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Platz, ohne um Erlaubnis zu bitten.

      »Ich möchte eigentlich allein sein, Vater«, machte Kimball deutlich. »Für mich ist es sowieso zu spät.«

      Der Priester lächelte ihn an. »Wir haben dich beobachtet«, entgegnete er.

      Kimball konnte sich nur vorstellen, wie sein Gesichtsausdruck auf sein Gegenüber wirken musste. »Verzeihung … Sie haben was?«, fragte er ihn.

      »Kimball Hayden.« Der Mann hielt ihm eine Hand hin. »Mein Name ist Bonasero Vessucci – Kardinal Bonasero Vessucci.«

      Dies markierte den Beginn einer neuen Seilschaft.

      Der Mann also, dem man einst die Fähigkeit abgesprochen hatte, zerknirscht zu sein, arbeitete nun als Elitesoldat für die Kirche.

      Er gehörte nicht der Schweizergarde an.

      Ebenso wenig war er ein Mitglied des italienischen Militärs.

      Er war ein Ritter des Vatikan.

      Kimball Hayden setzte sich in seinem Bett auf. Sein halb zugedeckter Oberkörper ließ einen gut trainierten Bodybuilder vermuten, denn er hatte Oberarme dick wie die Oberschenkel eines durchschnittlichen Mannes, woran vor allem die Trizepsmuskeln beeindruckten.

      Auf der Suche nach Heil im Glauben wähnte er sich von jeher in einer Komfortzone, auch wenn diese weder unverrückbar noch abgeschlossen war. Jener Traum suchte ihn immer wieder heim, wobei sich das Szenario nie veränderte, was den psychoanalytischen Schluss zuließ, die überwältigenden Schuldgefühle, die ihn aufgrund des Mordes an zwei Kindern plagten, hätten zu einer plötzlichen Epiphanie geführt, die anscheinend nicht genügte.

      Schloss Kimball die Augen, stellte er sich Fragen wie: Wirst du mir je vergeben, Herr? Kannst du mir irgendwann verzeihen? Insgeheim glaubte er aber, wahre Vergebung bleibe ihm aufgrund der Tatsache, dass er einen Krieg aufgegeben hatte, um gegen seine persönlichen Dämonen zu kämpfen, für immer verleidet. Diese Dämonen wiederum würden ihn niemals vergessen lassen, sondern Nacht für Nacht zurückkehren, um das bisschen Hoffnung zu untergraben, das er hatte – die Vergangenheit, die von Tötungen durch seine Hand überschattet war, eines Tages hinter sich lassen zu können.

      Er stand aus dem Bett auf und stellte sich nackt im Mondlicht vor ein Schiebeglasfenster, das Los Angeles überblickte. Die Stadtbeleuchtung, viele kleine Lichtpunkte, erinnerten ihn an jene Nacht im Irak, als er mit Blick zum Himmel auf dem Wüstengrund gelegen hatte, zwei Kinder unter der Erde neben ihm und je eine seiner Hände auf ihren Gräbern.

      Dies blieb zweifelsohne seine finsterste Erinnerung.

      Im Dunkel des Zimmers seufzte er, bevor er sich vor die Scheibe setzte und ihn das Bedürfnis überkam, Alkohol zu trinken.

      Was hat sich denn wirklich verändert?, fragte er sich.

      Seine Verbindlichkeiten, seine Kriterien hingegen nicht. Unter Kimballs Leitung war ein Soldatentrupp in philippinische und südamerikanische Dschungel eingedrungen, um die Leben als Geiseln entführter Missionare zu retten. Ein andermal hatten sie Ostblockstaaten bereist, um sich am Schutz von Priestern vor aufständischen Dissidenten zu beteiligen, und waren auch nicht selten in Drittweltländern zwischen die Fronten im Clinch befindlicher Religionsorganisationen geraten. Persönliche Differenzen standen stets hintan, wenn sie als Ritter des Vatikan auftraten.

      Der springende Punkt war, egal wie überschaubar oder ausufernd – Krieg bleibt Krieg. Deswegen sterben weiterhin Menschen im Bestreben, ein leckes Schiff vorm Untergang zu bewahren. Sie schöpfen nur Wasser, statt die Löcher zu flicken.

      Seine Komfortzone mochte zwar auch die Front auf dem Schlachtfeld umfassen, doch Kimball brauchte Abstand von allem, das einen wesentlichen Teil seiner Welt ausmachte. Vonnöten war eine Pause, weiter Abstand von der Menschen ewiger Sünde Lohn, und den konnte er nehmen, indem er während der Versammlung als persönlicher Diener des Papstes arbeitete.

      Angesichts der schadhaften Träume, die ihn quälten, hätte Kimball Hayden nie gedacht, er müsse einmal auf seine sehr speziellen Fähigkeiten zurückgreifen, um sich selbst zu retten, den Papst und insbesondere die freie Welt.

      Er schaute auf die roten Digitalziffern seines Weckers. Es war noch nicht einmal nach Mitternacht.

      Trotzdem würde er warten, bis der Morgen anbrach.

      Kapitel 5

      Mexikanische Grenze, Arizona

      Es war Nacht geworden.

      Gruppe eins konnte die Markierung der Grenze sehen, die Mexiko von den USA trennte, einen schnöden Stacheldrahtzaun, dessen Bau zur Abschreckung augenscheinlich kaum der Mühe wert gewesen war, da sich an einigen Abschnitten zwischen den Pfosten große Löcher auftaten.

      Weit weg in der Ferne blinkten zwischenzeitlich die Lichter der Stadt Naco in Arizona.

      Die drei Araber kauerten neben der Aluminiumkiste nieder und achteten auf etwaige bedenkliche Geräusche. Ihre weitere Gesellschaft belief sich auf einen einzelnen Kojoten, dessen Umrisse sie im hellen Mondlicht oben an einem Felshang sahen. Im Dunkeln funkelten seine Augen wie Quecksilber, jenes eigentümliche wie kurze Aufblitzen glänzender Glaskörper vor schwarzem Hintergrund. Er kläffte mehrmals und verzog sich schließlich in ein dichtes Gestrüpp.

      Die Ausländer warteten weiter unter dem Dreiviertelmond, indem sie hocken blieben und mit Geduld als erlernter Tugend horchten. Die Stille beunruhigte sie allerdings, weil ihnen alles viel zu einfach vorkam. Naco hatte sich im Lauf der Jahre zu einem beliebten Ort entwickelt, an dem man die Grenze überqueren konnte, wenn man illegal einwandern wollte. Fünfzehn Meter weiter, dann hätten die drei in Arizona gestanden, ohne von jemandem oder etwas aufgehalten zu werden.

      Abdul-Ahad richtete sich zu voller Größe auf – eins zweiundneunzig – und rückte merklich humpelnd mehrere Schritte vorwärts. Sein angeschlagenes Bein machte sich nach dem langen Weg bemerkbar, den sie zurückgelegt hatten, seitdem der Van stecken geblieben war. Dann kniete er sich zwischen zwei Dünen und hielt eine geschlossene Faust hoch: das Signal für die anderen, sich vorerst nicht von der Stelle zu bewegen.

      Die Beleuchtung der Stadt fernab, ihre blinkende Helligkeit spornte alle Grenzübergänger zu einem Neubeginn an, doch ihn als einst elitäres Mitglied des syrischen Muchabarat, der nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs auf die Seite der Rebellenkämpfer gewechselt war, fiel etwas Merkwürdiges auf, wie es nur ein erfahrener Soldat spüren konnte.

      Nachdem er die Hand heruntergenommen hatte, hielt er sich vor Augen, wie weit seine Gruppe gekommen war, um Allahs Wünsche zu erfüllen. In dieser Nacht, mit den Vereinigten Staaten im Fadenkreuz, würden sie ihre Pflicht ausführen und früher als vorgesehen ins Paradies aufsteigen.

      Der Araber steckte eine Hand in die Tasche seiner Armeehose, nahm den Fernzünder der Atombombe heraus und klappte den Deckel des Tastenfelds auf. Ihm war allzu deutlich bewusst, was in der Dunkelheit vor ihnen auf sie wartete.

      Während er einen Zeigefinger über die Bedienung hielt, um zu tippen und den Sprengsatz scharfzumachen, dachte Abdul-Ahad: Ich weiß, dass du da draußen bist … Ich kann dich spüren …

      Wie auf ein Zeichen hin sprangen mehrere Flutscheinwerfer an, in einer Reihe montiert an einer Querstange eines Jeeps der Grenzpatrouille, und strahlten ihn wie seine Gefährten gnadenlos hell an.

      »Zollbehörde! Auf den Boden! Sofort … runter … auf den Boden!« Und dann für Mexikaner: »¡Patrulla Fronteriza! Abajo al suelo ahora mismo!«

      Tut mir leid, Freundchen, ich verstehe kein Spanisch.

      Abdul-Ahad begann sofort mit der Eingabe, schnell und mit Fingerspitzengefühl, sodass er sich kein einziges Mal vertippte, während das Passwort in kyrillischer Schrift auf dem Display erschien. Als es auf den Auslösemechanismus in dem Alubehälter übertragen wurde, begann die Aktivierung der Bombe.

      »¡Patrulla Fronteriza! Abajo al suelo ahora mismo!«

      »Majid, Quasay! Haltet sie ab!« Abdul-Ahads

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