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aneinander. »Exakt. Der Mann, der die Weinkeller eures Vaters hütet, ist ein Meidling und somit ein sehr einsamer Mann. Er glaubt, seine Einsamkeit ertragen zu können, doch gelegentlich ist er durchaus zu einigem bereit, um sie vorübergehend zu verringern. Er weiß allerdings nicht, wo der Wein gelandet ist, den er abgezweigt und gegen etwas … Freundschaft … eingetauscht hat. Und da ihr nun selbst in den Genuss seiner Tat kommt, würde ich euch bitten, ihn bei eurer Rückkehr nicht zu verraten.«

      Rian fühlte sich, als habe sie ein Blitz getroffen. Wenn die Beziehungen Alberichs bis in das Baumschloss Fanmórs reichten, ohne dass dort jemals etwas über sein Überleben bekannt geworden war – wie viel weiter mochte sein Netz noch reichen, und wie dicht mochte es sein?

      Sie sah zu ihrem Bruder, der ihren Blick erwiderte. Seine Augen hatten sich verdunkelt. Fing er an, diese Verabredung zu bereuen? Aber wie es aussah, war Alberich genau der Mann, der ihnen weiterhelfen konnte! Gewiss, er war sehr gefährlich, aber das hatten sie auch vorher schon gewusst. Und sie beide waren Elfen und ebenfalls gefährlich – auf ihre Weise.

      Alberich lachte auf, griff nach der Speisekarte und schlug sie auf. »Macht euch nicht so viele Gedanken, Kinder. Es ist niemandem Schaden zugefügt worden, im Gegenteil. Und wer will es mir verübeln, wenn ich mir das Leben hier etwas angenehmer zu gestalten versuche? Lasst uns bestellen, wenn der Wein kommt.«

      Nachdem der Kellner sich mit den Karten zurückgezogen hatte, lehnte Rian sich vor, die Unterarme auf dem Tisch aufgestützt und die Hände gefaltet.

      »Also, Regin, oder Alberich, oder Reginald, oder wie auch immer du gern genannt werden willst«, sagte sie auf elfisch. »Meine Neugier ist ein für alle Mal geweckt. Wie kommt es, dass ein Elf, der hier wie dort für tot gilt, quicklebendig vor mir sitzt und Beziehungen aufzuweisen hat, die uns erblassen lassen?«

      Ihr Gegenüber lächelte leicht. »Nennt mich ruhig Alberich. Diesen Namen hat man damals in Earrach für mich übernommen, und ich habe mich daran gewöhnt, von unsereins so genannt zu werden.«

      Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, während er Rian musterte. Sie hielt seinem Blick ruhig stand. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass ihr Bruder sich auf seinem Stuhl ein wenig zur Seite gedreht hatte, um sie beide mit auf einem Arm aufgestützten Kopf zu beobachten.

      »Damit ihr versteht, was damals alles geschehen ist, muss ich ein wenig weiter ausholen«, begann Alberich. »Ich nehme an, ihr kennt zumindest in Teilen die Sagen und Geschichten, die sich allerorts um mein Leben ranken?«

      »Zuhause habe ich das eine oder andere über dich und deine Brüder gehört«, antwortete Rian. »Ich gebe aber zu, dass ich mich nie allzu sehr für das interessiert habe, was vor meiner Geburt geschehen ist.«

      »Ein Fehler, Prinzessin«, meinte Alberich und legte leicht den Kopf zur Seite. »Wir können sehr viel aus der Vergangenheit lernen, wenn wir sie genau studieren. Man kann Dinge wiederholen, die sich bereits als erfolgreich erwiesen haben, und die Fehler anderer vermeiden. Und unter Umständen kann man auch sehr viel Nützliches über Personen erfahren, mit denen man zu tun hat, wenn man mehr als nur ihre eigene unmittelbare Geschichte studiert. Jeder wird direkt oder indirekt von der Vergangenheit geprägt.«

      »Sicher. Aber für mich gab es bisher keine Notwendigkeit, mich damit zu beschäftigen.«

      »Bisher.« Alberich nickte leicht. »Die Dinge ändern sich in mancherlei Hinsicht, nicht wahr, Prinzessin? Vieles von dem, was man unvermeidlicherweise lernt, wenn man hier lebt, wird bald vielleicht auch dort wichtig, wo man bisher nicht viel darauf gab. Aber ich schweife ab.«

      Der Wein kam und wurde formvollendet eingeschenkt. Rian beobachtete eine Gasperle, die sich an der Wand ihres Glases gebildet und schließlich davon gelöst hatte. Nun stieg sie in einer trägen Spirale durch den nahezu glasklaren Wein auf und hinterließ dabei eine schwache, violett schimmernde Spur in der Flüssigkeit. Als sie schließlich an der Oberfläche zerplatzte, wirkte es, als würde ein kleines Feuerwerk aus leuchtenden bunten Funken gezündet, das sich mit denen der anderen Perlen vereinte, welche die Oberfläche erreichten.

      »Goldperle«, flüsterte sie. »Einer der Weine, die unser Vater einmal aus Campofiero, dem Wilden Land, mitgebracht hat.«

      David nickte und hob das Glas an seine Nase, um den Duft tief einzuatmen.

      Alberich nahm ebenfalls sein Glas in die Hand. »Auf euch, treue Kinder Fanmórs und des Reiches Crain«, sagte er und hob das Glas in Richtung der Geschwister. »Möge das Schicksal euch die Enttäuschungen vorbehalten, mit denen es mich so reichlich gesegnet hat.«

      Blumig-fruchtig entfaltete sich der Geschmack sofort, ähnlich dem Feuerwerk der Perlen, in Rians Mund, mit einem Hauch der Süße von Blütenhonig darin.

      Die Goldperle passte ihren Geschmack perfekter den Wünschen des Trinkenden an als jedes andere Elfengetränk, das Rian kannte. Die Bedingungen, unter denen die Goldperltraube zu solcher Perfektion reifen konnte, fanden sich allerdings nur in wenigen Gebieten, und darum war dieser Wein trotz seiner Beliebtheit nicht in großen Mengen erzeugbar.

      Umso mehr erstaunte es sie, dass es Alberich gelungen war, sich ausgerechnet etwas von diesem Schatz aus Fanmórs Weinkeller zu beschaffen. Langsam zweifelte sie an der Wahrheit der Geschichte. Es erschien ihr wahrscheinlicher, dass er den Wein direkt aus Campofiero erhalten hatte, auf welchem Wege auch immer er das bewerkstelligt haben mochte.

      Nachdem sie zu dieser Überzeugung gekommen war, entspannte sie sich ein bisschen. Alberich hatte sie beeindrucken wollen, und für eine Weile war ihm das auch gelungen. Doch so leicht wollte sie sich von ihm nicht ins Bockshorn jagen lassen, wie die Menschen das so schön nannten.

      »Also?«, meinte sie herausfordernd, als sie ihr Glas wieder absetzte.

      Alberich nickte und stellte sein Glas in einer langsamen Bewegung vor sich ab, den Blick darauf geheftet.

      »Mein Vater, meine beiden Brüder und ich waren von je her Söldner«, erzählte er. »Unser Vater stammte aus Zyma, dem Kalten Reich, wo auch meine Brüder und ich geboren wurden. Er hatte sich aber schon früh im milderen Earrach eine Bleibe für die Zeiten zwischen den Kriegen geschaffen. Das Frühlingsland gefiel ihm besser als seine frostige Heimat, und man nahm ihn wegen seiner Fertigkeiten im Kampf mit offenen Armen auf. Meine Brüder und ich wuchsen die meiste Zeit in Earrach auf und traten bald in sein Handwerk ein.«

      Rian versuchte, sich Alberich als Kämpfer auf dem Schlachtfeld vorzustellen. Ein Bild von ihm in dunklem Wams und elfischem Kettenhemd entstand vor ihrem inneren Auge, mit schützenden Schienen an Armen und Beinen, einem Schwert in der einen und einem Dolch in der anderen Hand. Auf seinem Kopf saß ein schlichter Helm, unter dem seine schwarzen Locken hervorquollen. Hinter ihm loderten Flammen in den Himmel.

      Je länger Rian es sich vorstellte, um so realer wirkte es, als sei es mehr eine Erinnerung als eine Vorstellung. Sie musste kurz den Kopf schütteln, um das Bild wieder zu vertreiben und in die Gegenwart zurückzukehren. Das erste, was sie sah, waren Alberichs Obsidianaugen. Funken tanzten darin, die sie auszulachen schienen.

      »Wir kämpften mehr als zwei Jahrhunderte in beiden Welten, und wir kämpften gut«, fuhr der Elf fort, als wäre nichts geschehen. Er lehnte sich zurück, und sein Blick bekam etwas Abwesendes, fast Sehnsuchtvolles. »Als Lohn für unsere Dienste verlangten wir Gold, Juwelen und Gegenstände, die uns gefielen oder nützlich erschienen. Einiges magisches Spielzeug bekamen wir auch, besonders, wenn wir drüben kämpften.

      Hier wie dort ging es uns gut, und wir verbrachten manchmal lange Zeiten bei den Menschen, da diese leichter zu beeindrucken waren und man einfacher an Macht und Reichtum gelangen konnte.«

      Alberich strich mit dem Zeigefinger entlang des Stieles seines Weinglases nach oben.

      »In einer weinseligen Nacht erzählte unser Vater einigen von ihnen von seiner Heimat, und sie nannten uns von da an Niflungen, nach ihrem mythischen Ort Niflheim, der wohl in etwa Zyma entsprach. Daher das Wort Nibelungen.

      Vater erzählte den Menschen auch ein wenig von unseren Abenteuern und ließ durchblicken, wie lange wir bereits unserem Handwerk nachgingen.

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