Скачать книгу

ist der denn drauf? Du bist nicht dein Bruder, er kann doch nicht, nicht… so eine Art Sippenbann aussprechen.«

      Sie seufzte.

      »Er kann. Ich hab’ auf jeden Fall alles versucht, ihn für uns zu gewinnen, zwingen kann ich ihn nicht.«

      »Und wie bist du mit ihm verblieben?«

      »Er meldet sich, hat mir aber schon gleich zu verstehen gegeben, daß ich mir keine allzugroßen Hoffnungen machen soll.«

      »Schön blöd von ihm, aber gut, dann müssen wir eben auf Bellert verzichten. Wär ein schönes Zusatzgeschäft gewesen, aber wir kommen auch so zurecht.« Er erhob sich. »Dann will ich mal wieder runter ins Lager, da gibt es genug zu tun. Ich hab nur gewartet, weil ich wissen wollte, wie das Gespräch ausgegangen ist.«

      Bettina legte ihm die Hand auf die Schulter. Toni war ja noch enttäuschter als sie. Aber das lag halt daran, daß er sich so sehr mit der Firma, mit den Fahrenbach überhaupt, identifizierte.

      »Wenn es uns vorbestimmt ist, werden wir Bellert und seine Produkte bekommen«, tröstete sie ihn, »wenn nicht, kommt etwas anderes auf unseren Weg.«

      »Na, ich weiß nicht«, zweifelte sie, »das klingt mir nun doch ein wenig zu esoterisch… aber nichts für ungut, Bettina… ich geh dann mal runter. Bleibst du noch lange im Büro?«

      »Ja, ich hab’ noch eine Menge zu tun.«

      *

      Nicht von Richard Bellert akzeptiert worden zu sein machte Bettina mehr zu schaffen, als sie zugeben wollte. Es war keine verletzte Eitelkeit, weil er sie nicht sofort mit Kußhand genommen hatte, sondern ein Schmerz, daß der Name Fahrenbach auf einmal nichts mehr wert war für ihn. Das tat wirklich weh, und am liebsten hätte sie ihren Bruder angerufen und einmal so richtig Tacheles mit ihm geredet.

      Doch das hätte nichts gebracht. Sie wäre nicht bis zu ihrem Bruder durchgekommen, sondern eine seiner Sekretärinnen, die sie allesamt nicht kannte, hätte sie vorher schon abgewürgt.

      So arbeitete Bettina besessen an neuen Projekten, die allesamt ihren derzeitigen Lieferanten zugute kommen würden. Die Umsätze zu steigern brauchte sie jetzt für ihr Ego, das ohnehin angeschlagen war. Die Trennung von Thomas, die Tatsache, daß es ihr nicht gelungen war, Leni mit ihrer leiblichen Tochter Yvonne zusammenzuführen, die einfach nicht daran interessiert war, ihre Mutter wirklich kennenzulernen. Eine Stippvisite auf dem Fahrenbach-Hof hatte gereicht, sie davon zu überzeugen, daß sie in Leni keine Mutter sehen konnte. Da war Yvonne unerbittlich und wollte nicht einsehen, daß Leni ihr einziges Kind nur aus lauter Not sofort nach der Geburt zur Adoption freigeben mußte und daß sie seither litt wie ein Hund. Der Kontakt zu Grit und Frieder war kaum da. Jörg war erst einmal entschwunden, niemand wußte, wie lange er an diesem Rucksack-Tripp Spaß haben würde. Und nun auch noch die Pleite mit Bellert.

      Sie schaute das Foto ihres Vaters an.

      »Tja, Papa, nichts ist mehr so wie es war. Und ich kann nichts machen… Papa, ich hab’ einen Knall, schon wieder fühle ich mich für alles verantwortlich. Wann hört das bloß auf?«

      Sie wandte sich wieder ihrem Konzept zu, das sie gerade für den Marillenbrand ausarbeitete, der wirklich ein hervorragendes Tröpfchen war. Wie sollte sie ihn anpreisen? Wunderbares Bukett, abgerundetes Aroma, weicher Geschmack?

      Bettina sah auf die Worte, die sie, einen Impuls folgend, gerade hingeschrieben hatte.

      Das klang doch eigentlich gut. Ja, das konnte sie so stehenlassen.

      Sie arbeitete konzentriert bis zum späten Nachmittag. Danach telefonierte sie mit ihrer Freundin Linde, die sich allmählich in ihren Alltag ohne ihren geliebten Martin tastete, der bei diesem schrecklichen und so sinnlosen Unfall sein Leben verloren hatte.

      Heute mußte sie Linde nicht besuchen, denn sie würde mit Markus ins Kino gehen, der auch unbedingt Ablenkung brauchte. Er hatte insgeheim wohl gehofft, Doris würde nicht nach Neuseeland zu ihrem Ex fliegen, sondern bei ihm bleiben. Doch ein Taxi hatte Doris in aller Frühe abgeholt, und die saß nun schon seit Stunden im Flieger, der sie nach Auckland bringen sollte in die Arme des Mannes, von dem sie gerade geschieden worden war.

      Welch eine verrückte Welt!

      Als Bettina nach getaner Arbeit in ihr Haus kam, fühlte sie sich einsam. Es war leer ohne Doris, sie hatte sich an die Gesellschaft ihrer Schwägerin gewöhnt. Doris war ein sehr angenehmer Hausgast gewesen.

      Bettina ging in die Küche, dort hatte Leni ihr eine Kleinigkeit zu essen hingestellt. Es sah alles sehr appetitlich aus, aber irgendwie hatte Bettina keinen Appetit.

      Anrufe waren auch keine gekommen.

      Sie ging die Treppe hinauf und ließ in ihrem Badezimmer Wasser in die Wanne laufen, in das sie köstlich duftendes Rosenöl goß.

      Im Nu war der Raum angefüllt von diesem edlen Aroma. Ihre Laune besserte sich augenblicklich.

      Nur wenige Minuten später lag sie in dem sich seidig anfühlenden Wasser und schloß die Augen.

      Früher, als ihre Welt noch in Ordnung war, hatte sie immer an Thomas gedacht, ihre große Liebe. Doch solche Gedanken verbot sie sich. Sie konnte und durfte nicht mehr an Thomas denken, der ihr verschwiegen hatten, daß es da eine Ehefrau Nancy in Amerika gab.

      Warum nur mußte sie immer wieder an Thomas denken und sich nur quälen. Es war vorbei, ihr Vertrauen dahin. All seine Liebesbeweise hatte sie ganz tief in eine Schublade gesteckt, nur eines ließ sich nicht entfernen und würde sie ihr Leben lang an Thomas erinnern – das in ihr Handgelenk eingeritztes und vernarbtes T. Als sie ganz jung gewesen waren, hatte er ihr als Schwur ewiger Liebe das T eingeritzt, so wie sich in seinem Handgelenk ein B fand.

      Warum hatte er ihr diese Ehefrau verschwiegen? Diese Frage quälte sie immer wieder. Sie hätte es nicht toll gefunden, aber doch verstanden. Schließlich waren sie mehr als zehn Jahre voneinander getrennt gewesen. Wenn die Intrige ihrer Mutter nicht ans Licht gekommen wäre, wäre es für immer gewesen.

      Sie hätte doch inzwischen auch verheiratet gewesen sein können.

      Nein! Und abermals nein! Kein Gedanke an Thomas mehr. Hörte das denn niemals auf?

      Die Lust am Baden war ihr verkleidet, sie stieg aus der Wanne und zog mit einem energischen Ruck den Stöpsel heraus, so daß das duftende Badewasser sich gurgelnd durch den Abfluß schob.

      Bettina hüllte sich in eines ihrer großen, flauschigen Badetücher und trat vor den Spiegel.

      Es schien, als wollten ihre raspelkurzen Haare aus Protest nicht wachsen. Sie hatte das Gefühl, daß sich auf ihrem Kopf nichts tat.

      Wie hatte sie sich freiwillig nur so verunstalten können. Hätte sie doch bloß auf den jungen Friseur gehört, der sie davor gewarnt hatte, ihre Haare so kurz zu schneiden. In ihrer Renitenz hatte sie darauf bestanden, so daß ihm überhaupt nichts anderes übrig geblieben war, als zur Schere zu greifen, denn sonst wäre sie unweigerlich zu einem anderen Friseur gegangen.

      Aber auch das war Schnee von gestern. Darüber mußte sie sich auch keine Gedanken mehr machen. Geschehen war geschehen.

      Sie trat beiseite, rubbelte sich trocken und verteilte üppig eine Bodylotion auf ihrem Körper. Danach schlüpfte sie in ihren Schlafanzug, nachdem sie ihre Zähne geputzt und auch reichlich Creme auf ihrem Gesicht verschmiert hatte.

      Waschen und Zähneputzen vergaß Bettina nie, aber mit dem eincremen schlampte sie hier und da. Das war ihr manchmal lästig. Einen Körperkult wie ihre Schwester Grit, mehr noch ihre Schwägerin Mona, könnte sie niemals betreiben. Von Grit wußte sie, daß die irrsinnig teure Cremes und Lotionen benutzte. Botox gehörte auch wie selbstverständlich zu ihrem Pflegeprogramm, und seit sie ihren jugendlichen Lover hatte, hatte auch der Schönheitschirurg hier und da Hand bei ihr angelegt. Doch gegen Mona war das nichts, die war mittlerweile das reinste Ersatzteillager. Sie war mehrfach runderneuert, und alles, was zu operieren war, hatte sie operieren lassen. Gebracht hatte es ihr nichts. Für Bettinas Begriffe sah sie gruselig aus, und

Скачать книгу