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stand eines Tages auch der Besuch von Schloß Versailles auf dem Programm, der an einem herrlichen Herbsttag stattfand. Wir traten ihn zu siebent an: Das befreundete Ehepaar mit drei Kindern, meine Freundin und ich. Zunächst standen die Wohn- und Repräsentationsräume des Schlosses auf dem Programm, danach spazierten wir durch den Park. Mich interessierte vor allem das unter Königin Marie Antoinette*) errichtete »Hameau«: Als typisches Kind ihrer Zeit hatte sie sich den fröhlichen, aber wenig nutzbringenden Ideen der Epoche hingegeben und innerhalb der riesigen Grünanlage dieses romantische Bauerndorf errichten lassen. Es bildete die Kulisse für jene ländlichen Szenerien, durch die sich verkleidete Könige und Prinzen tummelten und sich dann vorstellten, sie wären Bauern. Man nannte die Unterhaltung »Schäferspiele«, und es gab vermutlich keine Herrscherfamilie innerhalb Europas, deren Mitglieder nicht zumindest einmal pro Sommer in die Bauerntracht schlüpften. Daß diese Inszenierung des »idyllischen Landlebens« vom Original sehr weit entfernt war, braucht nicht besonders betont zu werden.

      Während ich mit meinen Freunden im Schloßpark von Versailles das Hameau ansteuerte, herrschte klares Herbstwetter. Die Sonne schien, und ich wunderte mich, als plötzlich der Himmel bewölkt war und ein vorgewitterlich dunkles Licht die Szenerie beleuchtete. Ich stand neben einem dieser kleinen landwirtschaftlichen Gebäude, war alleine, meine Freunde hatten offensichtlich einen anderen Weg genommen. Das tat mir sehr leid, da plötzlich zwischen den Bauernhäuschen ein paar Leute in Kostümen des 18. Jahrhunderts auftauchten. Ich vermutete, daß sie für ein Freilicht-Theaterspiel probten. Also kehrte ich um, um meine Freunde zu holen. Mittlerweile schien wieder die herrliche Herbstsonne. Bald hatte ich alle wiedergefunden. Sie standen munter beisammen und schwätzten fröhlich über irgendetwas gemeinsam Erlebtes. Es gelang mir nicht, sie zu unterbrechen, um ihnen von der so stilgerechten Theaterprobe zu erzählen. Also nahm ich mir vor, ihnen später davon zu berichten, vergaß es dann aber ganz. Wahrscheinlich hätte ich dieses Erlebnis für immer vergessen, wäre mir vor fünf Jahren nicht zufällig ein Buch über »rätselhafte Begebenheiten« in die Hand gefallen, in dem ich auf den allerersten Seiten die folgende Geschichte las.

      Charlotte Moberley hatte während eines Spaziergangs mit ihrer Freundin durch den Park von Versailles ein außergewöhnliches Erlebnis: Sie fiel um mehr als hundert Jahre in die Zeit König Ludwigs XVI. von Frankreich zurück.

      Als sich die Frauen nach diesem historischen Spaziergang in der Gegenwart wiederfanden und über das Erlebte sprachen, bemerkten sie bald, daß sie nicht immer dasselbe gesehen hatten. Jede von ihnen hatte einige Szenen erlebt, darunter einige gemeinsam mit der Freundin, einige hatte aber nur jeweils eine der beiden Frauen durchlebt. Erst dadurch wurde ihnen bewußt, daß sie eine paranormale Erscheinung gehabt hatten. Sie beschlossen, alles schriftlich festzuhalten und verfaßten – gemäß ihren Eindrücken zwei unterschiedliche Berichte (die später veröffentlichte Niederschrift »An Adventure« setzt sich aus der Summe aller Erlebnisse zusammen). Beide hatten sich während ihres Abenteuers in der Vergangenheit sonderbar und schwermütig gefühlt und alles wie in einem tiefen Traum erlebt. Das ist ein wichtiger Hinweis für die Parapsychologie, die das Empfinden von Müdigkeit und körperlicher Schwere als typische Merkmale bei solchen Erlebnissen kennt. Von derselben Wahrnehmung berichten die meisten Betroffenen, die entweder in der Zeit »zurückfielen« oder denen verstorbene Personen erschienen.

      Bei der Aufarbeitung von Vorfällen wie jenes der beiden Engländerinnen in Versailles interessiert die Wissenschaft immer besonders das soziale Umfeld der betroffenen Personen. Denn selbstverständlich gibt es eine Menge Phantasten, die sich die Erlebnisse nur einbilden oder Wunschträume haben oder krank sind und unter Halluzinationen leiden. Nichts von all dem traf aber auf die beiden Engländerinnen zu, die beide sehr gebildeten Familien entstammten und – was um die vorletzte Jahrhundertwende nicht sehr häufig vorkam – sogar akademische Berufe ausübten. Charlotte Moberly, die ältere der beiden, war Vorsteherin eines College (dem späteren College der Universität Oxford), die jüngere, Eleanor Francis Jourdain, folgte der Älteren nach deren Pensionierung im selben Amt nach.

      Das Erlebnis von Versailles hat das Leben der zwei Frauen nachhaltig verändert. Sie wollten der Geschichte neuerlich auf die Spur kommen und besuchten das Schloß und den Park noch etliche Male, weil sie hofften, noch einmal in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurückfallen zu können. Da ihnen das nicht gelang, stürzten sie sich in die Forschung und begannen die Merkmale aller Orte, die sie nur aus der Epoche König Ludwigs XVI. kannten, akribisch genau aufzunehmen und mit dem aktuellen Zustand zu vergleichen. Denn vieles hatte sich innerhalb der etwa 120 Jahre Zeitensprung verändert. So existierten der Rundpavillon und die Brücke über die Schlucht nicht mehr, und der Platz, an dem sie die zeichnende Frau gesehen hatten, war durch hohe Rhododendronbüsche völlig verwachsen. Weiters befanden sich Türen, Einzäunungen und auch Kieswege an anderen Stellen als zur Lebenszeit Königin Marie Antoinettes. Die grüngrauen Röcke der vermeintlichen Gärtner stellten sich zuletzt als die Livreen der ehemaligen königlichen Bediensteten heraus.

      Diese beinahe unglaublich scheinende und doch wahre Geschichte sei dem Buch über die Habsburger und ihre außersinnlichen Beziehungen vorangestellt. Sie möge all jene, die sich für dieses Thema interessieren, auf das folgende einstimmen. Besonders widmen möchte ich den Band aber der vermutlich großen Gruppe derer, die schon Ähnliches erlebte und die Zeugen von Erscheinungen geworden sind. Alle, denen das noch bevorsteht, mögen sich im tatsächlich eintretenden Fall an folgende Regel erinnern: » ›Wenn man ein Gespenst sieht‹, sagt … der New Yorker Parapsychologe Prof. Dr. Hans Holzer, ›soll man um Himmels willen nicht fortlaufen! Denn es hat große Mühe gehabt, uns zu erscheinen. Fragen wir lieber, was es will.‹ Das ist ein praktischer, einfacher und nützlicher Rat. Und fast jeder, selbst der phantasieloseste Materialist, hat mindestens einmal im Leben Gelegenheit, ihn zu befolgen. Gespenster erscheinen nämlich nicht nur den Leuten, die an sie glauben.« (Ingrisch, S. 51f.) Zu denen, die an sie glaubten, zählen bedeutende Persönlichkeiten der Geschichte wie der heilige Franz von Assisi, die Philosophen Plato, Baruch de Spinoza, Immanuel Kant,

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