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seiner Tournee gibt Udo Jürgens die beruhigende Antwort: »Das Fußballspiel Deutschland gegen Italien während der Weltmeisterschaft in Mexiko!«

      Für Manager Beierlein war klar, dass es eine Tournee durch Deutschland in dieser Form nie mehr geben würde – auch mit Udo nicht. »Das macht man nur einmal im Leben!«, erklärte er. 22 Menschen arbeiteten tage- und manchmal auch nächtelang durch für die Vorbereitung und die Organisation dieses Riesenunternehmens.

      Ehefrau Panja war sich nicht so ganz sicher, ob es nun früher schöner gewesen war, als die Familie mehr Zeit miteinander verbrachte, oder ob es jetzt, da Udo mehr Geld verdiente, angenehmer war. »Wenn ich sagen würde: Früher war es schöner, würde ich ja meinem Mann den Erfolg nicht gönnen – und den gönne ich Udo von Herzen.« Sie träumt aber von einem Leben auf dem Bauernhof mit Udo und den Kindern Johnny und Jenny.

      »Mein Vater hat mich immer ›Schweinchen‹ genannt. Oder ›Steckdose‹. Das macht er manchmal heute noch. Ich sah ja auch so aus, mit diesen riesigen Nasenlöchern. Einmal hat er sogar das Kabel seines Elektrorasierers in meine Nase gehalten und das Rasierer-Geräusch gemacht. Ich dachte wirklich, jetzt kommt der Strom aus meiner riesigen Nase«, erzählt Jenny.4

      Auf Anfrage hielt Udo 1970 eine Selbstbiografie noch für verfrüht, aber als Titel hätte er vorgeschlagen: »Was wirklich zählt auf dieser Welt, bekommst du nicht für Geld«.

      Gesellschaftskritiker, Hitmaschine

      und Musicalschöpfer

      Die politischen Entwicklungen in Deutschland, gekennzeichnet durch Studentenrevolten und massive Proteste gegen den Vietnamkrieg der USA, sowie die Vormachtstellung des Beat und Rock’ n’ Roll führte in der Musikindustrie dazu, Interpreten mit einem gepflegten und sauberen Image zur Beruhigung der Konsumenten aus der Elterngeneration auf den Markt zu bringen.

      Udo ist mit dabei. Allerdings nicht gerne. Doch die Auseinandersetzung mit diesen Liedern zeigt ihm ganz klar seinen eigenen musikalischen Weg auf, den er zu gehen hat. Und als die Plattenverkäufe stagnieren, löst er sich mit gesellschaftskritischen Liedern und Interviews vom Image des reinen Schlagerstars. Ob »Ein ehrenwertes Haus« oder »Griechischer Wein«, Udo Jürgens setzt populäre Signale gegen Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit. Singt statt gefühlvoller Chansons Lieder wie »Lieb Vaterland«, womit er öffentliche Diskussionen, einen Proteststurm und Boykott-Aufruf der katholischen Kirche hervorruft.

      Die Fans machen auch das mit. Längst ist Udo Jürgens zu Deutschlands Hitmaschine geworden. »Lieb Vaterland« hält sich 1971 zwölf Wochen lang in den deutschen Charts.

      »Ich hab mich immer drum bemüht, mit Liedern wie ›Lieb Vaterland‹, ›Ein ehrenwertes Haus‹ Gesellschaftstöne anzuschlagen, aber eben im dunklen Anzug, weil ich glaube, da hören mir genau die Leute zu, die wir ein wenig verändern wollen. Die haben mir immer zugehört und die habe ich auch sehr oft mit meinen Liedern schockiert, aber dann doch zum Nachdenken vielleicht mehr angeregt, als wenn ich diese Schocktherapie mancher Popgruppen gemacht hätte.«

      Der von Eckhard Hachfeld verfasste Text zu »Lieb Vaterland« setzt sich kritisch-provokativ mit dem zeitgenössischen Deutschland auseinander. Sowohl textlich als auch in Anlehnung an die Melodie zitiert dieses Lied die erste Zeile des von Max Schneckenburger 1840 verfassten und von Karl Wilhelm vertonten Gedichtes »Die Wacht am Rhein«, das im 19. Jahrhundert als Symbol der völkischen Bewegung und später des Dritten Reiches auch für das Ausland galt, wie eine Filmszene aus Casablanca von 1942 belegt, in der in einem »Sängerkrieg« die »Wacht am Rhein«, von deutschen Offizieren gesungen, der von Widerstandskämpfern angestimmten Marseillaise unterliegt.

      Udo Jürgens artikulierte mit »Lieb Vaterland« ein gesellschaftliches Problembewusstsein und vergraulte damit seine konservative Anhängerschaft, ohne dafür von den linksintellektuellen Meinungsführern als einer der ihren akzeptiert zu werden.5 Wenn auch den Publizisten Axel Eggebrecht die überraschend aggressiven Texte von Udo Jürgens an die Protestsongs engagierter linker Sänger erinnerten, so kritisierte der konservative Schriftsteller Hans Habe, Udo Jürgens lasse »auch nichts aus, weder die Dollar-Lieschen noch die Protest-Hippies. […] An uns ist es, zwischen Rebellen aus Überzeugung und Opportunisten zu unterscheiden. Zwischen Rebellen mit und ohne Public Relations.«6

      Das Publikum von Udo Jürgens gehörte nicht zu denen, die den Staat und die Gesellschaft abschaffen wollten. Doch es zeigte Bereitschaft, über die Texte von Udo nachzudenken, auch über die kritischen Textpassagen, die Missstände in der Gesellschaft anprangerten. Udo hielt es »für eine Bürgerpflicht«, um sich zu schauen und wahrzunehmen, was in der Welt vorging. Sein Publikum wusste, dass er nicht nur von der heilen Welt sang, sondern auch Probleme aufzeigte, indem er sie in Musik verpackte.

      Eigenen Angaben zufolge saß Udo Jürgens politisch stets zwischen den Stühlen. Er wurde von der rechten Parteifront genauso angegriffen wie von der linken. Seine Art der politischen Haltung beschrieb er mit dem »Prinzip Hoffnung«, das seinen Liedern unterlag.

      Mit dem Lied »Gehet hin und vermehret euch« kritisierte er zwar die Haltung der Kirche gegenüber Verhütungsmethoden, hielt sich aber an die Aussage des Liedes selbst am wenigsten, wie seine beiden unehelichen Kinder bewiesen.

      Jürgens’ Erfolg als Schlagersänger begann mit dem Siegertitel »Merci Chérie« des Grand Prix Eurovision de la Chanson 1967. Seine Adressaten waren vor allem junge Leute, die in ihm sowohl ein Idol als auch ein ästhetisches Vorbild sahen. Er schuf durch sein Äußeres und sein öffentliches Auftreten einen Gegenpol zur aufständigen Beat-Kultur der Sechzigerjahre. Sein über Jahre aufgebautes Image wurde durch das 1971 erschienene, das politische System der damaligen Bundesrepublik verurteilende Lied »Lieb Vaterland« erheblich verändert und nicht zuletzt um die Facette des sozialkritischen Sängers mit politischen Ambitionen erweitert. Begünstigt wurde der vom Manager Beierlein ausdrücklich geplante Imagewechsel durch die zur gleichen Zeit aufkommende Liedermacher-Szene. Innerhalb des deutschen Schlagers sollte sich ein weiteres Themenfeld ergeben, dessen Vorreiter Udo Jürgens wurde. Die von Beierlein anvisierte Käufer-Zielgruppe sollte aus mittleren bis höheren Angestellten bestehen. Die Erhebung dieser biografischen Arbeit konnte dies belegen: 60 Prozent der Befragten haben eine Ausbildung absolviert, 24 Prozent schlugen eine akademische Laufbahn ein.

      Am 29. August 1971 zeigt Udo Jürgens ein Herz für Kinder und hebt im Berliner Olympiastadion das Lied der Deutschen Fernsehlotterie, »Zeig mir den Platz an der Sonne«, vor 75 000 Menschen aus der Taufe.

      Diese Initiative hat ihre Wurzeln in der Zeit der Berliner Blockade von 1948/49. Damals flogen die »Rosinenbomber« der Alliierten Kinder aus dem isolierten West-Berlin nach Westdeutschland aus, wie es später dann auch Fluggesellschaften wie die Deutsche Lufthansa, KLM, Pan Am und British Airways getan haben. Unter dem Motto »Ein Platz an der Sonne« konnten diese Kinder einige erholsame Ferienwochen auf dem Lande erleben. Das Motto hatte seinen Ursprung in der deutschen Kolonialpropaganda Ende des 19. Jahrhunderts. Der damalige deutsche Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Bernhard von Bülow, erklärte am 6. Dezember 1987, dass die Deutschen gegenüber anderen europäischen Kolonialmächten einen »Platz an der Sonne« verlangten. Das Erste Deutsche Fernsehen unterstützte ab 1956 diese Hilfsaktion. Half man zu Beginn nur Kindern, wurde die Aktion ab 1959 auch auf kranke und ältere Menschen ausgeweitet. Jährlich wurde die Lotterie von einem »Lied der ARD-Fernsehlotterie« begleitet. Es sollte die Sendungen und Veranstaltungen der Lotterie repräsentieren. Im weitesten Sinne nahmen die Lieder die Thematik der Lotterie auf. Meistens wurden diese Lieder von bekannten Schlagersängern gesungen, die mit den Titeln beachtliche Erfolge erringen konnten.

      Udo ist ein Garant für Erfolg. »Zeig mir den Platz an der Sonne« wird zum Hit und hält sich sechzehn Wochen in den deutschen Charts und verhilft auch der Initiative zu einem gewaltigen Bekanntheitsgrad. Sicher auch einer der Gründe, warum Udo Jürgens 1976 (»Ein Lied für alle, die einsam sind«) und 1980 (»Ist das nichts?«) nochmals gebeten wird, sich der guten Sache anzunehmen.

      »Udo Jürgens übernahm mit ›Zeig mir den Platz an der Sonne‹ das politische Credo der Zeit, kritisierte mit ›Lieb Vaterland‹ 1971 die kapitalistische Gesellschaft und übte sich auch in der Folgezeit als witzelnder Protestsänger«, schreibt

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