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Gemeinsam öffneten wir dann die Truhe und konnten uns kaum am Inhalt sattsehen. Wir beschlossen, den Schatz gleich am Morgen zu teilen. Dann wollte jeder von uns seiner Wege gehen, während Vaters ausgeweideter Leichnam in seinem Bett erkaltete.«

      Alberichs Zeigefinger hatte sich in einer enger werdenden Spirale Rians Brustwarze angenähert und umkreiste sie nun. Die Gänsehaut, welche die Berührung bei ihr hervorrief, mischte sich mit dem Schauder über seine Erzählung.

      »Doch – welche Überraschung! – am nächsten Morgen waren weder Fafnir noch der Schatz in unserem Haus zu finden. Zurückgeblieben waren Vaters Leiche in ihrem Blut, ich in meiner Wut, und der Junge, in all seiner Unschuld und Ahnungslosigkeit.«

      Rian drehte leicht den Kopf. »Ein Junge?«

      Alberich nickte. »Ein wahres Goldstück, ein Schatz für sich. Ich hatte ihn aus einem von uns niedergebrannten Dorf in Xanthen mitgenommen, in dem ansonsten nichts und niemand überlebt hatte. Dieser kleine Junge, der da plötzlich verwirrt und rußbeschmiert die Dorfstraße entlang stolperte, seine blonden Locken, seine hellen klaren Augen, und dieser Blick voller Unschuld – kein Elf hätte diesem Schmuckstück widerstehen können. Und ich am Allerwenigsten, denn ich hatte meinen Wünschen und Gelüsten niemals Beschränkungen auferlegt. Was ich nicht mit schönen Worten gewann, nahm ich mir damals mit dem Schwert.«

      Er lächelte leicht auf Rian hinunter, und sie zog die Augenbrauen hoch. »Heutzutage haben sich meine Manieren in dieser Hinsicht deutlich gebessert, möchte ich versichern.«

      Wieder schwang dieser Hauch von Gelächter in seiner Stimme mit, doch Rian achtete nicht darauf.

      »Sigurd hieß der Knirps, der damals vielleicht zwei oder drei Jahre alt war. Du kennst ihn wohl besser unter dem Namen Siegfried. Er erinnerte sich später nicht mehr daran, wie wir ihn gefunden hatten, nur das Bild des Feuers begleitete ihn gelegentlich in seine Träume. Ich erklärte ihm, das sei die Waberlohe, innerhalb derer er gezeugt worden sei, und machte ihn glauben, seine Mutter sei ein hohes Wesen aus unserer Welt gewesen, und sein Vater ein berühmter Held. Das ließ ihn sich nicht so fremd fühlen.

      Manchmal frage ich mich, ob nicht ein Quäntchen Wahrheit darin steckte. Mit dem Alter entwickelte er eine solche Schönheit und ein so ausgeprägtes Geschick in allem, was ich ihn lehrte, dass ich heute noch manchmal vermute, ob er nicht ein Halbblut oder ein Wechselbalg war.«

      Alberich zuckte leicht die Schultern, und die Bewegung ließ seinen Fingernagel über den Stoff kratzen, der sich über Rians Brustwarze spannte. Sie zuckte unter der Berührung zusammen und sog leicht den Atem ein, doch Alberich schien zu sehr in seinen Erinnerungen versunken, um es zu bemerken.

      »Als Fafnir mich betrog, war Siegfried gerade mal alt genug, um aufrecht gehen zu können. Während ich all meine Beziehungen spielen ließ, um herauszufinden, wohin mein Bruder sich verkrochen hatte, formte ich meinen blondlockigen Jüngling zu einem Werkzeug meiner Rache. Ich lehrte ihn die Kampfkünste und das Schmieden. Ich tat alles, um ihn in Dankbarkeit und Liebe an mich zu binden.

      Schließlich fand ich heraus, dass Fafnir nichts Besseres eingefallen war, als sich in eine Höhle in einem der entlegensten Gebirge zurückzuziehen. Dort hütete er seinen gestohlenen Schatz Tag und Nacht. Ich überzeugte Siegfried, dass der Tod eines Drachen durch seine Hand ein wichtiger Schritt für ihn wäre. Nach solch einer Tat würde er als ruhmreicher Held zu seinem eigenen Volk zurückkehren können und dort zu einem Herrscher unter seinesgleichen werden. Der Gedanke gefiel ihm. Er hatte keine Ahnung, dass der Drache niemand anderes als der Mann war, der ihn als Kind oft auf den Knien geschaukelt hatte.«

      Rian drehte den Kopf und biss leicht in Alberichs Schulter. Der Nibelunge blinzelte kurz, als erwache er aus einem Tagtraum, dann sah er zu ihr und hauchte mit einem leichten Lächeln einen Kuss in ihr Haar. Seine Finger hatten inzwischen zurück zu Rians Ausschnitt gefunden, und dieses Mal nahmen sie von dort aus den Weg unterhalb des Stoffes.

      »Siegfried erfüllte alle meine Erwartungen«, fuhr er in seiner Erzählung fort. »Mit seiner Unterstützung gelang es mir, das beste Schwert zu erschaffen, das jemals meine Schmiede verlassen hatte. Es war ein Schwert, das in jedem Aspekt – von der Wahl der Metalle über den Zeitpunkt des Schmiedens bis hin zur abschließenden Abkühlung im Blut eines noch lebenden Wesens – darauf ausgelegt war, einen Drachen zu töten. Und niemand wusste besser als ich, was dazu benötigt wurde. Alles, was ich nicht in das Schwert selbst binden konnte, lehrte ich Siegfried, und nach zwei Jahren harter Übung und Vorbereitung war es dann soweit. Siegfried zog mit dem Schwert Gram in der Hand aus, um den Drachen zu erschlagen, der mein verräterischer Bruder war.«

      Alberich leerte sein Glas und starrte dann nachdenklich hinein.

      »Ich erfuhr nie genau, was geschehen ist. Er erschlug Fafnir und schleppte seinen Kopf mit sich, zusätzlich zu dem Schatz, von dem er mir unter vielerlei Auflagen geschworen hatte, ihn zurückzubringen. Wir wollten das Gold teilen, und ich hätte mich ausnahmsweise daran gehalten, denn auch der halbe Schatz war ein Königreich wert. Aber es kam alles anders. Siegfried behauptete später, ein Vogel hätte ihm zugezwitschert, ich würde ihn um des Schatzes willen töten wollen. Vermutlich hat aber eher Fafnir vor seinem Tod ihm dieses Gift ins Herz geträufelt, wie man bei den Menschen so schön sagt.

      Jedenfalls kam Siegfried eines Abends mit dem Schatz und dem Drachenkopf zurück. Wir feierten bis tief in die Nacht mit reichlich Bier und Met den Sieg und sanken gemeinsam aufs Lager. Und am nächsten Morgen war ich tot. Ermordet mit der einzigen Waffe, mit der man mich ohne weiteres umbringen konnte, dem Schwert, das ich selbst für ihn geschmiedet hatte. Ironie des Schicksals.«

      Er beugte sich etwas vor und stellte vorsichtig das Glas auf dem Tisch ab. Als er sich wieder zurücklehnte, schlang er den zweiten Arm ebenfalls um Rian und zog sie enger an sich. Sie ließ es widerstandslos zu und schmiegte sich an ihn, genoss die Wärme seines Körpers an ihrem Rücken und die tastende Berührung seiner Hände. Sie spürte, wie er seine Wange in ihr Haar drückte, und es gefiel ihr, zu denken, dass er Halt bei ihr suchte gegen die Erinnerungen, die er nun durchlebte.

      »Der Tod war keine angenehme Erfahrung«, fuhr er leiser fort, »aber Zorn, Hass und pure Willenskraft halfen mir, ihn vergleichsweise schnell zu überwinden, was keinem anderen aus meiner Familie gelungen ist. Und das war gut so. Ich denke, eine glückliche Familie wären wir wohl niemals mehr geworden.«

      Er lachte leise, küsste erneut Rians Haar und legte dann sein Kinn auf ihrer Schulter ab. Ein Duft wie von glimmenden Tannennadeln streifte Rians Nase, und sie schmiegte mit geschlossenen Augen ihre Wange an seine.

      »Die eigentliche Frage hast du aber immer noch nicht beantwortet«, sagte sie. »Warum bist du, als du wieder lebtest, hiergeblieben und nicht nach Earrach zurückgekehrt? Und warum genau hier, in Worms?«

      »Ich hatte einen Schatz verloren, den ich entschlossen war, zurückzugewinnen«, antwortete Alberich. »Nach meinem Tod hatte Siegfried Schatz und Drachenkopf hierher geschleppt und sich damit genau das aufgebaut, was ich ihm prophezeit hatte. Dummerweise konnte er seine Finger nicht von den Frauen und seine neugierige Nase nicht aus den falschen Angelegenheiten lassen. Er fand etwas heraus, das ihm einen Mörder auf den Hals setzte.

      Sie mögen erzählen was sie wollen in ihren Sagen und Liedern – Hagen hat ihn nicht wegen der Ehre seiner Königin getötet. Hagen war ein Wächter und tat nichts anderes als das, wofür er verpflichtet worden war. Dummerweise hat er dadurch, dass er danach alle Habseligkeiten Siegfrieds beseitigte, auch mir enorm ins Handwerk gepfuscht. Man mag mir daher verzeihen, dass ich nicht unbedingt mit Zuneigung an ihn denke.

      Seit ich davon erfahren hatte, versuchte ich, herauszufinden, wo und wie er meinen Schatz verborgen hat. Darum blieb ich in Worms. Darum suche ich mit Schiffen seit Jahrhunderten den Rhein ab. Darum durchforste ich alle Archive und folge jeglichem Hinweis, den ich bekomme. Am Anfang war es wie ein Zwang. Ich hatte nicht Anteil am Tod meines Vaters und meines Bruders und dann meinen eigenen Tod durchlebt, um am Ende mit leeren Händen nach Earrach zurückzukehren. Das ließ mein Stolz nicht zu.

      Inzwischen ist es schon eher Gewohnheit, das einzige, was meinem Leben eine Art Sinn gibt. Und damit sind wir in der Gegenwart. Bald wird die Sache auf die eine

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