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tat immer noch so weh, sein Gesicht zu sehen. Verena schluckte. Währenddessen blätterte Lilo hektisch weiter, und endlich fand sie das Gesuchte.

      »Sieh nur Verena! Hier steht es schwarz auf weiß. Deine Ausstellung! Ich freue mich so!« Doch die alte Dame wusste nur zu gut, dass ihre Worte keinen Trost brachten. Das arme Mädel!

      In diesem Augenblick erlöste sie das Läuten des Telefons aus ihrer Hilflosigkeit. Gleich darauf betrat Anna den Salon.

      »Es ist für dich, Verena. Ein Anrufer aus Deutschland.« Als Verena nach draußen ging, tauschten Anna und Lilo einen fragenden Blick. Ganz leise setzten sie sich an den Wohnzimmertisch, und dann taten sie so, als würden sie Zeitung lesen. In Wirklichkeit konzentrierten sie sich natürlich darauf, zu verstehen, was draußen geredet wurde.

      »Verena! Ich vermisse dich!«, sagte eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung.

      »Bernd! Wie kommst du zu meiner Nummer?«

      »Ich habe deine Oma gelöchert! Wenn ich etwas will, dann kriege ich das auch, das solltest du doch wissen.« Er lachte selbstgefällig.

      »Warum rufst du an, Bernd?«

      »Ich … ich will dich wiederhaben, Verena. Ich weiß jetzt, dass ich ohne dich nicht sein kann. Bitte verzeih mir noch einmal. Bitte, bitte, komm zu mir zurück!«

      Verena atmete tief durch. Das war nun wirklich das Letzte, was sie erwartet hatte. Und das Letzte, was sie momentan brauchen konnte. Ein weiterer Mann, der sie verwirrte! Noch vor wenigen Wochen wäre sie selig vor Glück sofort nach Hamburg geflogen – nein, sie wäre zu Fuß gelaufen. Aber heute war alles anders. Heute wollte sie von Männern nichts mehr wissen. Sie alle hatten sie nur enttäuscht.

      »Ich weiß nicht, Bernd«, sagte Verena. »Ich weiß wirklich nicht.«

      »Was gibt es da zu überlegen, Verena? Wir zwei gehören zusammen. Das wissen wir doch schon seit langem. Niemand kennt mich so gut wie du. Und niemand ist ohne Fehler. Vielleicht habe ich nur die Erfahrung mit einer anderen Frau gebraucht, um zu erkennen, dass du es bist, die ich will. Für immer.«

      Nein, Bernd hatte noch nie einen Widerspruch geduldet. Er hatte auch immer, sein Leben lang, bekommen, was er wollte. Verena spürte Widerwillen in sich aufsteigen. Doch andererseits fühlte sie immer noch einen Stich in ihrem Herzen, wenn sie an Bernd dachte. Ja, er hatte recht. Sie kannte ihn wirklich wie keine andere. Er kannte sie genauso gut. Und sie hatten es wirklich lange miteinander ausgehalten. Sollte man so etwas aufgeben?

      »Hör zu, Bernd. Ich muss nachdenken. Du hast mich betrogen, und das hat mich sehr verletzt. Und ich habe momentan den Kopf zu voll. Nächste Woche findet meine erste Ausstellung statt, in einer Innenstadtgalerie, und ich kann mich jetzt um nichts Anderes kümmern. Bitte gib mir Zeit. Ich werde dir danach sagen, was ich empfinde. Das verspreche ich dir.«

      »Oh, das ist wunderbar, Verena. Eine eigene Ausstellung! Ich bin so stolz auf dich. Ich habe immer gewusst, dass du es schaffen wirst. Schick mir doch eine Einladung! Und das Andere: Bitte lass mich nicht zu lange zappeln. Ich brauche dich so sehr. Und Mutter hat auch schon nach dir gefragt. Sie lässt dich grüßen! Wir alle vermissen dich, wir alle brauchen dich, Verena. Und ich, ich liebe dich!«

      Verena legte den Hörer auf und wusste nicht, was sie denken sollte. Hätte er nicht wieder von seiner Mutter angefangen … Womöglich hätte sie jetzt auf ihren großen Tag verzichtet und wäre gleich nach Hause gefahren. Nun aber schrillte in ihrem Hinterkopf eine Warnglocke. Nein, sie wollte es genauso machen, wie sie gesagt hatte. Sie kannte sich in ihrem Herzen ja wirklich selbst nicht mehr aus. Zuerst also die Vernissage, dann die Liebesgeschichten. So viel Zeit musste einfach sein.

      *

      Das Wohnhaus der Familie von Bäumler befand sich in einer kleinen Seitengasse neben dem Stephansdom. Von außen unterschied sich das Palais nur unmerklich von den Nachbarhäusern. Wie diese, handelte es sich um ein altehrwürdiges Innenstadthaus mit einer geschmackvollen Fassade. Nur ein kleines goldenes Schild neben dem Eingang zeugte von seiner historischen Bedeutung.

      Im Erdgeschoss befanden sich die Nutzräume: die Küche, die Speisekammer und das Bügelzimmer. Über eine geschwungene Treppe gelangte man in den ersten Stock, den die Familie zum Wohnen, aber auch zu Repräsentationszwecken benutzte. Im zweiten Stock befand sich das Büro der Hoftischlerei Bäumler, und ganz oben, in einer netten Einzimmerwohnung mit Dachgarten, hatte sich der Juniorchef einquartiert.

      Heute Abend war ein Essen im kleinen Familienkreis angesagt. Leider hatten sich die beiden jungen Damen, Gabriela und Sonja, entschuldigt. Die eine, weils sie sich mit einer alten Freundin aus ihren amerikanischen Studententagen traf, die andere, weil sie in einem kleinen Kellertheater auf der Bühne stand.

      Nur der Hausherr, Graf Carl, seine Frau Gerlinde, Markus und dessen Patenonkel Theo saßen um den Tisch. Theo Swoboda ließ einen gefälligen Blick über die Ansammlung von Antiquitäten gleiten. Man sah der Einrichtung ihren Wert nicht gleich an, aber hier waren tatsächlich Kunstwerke versammelt! Die Möbel stammten freilich aus der eigenen Produktion, aber auch das Geschirr und das Glas trugen ehrwürdige Namen. Die Kerzenhalte, die den Tisch in flackerndes Licht tauchten, waren aus schwerem Silber und ein persönliches Geschenk des letzten Kaisers.

      Theo hob sein Glas und prostete dem jungen Mann zu.

      »Jetzt bist du also verlobt. So, so. Da muss ich dir wohl gratulieren, Junge! Schade, dass die Braut nicht hier ist. Ich hätte sie gerne geküsst!«

      »Ja, wir sind alle sehr glücklich!«, antwortete Gräfin Gerlinde stellvertretend für ihren Sohn und lächelte stolz. Graf Markus selbst sah etwas verlegen drein. »Na ja, Onkel Theo, Sonja und ich, wir kennen uns schon so lange, da ist es keine große Sache.«

      »Das Heiraten ist immer eine große Sache, Markus!«, sagte der alte Mann und betrachtete sein Gegenüber kritisch. »Ich hoffe, du hast dir das gut überlegt!«

      »Das ist nicht nur eine Liebesgeschichte, Theo«, warf Graf Carl ein. »Hier geht es auch um unser Unternehmen. Um unseren Namen, um unseren Ruf, um unsere Position in der Gesellschaft.«

      »Also ums Geld, habe ich recht?« Theo lachte schallend.

      Markus wurde das Gefühl nicht los, dass der Onkel mit seiner Entscheidung nicht einverstanden war.

      »Vergiss nicht, Markus, das Heiraten ist eine Sache fürs Leben!«

      »Wie könnte ich das vergessen?«, fragte der junge Graf zerknirscht und starrte in sein Glas.

      »Ach lass ihn, Theo, er ist zurzeit etwas durcheinander«, rief Graf Carl und klopfte seinem Sohn freundschaftlich auf die Schulter. »Markus hat ja auch einen großen geschäftlichen Erfolg zu verbuchen, weißt du?« Er erzählte dem Galeristen von dem großen Auftrag, den Markus mit dem Emir von Fudschaira abgeschlossen hatte.

      Theo gratulierte aufrichtig. »Ich wusste, dass du es drauf hast, Markus. Aber was bedeutet dieser Auftrag konkret?«

      »Wir werden …«, begann Graf Carl, doch Markus fiel ihm ins Wort:

      »Ich werde die Planung und das Design übernehmen. Die geschäftlichen Belange überlasse ich Vater.«

      Graf Carl bedachte seinen Sohn mit einem fragenden Blick. Offensichtlich war er mit dieser Rollenverteilung nicht ganz einverstanden. Theo beschloss, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, und wechselte das Thema.

      »Ich habe auch etwas zu berichten«, sagte er nun und lächelte in die Runde. »Ich habe eine wunderbare Künstlerin entdeckt und stelle ihre Bilder aus. Nächste Woche findet die Vernissage statt!«

      »Erzähl!«, rief Gräfin Gerlinde aufgeregt. Sie liebte Vernissagen und hatte ein ehrliches Interesse an der Kunst. Graf Carl hingegen nutzte den Erwerb von Kunstwerken vor allem als Investitionsmöglichkeit. Vielversprechende junge Talente weckten daher immer seine Aufmerksamkeit.

      Er schaute interessiert hoch. »Eine junge Malerin?«

      »Ja. Verena Königshofer.« Als er Verenas Namen nannte, beobachtete Theo seinen Neffen genau. Und richtig: der Junge schluckte den

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