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      »Ja, Herr Sommer hat einen Zeugen«, warf Dr. Norden da schnell ein. »Wir zwei kennen uns ja schon. Der Junge heißt Achim Rogner«, wandte er sich an den Architekten, und dabei blinzelte er ihm zu.

      »Großer Gott!« entfuhr es dem, doch da kam Frau

      Rogner schon aus dem Haus. Eine nette, rundliche Frau.

      »Was hast du schon wieder angestellt, Achim?« stöhnte sie, aber dann erkannte sie Helmut Sommer. »Du liebe Güte, auch das noch. Na, diesmal kannst du was vom Papa erleben. Das ist nämlich unser Architekt.«

      Nun wurde Achim doch bedeutend kleiner. Ja, er schrumpfte richtig zusammen.

      Bebend vor Erregung entschuldigte sich Frau Rogner bei Herrn Sommer. Dann stellte sich Daniel vor.

      »Leider haben wir auch schon mal Bekanntschaft mit Ihrem Sohn gemacht«, sagte er ruhig. »Aber anscheinend kann er die Raserei nicht lassen, obwohl wir nur von einer Anzeige abgesehen haben, weil er uns versprochen hat, in Zukunft besser aufzupassen.«

      »Jetzt kommt das Rad weg«, sagte Frau Rogner. »Ich war gleich dagegen, daß er wieder eins bekommt, nachdem er schon mal so böse gestürzt ist. Mein Mann ist leider nicht zu Hause, aber er wird mit Ihnen sprechen, Herr Sommer. Versichert sind wir ja«, fügte sie verlegen hinzu. »Es tut mir schrecklich leid. Willst du dich nicht wenigstens entschuldigen, Achim?«

      »Wenn die Versicherung sowieso zahlt«, bemerkte der Junge aufsässig. »Der soll bloß zuschauen, daß er das Haus fertig kriegt, sonst wird Papa narrisch.«

      »Das wird sich nun wohl noch mehr verzögern«, sagte Dr. Norden ruhig. »Die Verletzung ist ziemlich schlimm. Aber deinen Vater wird es sicherlich nicht freuen, daß du daran schuld bist. Kommen Sie, Herr Sommer, Sie brauchen jetzt Ruhe.«

      »Sie haben den Jungen nicht gekannt?« fragte Dr. Norden, als sie weiterfuhren.

      »Nur die beiden Töchter«, erwiderte Helmut Sommer, »aber die sind recht nett. Sie haben geahnt, daß es der Rogner-Bub war?«

      »Nach der Beschreibung, die Sie gegeben haben.

      Als meine Frau mal mit unseren Kindern spazierenging, hat er fast unseren Danny überfahren. Dabei ist er aber über den Bordstein gefallen, und meine Frau hat ihn gepackt. Da hat er keine Lippe riskiert. Es kamen allerdings auch andere Leute des Weges, die ihn kannten. Frau Rogner scheint ihre Sorgen mit ihm zu haben.«

      »Ich muß Ihnen sehr dankbar sein. Nun wird vielleicht Herr Rogner doch mit sich reden lassen. Vielleicht ist es Glück im Unglück.«

      »Das hoffe ich auch«, sagte Daniel Norden mit einem Schmunzeln.

      Dann aber mußte er erleben, wie schrecklich sich Andrea Sommer aufregte. Schluchzend fiel sie ihrem Mann um den Hals. Völlig aufgelöst war sie, und im siebenten Monat der Schwangerschaft konnte das recht bedenklich werden, wenn sie ohnehin labil war.

      »Nur keine Aufregung«, mischte sich Dr. Norden ein. »Es kommt alles wieder in Ordnung.«

      Erst in diesem Moment kam Helmut Sommer dazu, Andrea mit Dr. Norden bekannt zu machen. Sie wurde etwas ruhiger.

      »Ich bin Ihnen ja so dankbar, Herr Doktor«, sagte sie. »Es ist wahnsinnig lieb von Ihnen, daß Sie meinen Mann heimgebracht haben. Sie können sich ja nicht vorstellen, wie ich mich jeden Tag ängstige, wenn er auf den Baustellen ist.«

      »Sie müssen jetzt aber an sich und Ihr Baby denken, Frau Sommer«, sagte der Arzt.

      »Ich habe dem Doktor auch gesagt, daß Dr. Kobelka nicht gerade beruhigend auf dich einwirkt, Andrea«, erklärte Helmut Sommer. »Ich mache mir genau solche Sorgen um dich wie du um mich. Ich möchte einen Arzt haben, der sich wirklich um dich kümmert und dich nicht mit läppischen Erklärungen abspeist.«

      »Sprechen Sie mit Ihrer Frau darüber bitte in aller Ruhe«, sagte Dr. Norden. »Sind schon Ultraschalluntersuchungen bei Ihnen vorgenommen worden, Frau Sommer?«

      Andrea sah ihn verwirrt an. Merkte er, daß sie davon noch nicht einmal wußte?

      »Man kann nämlich schon vor der Geburt feststellen, wie groß und schwer das Baby etwa sein wird«, erklärte er freundlich, »und man kann auch feststellen, welche Lage es hat und ob möglicherweise mit Komplikationen gerechnet werden muß. Deshalb kann man vorbeugen und zur rechten Zeit eingreifen. In der Leitner-Klinik wird das jedenfalls so gehandhabt. Aber die Entscheidung müssen Sie selber treffen, ob Sie nicht den Arzt wechseln wollen.«

      »Kennen Sie denn Dr. Kobelka?« fragte Andrea.

      »Wie man sich so kennt. Ich muß jetzt weiter. Sprechen Sie mal in aller Ruhe mit Ihrem Mann. Sie schauen bitte übermorgen bei mir vorbei, Herr Sommer.«

      »Ich bin froh, daß ich an Sie geraten bin, Herr Doktor. Sie haben mir ja in mehrfacher Hinsicht geholfen.«

      *

      »Wieso in mehrfacher Hinsicht?« fragte Andrea, und nun blieb ihrem Mann nichts anderes übrig, als ihr die ganze Geschichte zu schildern.

      »So stellt man sich halt einen richtigen Arzt vor«, sagte er. »Nicht so einen, der sich gerade zwei Minuten Zeit nimmt und nur fragt: ›Na, wie geht es denn, Frau Sommer? Angstzustände haben Sie, aber das ist ja begreiflich nach der Geschichte mit Ihrer Schwester. Das nennt man Schwangerschaftspsychose. Davon müssen Sie sich halt befreien. Warum sollen ausgerechnet Sie Pech haben!‹«

      »So sagt er es nun auch wieder nicht«, meinte Andrea. »Ich mag nicht zu einem jungen Arzt gehen, das weißt du.«

      »Gut, das weiß ich. Ich zwinge dich auch nicht. Gar so jung ist Dr. Leitner auch nicht mehr, und seine Klinik hat einen guten Ruf. Einen besseren jedenfalls als das Entbindungsheim. Sie ist ganz modern eingerichtet, und das finde ich wichtig. Sonjas Kind würde auch leben, wenn es nicht erst eine halbe Stunde zu einer anderen Klinik hätte gebracht werden müssen.«

      »Ja, vielleicht würde es noch leben«, sagte Andrea leise. »Aber ich kann nichts dafür, daß ich solche Angst habe, Helmut. Ich kann wirklich nichts dafür. Du siehst ja, was passieren kann.«

      »Ich lebe, mein Liebes. Und Herr Rogner wird mich nicht mehr tyrannisieren können. Dann beschuldige ich seinen Augapfel, diesen unverschämten kleinen Burschen. Ich bin wirklich nicht intolerant, aber die Haut ist einem schließlich näher als das Hemd.«

      Wenig später läutete das Telefon. Es war Herr Rogner. Seine Stimme klang sehr gemäßigt, um nicht zu sagen kleinlaut. Er hätte von seiner Frau erfahren, was geschehen sei, und man könnte darüber doch wohl in aller Ruhe sprechen und sich wohl auch einigen.

      »Sie können gern zu mir kommen«, sagte Helmut Sommer. »Dr. Norden hat mir für die nächsten Tage Ruhe verordnet.«

      Andrea staunte. »Du kannst aber energisch sein«, sagte sie.

      »Man braucht ja nicht alles zu schlucken«, erwiderte Helmut Sommer. »Dr. Norden ist nicht nur ein guter Arzt, sondern auch ein guter Psychologe. Er weiß, wie er helfen kann. Diese Sache hat etwas sehr Positives für mich, Andrea.«

      »Die schlimme Hand finde ich nicht positiv«, sagte sie.

      »Dr. Norden hat sie bestens behandelt, aber was noch wichtiger ist, Andrea, er versteht es, das Übel bei der Wurzel zu packen. Ein solcher Arzt hat uns gefehlt. Mir geht so langsam ein Licht auf.«

      »Worüber?« fragte sie beklommen.

      »Du bist zuviel mit Sonja zusammen. Sie heult dir dauernd etwas vor. Du denkst ständig daran, daß ihr Kind nicht am Leben geblieben ist.«

      »Sie tut mir doch leid, Helmut«, flüsterte Andrea.

      »Mir tut sie auch leid, aber wenn sie dir nicht ewig in den Ohren liegen würde, könntest du dich auf unser Kind freuen. Ich freue mich jedenfalls darauf, und ich hätte nicht gedacht, daß die Schwangerschaft zu einer Leidenszeit für uns beide werden würde.«

      »Für uns beide?« fragte sie bestürzt.

      »Meinst du, ich leide

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