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Ich war zwar noch niemals dort, und es gibt überhaupt nur sehr wenige Menschen, die einmal dort gewesen sind, aber man hat mir viel davon erzählt, und was ich da gehört und erfahren habe, das könnte mir nicht nur Furcht und Angst, sondern gar Schrecken und Entsetzen einjagen, wenn ich nicht Hadschi Halef Omar wäre, der oberste Scheik der Haddedihn vom großen und berühmten Stamme der Schammar. Du weißt, Effendi, daß es für einen Haddedihn unmöglich ist, sich zu fürchten. Auch Du kennst keine Furcht. Darum kann ich Dir erzählen, was ich über Ardistan und Dschinnistan erfahren habe. Einem anderen müßte ich es verschweigen, sonst zöge es ihm die Haut vom Rücken los. Darf ich?«

      »Ja.«

      »So höre!«

      Unsere Pferde lagen vor uns, um die allabendliche Liebkosung zu erwarten. Wir setzten uns zu ihnen nieder, Halef zu Assil Ben Rih und ich zu Syrr, der mir die Hände zärtlich leckte und mich hierdurch bat, ihm Hals und Mähne zu krauen.

      »Ardistan und Dschinnistan liegen nebeneinander,« begann Halef seinen Bericht, »oder vielmehr übereinander. Denn Ardistan liegt an der See und wird nur von einigen, nicht sehr bedeutenden Höhen durchzogen; Dschinnistan aber steigt bis zu den höchsten Bergen auf, die es auf Erden gibt. Die eigentliche Grenze zwischen den beiden Ländern kennt niemand; sie ist unbestimmt. In Ardistan herrscht ein ‘Mir, und in Dschinnistan herrscht ein ‘Mir. Dieses Wort ist die Abkürzung von Emir, was soviel wie Fürst bedeutet. Der ‘Mir von Ardistan ist ein Teufel, und der ‘Mir von Dschinnistan ist ein Engel.«

      »Können Menschen Engel oder Teufel sein?« fragte ich.

      »Jawohl,« antwortete er. »Denn Hanneh, mein Weib, die kostbarste Perle unter allen Perlen des Meeres und der Flüsse, ist ein Engel. Das weiß ich, und das beschwöre ich. Und auf der anderen Seite weißt Du ebenso gut, daß es auch Frauen gibt, welche Teufel sind. Und was die Weiber können, das können wir Männer wohl auch. Wenn Du der Wahrheit die Ehre geben willst, so mußt Du sagen, daß ich ein Engel bin, und aus Dankbarkeit leiste ich Dir dann denselben Dienst. Übrigens erzähle ich nur das, was ich gehört habe, und ob Du es glaubst, das ist nicht meine Sache, sondern Deine. Ich aber glaube es!«

      »Und fürchtest Dich nicht?«

      »Fürchten? Vor wem? Etwa vor dem ‘Mir von Dschinnistan? Der ist ja ein Engel, und vor Engeln hat man doch keine Angst! Oder vor dem ‘Mir von Ardistan? Der ist ja ein Teufel, und ich habe, solange ich lebe, stets den Wunsch gehabt, den Satan kennen zu lernen. Und nun, da mir dieser Herzenswunsch endlich, endlich in Erfüllung geht, soll ich mich vor ihm fürchten? Im Gegenteil, ich freue mich auf ihn! Übrigens, ob Engel oder Teufel, ist ganz gleich; es kann uns weder der eine noch der andere etwas schaden, denn alles, was mit uns geschieht, ist im Buche des Lebens vorgezeichnet, und nur Allah allein kann etwas daran ändern; dem aber fällt es ganz und gar nicht ein, gerade Deinet-oder meinetwegen eine Änderung vorzunehmen. Du hast von diesen beiden Gegenden wohl überhaupt noch nie etwas gehört und noch nie etwas gelesen?«

      »Etwas Bestimmtes nicht. Doch vorhin gab mir Marah Durimeh Karten und Bücher, aus denen ich mich unterrichten kann. Ich nehme sie mit auf das Schiff, um sie während unserer mehrtägigen Fahrt zu studieren.«

      »Und dann etwa mitzuschleppen?«

      »O nein. Das wäre Torheit.«

      »Ich gebe überhaupt auf solche Dinge nichts. Solche Karten sind doch nur mit Tinte gezeichnet, und die Tinte läuft bekanntlich, wohin sie will. Und mit den Büchern steht es noch schlimmer. Bücher zu schreiben, ist eine saure Arbeit. Nur dumme Menschen können so töricht sein, solche Arbeit zu verrichten. Wer klug ist, der sagt, was er weiß, der gibt sich nicht die ungeheure Mühe, es erst niederzuschreiben, dann wieder abzudrucken und es schließlich vorzulesen. Darum dient mir jedes Buch, welches ich in die Hand bekomme, als sicherer Beweis, daß der, welcher es schrieb, ein Esel ist. Und mit den Produkten solcher armer, beklagenswerter Geschöpfe solltest Du Dich auch auf dem Schiff nicht schleppen! Ich bin sehr begierig auf die Narrheiten, die in diesen Büchern stehen werden. Wenn Du klug bist, so hörst Du nicht auf sie, sondern auf mich. Hast Du denn schon hineingeschaut?«

      »Ja.«

      »Und auch gelesen?«

      »Ja.«

      »Stand etwas darin von fliegenden Menschen?«

      »Nein.«

      »Von Menschen mit Krokodilsköpfen?«

      »Nein.«

      »So taugen diese Bücher nichts! Es gibt in Ardistan Menschen, welche Krokodilstränen weinen. Hieraus folgt, daß sie Krokodilsköpfe haben müssen. Die Krokodilstränen sind Stück für Stück genau so groß wie ein Straußenei und werden - -«

      »Von Elefanten ausgebrütet, nicht wahr?« fiel ich laut lachend ein.

      »Du lachst?« zürnte er. »Bei so ernsten Dingen? Effendi, Effendi, nimm dich in acht. Die Bücher haben schon manches menschliche Gehirn verschoben und verschroben. Wie ungeheuer schädlich sie sind, kannst Du schon daraus ersehen, daß ein jeder, der in ein Buch vernarrt ist, sich auf das Sofa legt, um es zu lesen, und gerade das Sofa ist doch jedenfalls nur dazu da, daß man entweder nichts tue oder um einzuschlafen. Ich bitte Dich nochmals, laß Dich warnen! Vielleicht steht auch das nicht in den Büchern, daß Ardistan das Land der Flöhe, der Läuse, der Wanzen und Soldaten ist?«

      »Allerdings nicht.«

      »So wirf sie weg, Effendi, wirf sie weg, denn Bücher über Ardistan, in denen nichts von diesen Dingen steht, haben keinen Wert! Nimm alle Deine Gedanken in eine Hand zusammen und merke auf, was ich Dir sage! Ich werde Dir nicht nur die beiden Länder beschreiben, sondern auch die Menschen, die Tiere, die Pflanzen und dazu auch noch alles andere, was Du wissen mußt und doch jetzt noch nicht weißt. Höre mir zu! Du wirst hören, daß das, was ich in meinem Kopfe habe, tausendmal mehr wert ist als alle Bücher, alle Karten und alle Pläne, die sich nicht darin befinden. Merke also auf!«

      Halef begann nun einen Vortrag von so ungeheuerlichem Inhalte, als ob er alle Unmöglichkeiten der Geographie, Geschichte und Naturgeschichte extra für diese Mitternachtstunde zusammengesucht habe, um mich um den Verstand zu bringen. Und das tat er mit einem Ernste und einer Überzeugung, als gälte es zum mindesten die Seligkeit oder irgend einen andern der höchsten Geistespunkte unsers Lebens. Ich habe viel Phantastisches gelesen und viel Phantastisches gehört, so etwas aber doch noch nicht. Darum verhielt ich mich zunächst ganz still, als er fertig war, denn ich fand nicht die rechten Worte, mein Erstaunen über den Unsinn auszudrücken, den er mich glauben machen wollte. Er aber legte diesem Schweigen ganz andere Gründe unter.

      »Nicht wahr, Du bist ganz weg, Sihdi?« fragte er. »Meine Kenntnisse haben Dich übermannt. Die Schönheit meiner Sprache, die Erhabenheit meiner Bilder, die Unbesiegbarkeit der Wahrheiten, die ich Dir vorgetragen habe! Ja, so etwas findest Du in keinem Buche, mag es nun gedruckt oder mag es geschrieben sein! Aber ich bin müd geworden von diesem vielen und anhaltenden Sprechen. Du nicht auch?«

      »Nein, denn ich war still.«

      »So kannst Du noch bleiben, ich aber muß schlafen gehen.«

      »Allah sei Dank!«

      Er hatte schon aufstehen wollen, ließ sich aber bei diesen meinen Worten wieder niederfallen und fragte:

      »Wie meintest Du das? Was wolltest Du jetzt sagen?«

      »Daß Du Dir die Ruhe verdient hast, welche der Schlaf zu bringen pflegt.«

      »So! Das ist etwas anderes! Man weiß bei Dir nicht immer gleich, wie Du es meinst. Du hast zuweilen Ausdrücke, die etwas ganz anderes ausdrücken,

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