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      »Ermutigen Sie sich selbst – auch wenn Einschüchterungsversuche von außen kommen«, habe ich einmal irgendwo gelesen. »Sagen Sie dem unnötigen Grübeln den Kampf an. Wenn Gedanken wie ›Wenn das nun doch nicht klappt …‹ durch den Kopf jagen: Bieten Sie diesen negativen Gedanken Paroli.« Das ist nun wirklich machbar und kein Problem, zumindest in der Theorie.

      Ich bekomme unzählige Mails:

      Birgit: Ist das ALLES wahr??? Machst du wirklich bei »Dancing Stars« 2014 mit – finde ich super und wünsche dir den perfekten Tanzpartner! Ich würde sofort mittanzen, damit ich die Tänze einmal lerne – war ja nie in der Tanzschule!

      Ich bin auf jeden Fall dein größter Fan und werde sicher einmal LIVE dabei sein und dich anfeuern!

      Ina: Herzliche Gratulation zu deiner »Dancing Star«-Nominierung und schon jetzt toi, toi, toi!! Super, ich freu mich sehr für dich!!!

      Brigitte: Habe gesehen, dass du bei den »Dancing Stars« dabei bist! ICH WÜNSCH DIR ALLES GUTE!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Das wird sicher eine spannende Zeit für dich!

      Inge und Werner: Du debütierst als »Dancing Star«! Dies wird sicher eine sehr anstrengende, aber auch interessante Erfahrung für dich. Wir hoffen, dass du sehr, sehr lange dabei sein kannst, und werden für dich voten.

      Claudia: Habe gerade gelesen, dass du bei der nächsten »Dancing Stars«-Staffel dabei bist. Hochachtung, das finde ich sehr mutig von dir.

      Ups, da ist es wieder: dieses beklemmende Gefühl. Ich, die Perfektionistin, weiß, dass ich mit meinem tänzerischen Nichtkönnen vor ein Millionenpublikum treten muss.

      »Perfektionismus ist ein psychologisches Konstrukt, das versucht, interindividuelle Unterschiede bezüglich des Strebens nach möglichster Perfektion und Fehlervermeidung zu erklären«, definiert Wikipedia. Und schränkt gleich ein: »Eine einheitliche Definition existiert nicht; Forschergruppen haben zahlreiche Facetten des Konstruktes herausgearbeitet.«

      Für den Duden (für alle Geborenen vor der »Googlezeit« ist der Duden das Nachschlagewerk, wenn es um Begriffsklärung und Rechtschreibung geht; er war ursprünglich ein Wörterbuch der deutschen Sprache, das erstmals am 7. Juli 1880 von Konrad Duden veröffentlicht wurde) ist Perfektion »höchste Vollendung in der (technischen) Beherrschung, Ausführung von etwas; vollkommene Meisterschaft«.

      Definition hin oder her – ich weiß nur eines: Ich möchte mit Bravour, Brillanz, meisterhaftem Können, Vollendetheit, Vollendung, Vollkommenheit und Virtuosität meine gelernten Tanzschritte dem sehr geschätzten Publikum zeigen.

      Meine Performance sollte vollkommen, unerreicht, unübertroffen, einwandfrei, tadellos, fehlerfrei, fehlerlos, untadelig, makellos, mustergültig, vorbildlich, virtuos, meisterhaft, lupenrein, routiniert, erstklassig, korrekt und tipptopp sein.

      »Ermutigen Sie sich selbst –

      auch wenn Einschüchterungsversuche von außen kommen!«

      Mehr Synonyme für die Worte »Perfektionismus« und »perfekt« habe ich nicht gefunden.

      Dabei bin ich weit von der Selbsteinschätzung des dreifachen Formel 1-Weltmeisters Niki Lauda entfernt, der im Internet mit folgendem Spruch zitiert wird: »Es ist nicht einfach, perfekt zu sein, aber irgendeiner muss es sein.«6

      Die offizielle Vertragsunterzeichnung erfolgt am 5. Dezember und ich weiß ganz genau, was mich da geritten hat. In der Pflichtschule hatte ich lauter Einser im Zeugnis, nur im Turnen Dreier. Ich war immer die Schlechteste im Turnunterricht, obwohl ich nie geturnt habe. »Du kannst es nicht, also brauchst du es gleich gar nicht versuchen«, sagte meine Turnlehrerin zu mir. Meine »Dancing Stars«-Teilnahme ist sozusagen die späte Rache an meiner Turnlehrerin und ich weiß, dass sie noch lebt, und ich weiß, dass sie das erfahren wird.

      Im Tagebuch steht mit schwarzer Tinte auf weißem Papier geschrieben: »Ich habe zugesagt, ganz schön mutig von mir!«

      Und schon kündigt sich die nächste Neuerung an. Gute Freunde raten mir dringend, ein Konto bei Facebook zu eröffnen, damit meine tänzerischen Fortschritte für eine große Allgemeinheit dokumentiert und die Werbetrommel so richtig gerührt werden kann. Facebook ist ein soziales Netzwerk, das vor zehn Jahren von Dustin Moskovitz, Chris Hughes, Eduardo Saverin und Mark Zuckerberg veröffentlicht wurde. Mit über einer Milliarde Mitglieder gehört es nach unterschiedlichsten Statistiken zu den fünf am häufigsten besuchten Websites der Welt (so weiß es zumindest Wikipedia).

      Und Unterstützung in jeglicher Form brauche ich, denn die Wertung bei »Dancing Stars« setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Einerseits vergibt eine vierköpfige Jury für jedes Paar Punkte, andererseits stimmen die Zuschauer per Telefonvoting über die Paare ab. Am Ende jeder Sendung verlässt dasjenige Paar, das am schlechtesten bewertet wurde, das Spiel. Am letzten Abend der Serie werden die Gewinner zwischen den verbliebenen drei Paaren ermittelt.

      »Es ist nicht einfach, perfekt zu sein,

      aber irgendeiner muss es sein.«

      Jedes Jury-Mitglied gibt jedem Paar Punkte zwischen 1 und 10. Die Punkte der Jury-Mitglieder für jedes Paar werden addiert und bringen die Paare in eine Jury-Rangliste. Innerhalb dieser Rangliste erhalten die Paare absteigend Gesamtwertungspunkte, wobei das letztplatzierte Paar einen Gesamtwertungspunkt erhält.

      Nach der Zahl der Anrufe werden die Paare ebenfalls in eine Rangliste gebracht, die zu Gesamtwertungspunkten führt. Die Anrufer-Rangliste und somit die Gesamtwertungspunkte werden nicht genannt.

      Am Ende jeder Sendung verlässt das Paar mit den wenigsten Gesamtwertungspunkten den Bewerb. Im Finale gewinnt das Paar mit den meisten Gesamtwertungspunkten.

      Nun habe ich also eine offizielle Fan-Seite bei Facebook: »Lisbeth Bischoff bei DANCING STARS«. Ab dem offiziellen Start der neuen Staffel, der Pressekonferenz, werde ich versuchen, mir eine Fangemeinde aufzubauen. Das ist ein Nebenschauplatz zu »Dancing Stars«, der nicht so einfach zu bewerkstelligen ist. Meine Facebook-Einträge sollen die Menschen ansprechen, sie berühren, sie mitreißen, sie mitnehmen in eine Welt, die auch nicht die ihre ist. Es ist ein schnelles Medium – ausgefeiltes Deutsch ist nicht gefragt, wird mir erklärt. Kurz, prägnant, einfach, originell – so soll Persönliches und/oder sollen Blicke hinter die Kulissen preisgegeben werden. Schlüssellochblicke, Liebesg’schichten, Sensationen, Kurioses, Schmerzvolles – das sind die Storys, die interessieren. Fotos soll ich machen, auch wenn mir die Situation noch so fad, blöd, uninteressant, stupid, einfallslos, belanglos oder zum Gähnen langweilig erscheinen möge. Es ist alles gut, was den Eindruck erweckt, dass der Leser an meinem Leben teilnehmen kann. Aha … Ich lerne also, dass meine Blasen an den Füßen, die von dem vielen Training in den neuen Tanzschuhen herrühren, Weltbedeutung und daher ein Recht auf weltweite Veröffentlichung haben.

      BLIND DATE: EIN MANN FÜR ALLE SCHRITTE

      Die Pressekonferenz am 10. Februar 2014 im Wiener Parkhotel Schönbrunn ist eine Art »Blind Date«. Hier wird mir (wie den anderen Tanzkandidaten) der Mann für alle Schritte im wahrsten Sinn des Wortes zugeschanzt. Von Mitspracherecht keine Rede. Aber wie sollte ich auch wissen, wer am besten zu mir passt. Ich kenne die Tanzprofis ja nur vom Fernsehen. Und als Fernseherfahrene kenne ich den Unterschied von »Schein und Wirklichkeit«. In meiner 42-jährigen Karriere habe ich über 10 000 Interviews mit den unterschiedlichsten Menschen geführt und viele auch privat – fernab des gleißenden Scheinwerferlichts – kennengelernt. Wenn der Lack bröckelt oder gar ab ist, kommen oft die liebenswertesten Mitbewohner auf diesem unserem Planeten zum Vorschein, aber auch so mancher Unleidliche wird enttarnt.

      Also kaufe ich die »Katze im Sack«, was den Tanzprofi betrifft. Umgekehrt gilt das ebenso für ihn: Er kennt mich ja auch nur vom Fernsehen, wenn überhaupt. Weiß ich, ob er sich für royale Ereignisse interessiert, über die ich in Sendungen berichte?

      Mein »Großer Unbekannter« ist der 36-jährige Tiroler Gerhard Egger. Zum fünften Mal bei »Dancing Stars« dabei, gilt er als »der Denker« unter den teilnehmenden Tanzprofis. Ist das schon der erste Hinweis, wie mich die Menschen sehen, welche Außenwirkung

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