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ich Dein Diener, Knecht oder Sklave bin?«

      »Ich habe es Dir gesagt; das ist der Beweis. Eines anderen bedarf es nicht!«

      »Da irrst Du eben!«

      »Ich irre nie!« behauptete er. »Ich bin der oberste Scheik der Ussul, und was in meinem Stamme Recht und Sitte ist, das führe ich aus. Es ist Recht und Sitte, daß Du mein Eigentum geworden bist; dabei bleibt es!«

      Er sprach jetzt in sehr bestimmtem Tone.

      »Und wenn ich nicht will? Wenn ich mich dagegen wehre?« fragte ich.

      Er sah mich von oben herunter an, lachte belustigt auf und antwortete:

      »Du Dich wehren? Du Knirps! Schau nur hier meine Hände an! Sag noch ein Wort dagegen, so drücke ich Dir mit diesen Fäusten den dummen Kopf zusammen, daß er mir als Brei hier an den Fingern klebt!«

      Bei diesen Worten hielt er mir seine Gigantenhände drohend vor das Gesicht.

      »Es würde Dir keinen Segen bringen,« warnte ich ihn. »Ich bin nämlich nicht allein!«

      »Nicht allein?« fragte er, indem er rund um sich schaute. »Ich sehe niemand!«

      »Aber Du siehst doch zwei Pferde! Hast Du wirklich noch nicht daran gedacht, daß einer der beiden Reiter fehlt?«

      »Er fehlt? So? Warum? Wo befindet er sich?«

      Das war mehr als kindlich naiv! Er verstellte sich nicht; es war keine Finesse, keine Kriegslist von ihm. Er dachte wirklich genau so, wie er sagte. Er suchte mit den Augen nach dem Verschwundenen. Ich aber meinte es weniger ehrlich. Ich beabsichtigte, ihn auszuforschen, und richtete meine Antwort daraufhin ein, obgleich sie keine Lüge, sondern die volle Wahrheit enthielt:

      »Wo er sich jetzt befindet, weiß ich leider nicht. Er bemerkte die Spuren hier im Grase und wollte sehen, von wem sie seien. Darum ging er hinter ihnen her und ist noch nicht wieder zurückgekommen.«

      »Ging er hier geradeaus und dann links um die Ecke des Gebüsches?«

      »Ja.«

      »So kommt er überhaupt nicht wieder.«

      »Warum?«

      »Er ist unser Gefangener.«

      »Du meinst, daß Deine Leute ihn gesehen haben?«

      »Gesehen und festgenommen! Unbedingt. Von unserm Lagerplatze aus kann man grad bis an jene Ecke sehen.«

      »So lagert Ihr wohl da drüben, links, jenseits des Gebüsches, im Walde?«

      »Nicht im Waldes selbst, sondern am Rande desselben. Man hat Deinen Kameraden sofort gesehen, als er um die Ecke gebogen war. Ist er ebenso klein wie Du?«

      »Noch kleiner.«

      »Noch kleiner?« lächelte er.»So hat man sich wohl überhaupt gar keine Mühe mit ihm gegeben.«

      »Und wenn er sich gewehrt hat - - -?«

      Das war meine Hauptfrage. Ich war gespannt, was er hierauf sagen werde.

      »So ist er tot,« antwortete er.

      »Wirklich?«

      »Gewiß! Wir dulden keine Gegenwehr. Wir verlangen Gehorsam. Und so ein Zwerg, der sogar noch kleiner ist als Du, wenn der es wagt, uns widerstehen zu wollen, so machen wir es kurz, sehr kurz mit ihm. Die Erde braucht keine Zwerge. Sie sind unnütz. Alles, was zu klein ist und was krank ist, steht dem Großen, dem Gesunden im Wege. Es hat zu verschwinden. Also, wenn Dein Genosse ungehorsam gewesen ist, so ist er tot. Aber das geht Dich und mich doch gar nichts an! Ich habe nachzusehen, was Du alles besitzest. Wenn das vorüber ist, reiten wir nach dem Lager. Dort wird das, was Du bei Dir hast, geteilt. Ich aber will jetzt schon sehen, was mir gefällt, damit ich es dann bekomme.«

      Das war sehr aufrichtig, aber nicht sehr beruhigend! Daß ich allerdings das Lager betreten würde, aber nicht als Gefangener, das verstand sich ganz von selbst. Dazu gehörte zunächst die Überwältigung dieses Riesen. In welcher Weise sie zu bewerkstelligen sei, das war noch nicht bestimmt. Schuß- und Stichwaffen waren ausgeschlossen. Der Scheik war ein guter, lieber und zudem auch hochinteressanter Mensch, den ich weder verletzen noch gar töten durfte. Ich mußte im Gegenteile danach trachten, mir die Zuneigung der Ussul zu gewinnen. Dieser Stamm konnte mir als Stütz-und Ausgangspunkt für alles, was später zu geschehen hatte, dienen, und dazu war zunächst erforderlich, mich jeder nicht schonenden Behandlung ihres Anführers zu enthalten. Übrigens stellte es sich als gar nicht nötig heraus, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, in welcher Weise ich ihn in meine Gewalt bringen könne. Er kam mir nämlich hierin ganz von selbst entgegen, und zwar in so bequemer Weise, daß ich weiter gar nichts zu tun hatte, als nur zuzugreifen.

      Indem er mich und meine Sachen untersuchte, fragte er nach jedem einzelnen Gegenstande, um den Gebrauch und den Wert desselben kennen zu lernen. Er wollte für die spätere Verteilung schon jetzt seine Auswahl treffen. Darum fragte er nach allem, was er sah, und ich erteilte die gewünschte Auskunft in so bereitwilliger Weise, als ob ich mich vollständig in das mir bestimmte Schicksal ergeben hätte. So kam er auch an den langen, höchst künstlich zusammengeflochtenen Fangriemen, der am Halse meines Syrr hing.

      »Was ist das?« fragte er, indem er ihn betrachtete und betastete.

      »Ein Lasso,« antwortete ich.

      »Ein Lasso? Noch nie hörte ich dieses Wort! Dieses Flechtwerk ist eine große Kunst. Auch wir flechten Riemen, aber kurz, nicht so lang. Und so fest, so gleichmäßig und so schön bringen wir es nicht fertig. Das heißt also ein Lasso! Wozu wird es gebraucht?«

      »Zum Fangen der Menschen.«

      Es lag natürlich nicht in meiner Absicht, ihm zu verraten, daß sich dieser Gebrauch weniger auf Menschen als vielmehr auf Tiere bezog.

      »Menschen fangen mit diesem Riemen?« fragt er schnell und angelegentlich. »Also doch wohl Feinde?«

      »Ja.«

      »Während des Kampfes? Wenn sie entfliehen wollen?«

      »Überhaupt bei jeder Gelegenheit, wenn man sie fangen will.«

      »Bei jeder Gelegenheit? Die Feinde fangen? Das ist ja wichtig, im höchsten Grade wichtig! Und Du weißt, wie man das macht?«

      »Ja, natürlich.«

      »Kannst Du mir es zeigen?«

      »Wenn Du es wünschest, gern.«

      »Gleich jetzt, hier? Nicht erst dann, wenn meine Leute dabei sind und es ebenso sehen wie ich?«

      »Jetzt gleich,« nickte ich.

      »So tue es; ja, tue es schnell! Seine Feinde fangen, mit so einem Riemen! Das ist ja herrlich! Schau, hier an meinem Gürtel hängt auch ein ganzer Pack von Riemen. Die sind aber nicht, um die Feinde zu fangen, sondern nur, um sie zu binden; da muß man sie aber vorher erst haben. Also zeig es mir!«

      »Aber an wem soll ich es Dir zeigen?« fragte ich, indem ich den Lasso vom Halse des Pferdes schlang. »Es ist ja kein Feind vorhanden, den ich fangen könnte!«

      »Das schadet nichts,« meinte er. »Denke einmal, ich sei einer! Dauert es lang?«

      »Nur einige Augenblicke.«

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