinem raschen Gang inne vor seiner Frau, die ganz betroffen am Tisch stand und in Gedanken verloren auf die Karte niedersah.
»Meinst du, es reicht vielleicht doch zur Reise?« wiederholte Herr Pfäffling. Sie sah ihn traurig an: »Wenn's nur zum Leben reicht,« sagte sie, »wer weiß, wieviel Miete wir künftig zahlen müssen!« Da ging er wieder auf und ab, der Ärger wich und die Sorge kam; immer langsamer und nachdenklicher wanderte er durch das Zimmer, und als er wieder am Tisch vorbeikam, faltete er sorgfältig die Karte vom Fichtelgebirge, reichte sie einem der Kinder und sagte traurig: »Tragt sie nur wieder in die Buchhandlung zurück und sagt, der Vater brauche keine Reisekarte.«
*
»An Wohnungen fehlt's wenigstens nicht,« sagte Herr Pfäffling, als er am nächsten Tag den Anzeiger mit heimbrachte, in dem ganze Reihen Wohnungen zur Miete angeboten waren. Und er machte sich auf den Weg, um solche anzusehen, die ihm passend erschienen. In der Langenstraße waren zwei ausgeschrieben. Die erste war zu teuer, die zweite noch viel teurer. Unser Musiklehrer erschrak ordentlich. »Wenn ich so viel Miete zahlen müsste, dann bliebe uns kein Geld mehr übrig fürs tägliche Brot,« sagte er und wanderte weiter hinaus, der Vorstadt zu, eine endlose Straße entlang, bis er Nr. 80 erreicht hatte, wo eine Wohnung frei war. Ja, da war es nicht mehr so schrecklich teuer, da konnte man sich doch auf Unterhandlung einlassen. Der Hausherr führte ihn durch die Zimmer. Ein wenig klein waren diese. Herr Pfäffling stellte im Geist die Bettstellen und sprach so halblaut vor sich hin: »Hier mein Bett und das von meiner Frau, hier Karl, Wilhelm und Otto, hier Marianne, da Frieder –«
»Ja, erlauben Sie einmal,« unterbrach ihn jetzt der Hausherr, »wieviel haben Sie eigentlich Kinder?«
»Wir haben sieben.«
»Sieben! Bei sieben tut's mir leid, dass ich Ihnen sagen muss, sieben nehme ich nicht in meine Wohnung. Ich habe meist so Parteien mit einem Kind, auch zwei und drei lasse ich mir gefallen, aber vier sind mir schon zuviel, und gar sieben, nein, da ist mir's doch zu leid um meine neuen Fußböden, lieber lasse ich die Wohnung leerstehen.« »So,« entgegnete Herr Pfäffling, »dann will ich auch nicht länger auf Ihren kostbaren Fußböden herumtreten,« und ärgerlich verließ er das Haus.
Nun hinaus in die Sonnenstraße, dort gibt es auch einfache Häuser. Ein großer, weißer Zettel am Fenster des dritten Stocks zeigte schon von weitem, dass hier etwas zu hoffen war. Der Werkmeister Scholl war der Besitzer. Er stand unter der Haustüre und zeigte bereitwillig die Wohnung. Diesmal überlegte Pfäffling nur ganz in der Stille, wie sich die Betten stellen ließen. Von seinen sieben Kindern ließ er nichts verlauten. Die Wohnung gefiel ihm, der Preis war nicht zu hoch, jetzt nur gleich fest mieten. Dem Werkmeister war es auch recht, er holte einen Mietvertrag zum Unterschreiben, und während er Tinte und Feder bereitlegte, fragte er nach dem Namen seines Mieters.
»Pfäffling.«
»Und der Stand, wenn ich bitten darf, der Beruf?«
»Musiklehrer.«
»So, das ist freilich sozusagen ein lebhafter Beruf.«
»Stört in unserem Fall nicht viel,« sagte Herr Pfäffling, »ich gebe viel Unterricht außer Haus.«
»Das ist gut, denn ich muss Ihnen gleich sagen, im untern Stock wohnt eine Dame, eine feine Dame, die leidet an Kopfweh und braucht Ruhe. Aber wenn die Stunden alle außer Haus sind, ist's schon gut.«
»Alle habe ich nicht gesagt, aber die meisten.«
»Und Ihre eigene Familie ist doch nicht etwa sehr groß?«
»Sehr groß?« sagte Pfäffling, »was heißt das, es gibt noch viel größere, und übrigens kommt alles darauf an, ob Kinder streng gehalten werden; die meinigen dürfen keinen Unfug treiben. Schreiben wir nur den Vertrag, ich habe nicht viel Zeit.«
Aber der Hausherr war hartnäckig. »Wissen möchte ich doch, wieviel Personen ins Haus kommen und was für welche,« sagte er, »wieviel Kinder, bitte? Sind's Knaben oder Mädchen?« Nun half nichts mehr. Herr Pfäffling musste bekennen: »Vier Buben sind's und dann noch so ein paar kleine Mädels, die merkt man nicht viel.«
Der Werkmeister legte die Feder wieder weg. »Es geht nicht,« sagte er, »es ist unmöglich, Musikstunden sind schon schlimm, dazu aber noch ein halbes Dutzend Kinder, nein, was zuviel ist, ist zu viel!«
»Aber Mensch,« rief Pfäffling außer sich, »wir müssen