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gesunder Ernährung, nüchterner Verfassung, sparsamen Haushaltens, der Ablehnung und des Ekelns etc. über Bord werfen und eine triumphal lustvolle, feierliche Überschreitung begehen.«3 Und in einem Interview mit dem Kurier vom 12. Juni 2011 führt er weiter aus: »Wir in der Postmoderne haben das Gefühl, wir könnten ewig leben, wenn man uns nur ließe und wenn wir nur sauber lebten. Dass wir dabei das Leben schon vor dem Tod töten, weil wir aseptisch, lustlos, humorlos, postsexuell leben, übersehen wir. Lieber sind wir Angsthasen, die sich schon beim Anblick einer Zigarette tödlich schrecken.«

      Ich war jetzt bereit, die Herausforderung »Leben« in Angriff zu nehmen und auch anzunehmen. Mein persönliches Wohlbefinden war mir wichtig. Dabei bin ich nicht so weit gegangen, mir die Frage zu stellen: Wäre ich bereit, mich dafür hängen zu lassen? – jene Frage des deutschen Philosophen Immanuel Kant, der laut Robert Pfaller »dieser ›Galgenprobe‹ alles unterzog, was sich als absolute Notwendigkeit von Leidenschaft aufzudrängen schien«.4

      Vorerst heißt es Stillschweigen bewahren. Niemand darf über meine Teilnahme bei dieser Tanzexpedition Bescheid wissen – die Namen der Teilnehmer der 9. Staffel sollen in einer Presseerklärung vor Weihnachten gelüftet werden. Das heißt für mich natürlich, dass ich mit mir nahestehenden Menschen keinerlei Überlegungen anstellen kann, nicht meine Ängste und schon gar nicht meine Selbstzweifel besprechen und durchdiskutieren kann. Und Selbstzweifel habe ich in dieser »Geheimnisphase« mehr als genug.

      Selbstzweifel sind oft nur eine Variante der Angst. Es ist die Furcht, bei einer neuen beruflichen Aufgabe zu versagen oder bei privaten Begegnungen mit Ablehnung konfrontiert zu werden. Deshalb bleibt man lieber passiv und hofft, dass man irgendwann schon mutiger werden wird und die Herausforderung souverän angehen kann. Doch so funktioniert es mit Sicherheit nicht, sondern es funktioniert genau umgekehrt: Indem man trotz seiner Ängste handelt, überwindet man seine Zweifel. Natürlich heißt das nicht, dass man ein Kamikaze-Unternehmen starten soll. Eine gute Vorbereitung ist wichtig, um zu handeln, auch wenn einem die Knie zittern und man sich fürchtet, sich zu blamieren oder eine Abfuhr zu kassieren.

      Selbstzweifel sollen ein typisches Frauen-Handicap sein. Die meisten Männer haben damit kein Problem. Wenn Männer verlassen werden, denken sie, dass es die Frau sicherlich später einmal bereuen werde. Wenn in der Firma etwas schiefgegangen ist, waren sicher die Umstände entsprechend.

      Daher kann mir mehr maskuline Leichtigkeit auf keinen Fall schaden.

      Ich sage mir immer und immer wieder, dass ich im Nachhinein feststellen werde können, dass meine Befürchtungen unberechtigt waren. Und wenn nicht, könnte ich immerhin stolz darauf sein, den Schritt gewagt zu haben. Daher gibt es nur einen Schluss: das Risiko eingehen.

      Gespannt warte ich auf die angekündigte offizielle Pressemeldung im Dezember, damit ich endlich mein Schweigen brechen kann, vor allem aber bin ich interessiert, wie denn meine lieben nächsten Mitmenschen, meine lieben etwas entfernteren Mitmenschen und meine lieben gar nicht so nahen Mitmenschen meine Entscheidung aufnehmen werden.

      Und dann trifft es mich völlig unerwartet: Ich kaufe im Supermarkt ein und die freundliche Kassiererin Marlene empfängt mich mit ausgebreiteten Armen und in hellster Freude. Sie findet das großartig, dass ich bei »Dancing Stars« mittanze. Ich und mittanzen?? Völlig überrascht mime ich die Ahnungslose. Doch sie hält mir die Kronen Zeitung vom 19. November 2013 entgegen, in der Gesellschaftsreporter Norman Schenz über die Kandidaten der 9. Staffel von »Dancing Stars« schreibt, netterweise mit dem Zusatz: »VIPs müssen schweigen«. Da hat er wohl Informationen aus bestens informierten Kreisen erhalten, denn die vier Promis stimmen: Ex-Skirennläufer Erik Schinegger, Peter Rapps Tochter Roxanne, meine ORF-Kollegin von »Thema« Andrea Puschl und ich. Hätte Norman Schenz mich gefragt, ich hätte ihm noch zwei weitere Mitstreiter nennen können – aber die Fragerei hätte auch nichts gebracht, ich darf ja nicht reden.

      Nun ist es also draußen: Die Bischoff tanzt bei »Dancing Stars«, und frei nach Goethes Faust: »Meine Ruh’ ist hin, | Mein Herz ist schwer; | Ich finde sie nimmer und nimmermehr …« erlebe ich einen stürmischen Tag voller Reaktionen. Reaktionen von Zweiflern, von Begeisterten, von Bewunderern, von Befürwortern, von Aufmunternden, von Kümmerern, von Besserwissern, von Neidern und von Besorgten.

      Alle tun es. Sie tratschen – auch wenn es keiner zugeben möchte. Klatsch – verwandt mit Tratsch, verschwägert mit Quatsch. Klatsch ist überall. Tratsch blüht auf jedem Niveau. Schneller als der Schall macht der Klatsch die Runde. Überwindet Raum und Zeit, fährt mit Bussen und Zügen, läuft Flure entlang, geht durch Wände und Türen. Klatsch ist unausrottbar, denn er zählt zu den Grundbedürfnissen des Menschen.

      Selbstzweifel sind oft nur eine Variante der Angst.

      Der französische Soziologe Jean-Noël Kapferer, Gründer des »Instituts zur Erforschung der Gerüchtebildung« in Paris, hält Klatsch für die älteste Form der Nachrichtenübermittlung.5 Schon bei den Neandertalern gingen die Nachrichten – in Ermangelung der Technik – von Mund zu Mund. Wissen ist Macht, mehr Wissen heißt mehr Macht. Das ist die Wurzel der Neugier. Die heiße Ware Herrschaftswissen darf nicht zu Schleuderpreisen unters Volk gemischt werden.

      Der Entstehungsort für das Wort Klatsch war das gemeinsame Wäschewaschen der Frauen. Bei der Arbeit der Waschweiber entstanden klatschende Schläge, um auf diese Weise jeden Schmutzfleck zu entfernen. Obendrein hatten die Waschweiber Kenntnis von »verräterischen Flecken«. Sie stießen also ständig auf »Spuren der Privat- und Intimsphäre der Herrschaft«.

      Aber was tun ohne Klatsch? Viel Vergnügen ginge verloren. Denn wir lesen, hören und sehen überaus gerne, was sich bei den aktuellen »Dancing Stars«-Kandidaten so alles zuträgt.

      Ich erhalte Esstipps von ORF-Ex-»Dancing Stars«-Kollegin Monika Ahrens, damit ich diese anstrengende Zeit wohlbehalten durchstehe. Berührenden Zuspruch gibt es für mich vom wortgewaltigen, aber nicht so ganz tanzaffinen Dieter Chmelar (Teilnehmer bei »Dancing Stars« 2011 – für ihn hieß es in der sechsten Sendung ausgetanzt). Mein lieber ORF-Co-Moderator Wolfram Pirchner, der ein Jahr später bei »Dancing Stars« eine heiße Sohle aufs Parkett gelegt hat, warnt mich nur vor einem und der sitzt in der Jury. (Wolfram Pirchner musste leider in der sechsten Sendung gehen. Der langsame Walzer zu »If you don’t know me by now« hat nicht ganz den Geschmack der Jury getroffen.)

      Das Mattscheiben- und Bandscheiben-Märchen (© Dieter Chmelar) hat somit begonnen. Mein Mobiltelefon steht nicht mehr still. Die österreichischen Tageszeitungen wollen mehr von mir wissen, obwohl ich nichts wissen darf. Wahrheitsgemäß winde ich mich mit der Ausrede, dass ich noch keinen Vertrag unterschrieben hätte, aus der unangenehmen Situation.

      Auf der Straße lachen mich unvermittelt mir wildfremde Menschen an. Tun durch das Nicken ihres Kopfes ihr Einverständnis zu meiner Mitwirkung bei der telegenen Tanzshow kund, andere wiederum sprechen mich direkt an und beneiden mich um diese Chance, aus dem ganz normalen Alltagswahnsinn ausbrechen zu können. Viele bewundern meinen Mut, viele äußern Bedenken – der Bandscheibenvorfall sei vorprogrammiert –, die meine Zweifel, ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe, nicht wirklich kleiner werden lassen.

      Zur Sicherheit statte ich dem Wiener Stephansdom einen Besuch ab. Ich möchte meinen Schutzengel betören und zünde zwei Kerzlein an als Dank, dass er mir den richtigen Tanzlehrer zuweisen wird und dass ich dieses Abenteuer gesund überstehen und genießen kann.

      Täglich kann ich in den österreichischen Tageszeitungen über mich lesen:

      Wer ich bin. Wer ich sein werde.

      (Managerin Marika Lichter ist verwundert, dass ich mich für so etwas hergebe. Beim Lesen dieser Aussage bin auch ich verwundert, denn immerhin hat sich Marika für die erste Staffel 2005 auch »hergegeben« und als erste Siegerin einen Namen gemacht – wir alle erinnern uns mit Freuden an das Showfinale, als sie im royalblauen ABBA-Kostüm und am Arm von Tanzprofi Andy Kainz mit voller Wucht in den siebten Tanzhimmel entschwebte.)

      Wie ich bin. Wie ich sein werde.

      (Für 2013-»Dancing Stars«-Kandidatin und Schauspielerin Susanna Hirschler bin ich ein Geheimtipp, die sicher mit ihrer Art überraschen wird.)

      »Dancing

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