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sie alt und runzlig ist«, fuhr Tatjana dann unbarmherzig fort. »Ehrlich, jeder, der da keine Angst bekommt, ist nicht normal.«

      Oliver sah nicht gerade danach aus, als ob er sich getröstet fühlte.

      »Von dieser Warte aus hab ich das noch gar nicht betrachtet.«

      An seiner skeptischen Miene bemerkte Tatjana, dass sie möglicherweise die falschen Worte gewählt hatte.

      »Komm schon, Oli, das war doch nur Spaß!«, versuchte sie schnell, ihren Fehler auszumerzen. Vertraulich legte sie den Arm um seine Taille. »Natascha ist eine tolle Frau. Ihr werdet sehr glücklich sein zusammen.« Sie betrachtete die Braut, die sich angeregt mit einem befreundeten Pärchen unterhielt. Ganz im Gegensatz zu ihrem zukünftigen Ehemann wirkte sie überglücklich und unbeschwert. Als ihr Gesprächspartner etwas Lustiges sagte, warf sie den Kopf in den Nacken und lachte herzlich.

      »Ja, ich weiß«, nickte Oliver, und ein Leuchten huschte über sein Gesicht, als er Natascha sinnend betrachtete. »Auch wenn diese geplante Endgültigkeit ein bisschen unheimlich ist, ist Natascha trotzdem das Beste, was mir je passiert ist.«

      »Ach, das hast du schön gesagt.« Für gewöhnlich war Tatjana nicht empfänglich für solche in ihren Augen übertriebenen Liebeserklärungen. Doch an diesem Tag war irgendetwas anders, und Tränen der Rührung traten ihr in die Augen.

      Oliver bemerkte es und erschrak.

      »Was ist denn los, Schnecke?«, fragte er alarmiert und suchte in seinen Taschen nach einem Taschentuch. Als er keines fand, reichte er ihr kurzerhand eine Serviette vom Stehtisch. »Bist du traurig, weil Danny nicht hier ist?«

      »Nein, nein«, winkte sie rasch ab und tupfte sich die Tränen aus den Augenwinkeln, bevor sie das kunstvolle Makeup zerstören konnten. »Oder vielleicht doch. Ach, ich weiß es nicht. Ich finde es auf jeden Fall toll, dass ihr diesen Schritt zusammen geht. Auch wenn ich nicht heiraten wollte. Und schon gar keinen Arzt.«

      Oliver wollte noch etwas erwähnen, als die schöne Natascha zu ihnen trat. Im Gegensatz zu sonst fiel ihr Haar in sanften Wellen über die Schultern. Ihre blauen Augen standen in einem aufregenden Kontrast zum schillernden Schwarz ihrer Haare.

      »Na, ihr beiden, über was unterhaltet ihr euch denn so angeregt?« Obwohl sie wusste, dass Tatjana eine kumpelhafte Freundschaft mit ihrem zukünftigen Ehemann verband, schien die schöne Ärztin ein wenig eifersüchtig zu sein. Besitzergreifend legte sie die Hand auf Olivers Schulter und lächelte Tatjana eine Spur herablassend an.

      »Darüber, dass ich niemals einen Arzt heiraten würde«, entfuhr es Tatjana, und das Lächeln auf Nataschas Gesicht wurde gezwungen.

      »Ach ja? Soweit ich weiß, bist du doch auch mit einem Arzt liiert. Wo ist er überhaupt?« Suchend sah sie sich nach Danny um, und langsam brodelte der Zorn in Tatjana.

      »Er hat einen Notfall«, presste sie durch die Zähne. »Das ist auch der Grund, warum ich ihn nie heiraten würde. Ich habe keine Lust, den Rest meines Lebens jeden Abend allein zu Hause zu verbringen.« Damit stellte sie das Glas auf den Stehtisch, nickte Oliver und Natascha zu und verließ ohne ein weiteres Wort die Party. Vor der Tür brach sie in Tränen aus, ohne erklären zu können, was überhaupt passiert war.

      *

      Nach diesem arbeitsreichen Tag gönnten sich Fee und Daniel ein entspannendes Glas Wein im Wohnzimmer. Ein Feuer prasselte im Kamin und warf tanzende Schatten auf den Boden. Versonnen beobachtete Fee die Funken, die aus dem knackenden Holz sprangen.

      »Ich möchte mal wissen, was mit Tatjana los ist«, teilte sie ihre Sorgen schließlich mit ihrem Mann. »Seit ein paar Tagen ist sie wie ausgewechselt. Im Augenblick ist nicht mehr viel übrig von ihrer gewohnten Souveränität.«

      »Wie meinst du das?« Daniel hatte sich auf der Couch lang gemacht. Er hielt das Glas in den Händen und betrachtete sinnend den dunkelroten Wein.

      »Kannst du dich daran erinnern, dass sie sich je über Dannys Arbeitszeiten beschwert hätte?«

      »Ehrlich gesagt nicht«, gestand er nach kurzem Nachdenken. »Ganz im Gegenteil hab ich sie immer für ihre Coolness bewundert. So entspannt warst du früher nicht«, fügte er spitzbübisch grinsend hinzu.

      »Was soll das denn heißen?« Wie erhofft sprang Fee sofort auf diese Provokation an.

      »Och, nichts«, spielte Daniel den Unschuldigen, als beide hörten, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Das Ehepaar tauschte verwunderte Blicke.

      »Wer kann das sein?«, fragte Fee, als Danny auch schon den Kopf zur Tür hereinsteckte.

      »Störe ich?«, fragte er pflichtschuldigst.

      »Danny, das ist ja eine schöne Überraschung!«, freute sich Fee, und Daniel setzte sich auf der Couch auf.

      »Natürlich nicht. Aber solltest du nicht eigentlich bei deiner Freundin auf dem Polterabend sein?«, fragte er und rutschte ein Stück zur Seite, um seinem Sohn Platz zu machen.

      Wenn Danny an Tatjana dachte, bekam er ein schlechtes Gewissen.

      »Lieber nicht. Tatjana ist mächtig sauer auf mich, oder?«, mutmaßte er. Sichtlich erschöpft ließ er sich neben seinem Vater aufs Sofa fallen, nahm ihm kurzerhand das Glas aus der Hand und trank einen großen Schluck. »Hmm, ein feiner Tropfen. Ihr lasst es euch wirklich gut gehen.«

      »Das haben wir uns ja auch verdient«, bemerkte Felicitas. »Aber du lenkst vom Thema ab. Was ist denn mit Tatjana und dir? Gibt es einen besonderen Grund für ihre plötzliche Unzufriedenheit?«

      Verwirrt blickte Danny von einem zum anderen.

      »Wieso denn Unzufriedenheit? Es ist alles in bester Ordnung.«

      Diesen Eindruck hatte Fee ganz und gar nicht gehabt, und allmählich verstand sie Tatjana. Wenn ihr eigener Freund noch nicht einmal bemerkte, dass etwas nicht in Ordnung war, dann stand es offenbar nicht zum Besten um die Beziehung. Da sie sich aber nicht ungefragt einmischen wollte, verzichtete sie auf eine entsprechende Bemerkung. Sie stand auf, holte ein Glas und schenkte ihrem Sohn ein. Danny dankte es seiner Mutter mit einem zärtlichen Lächeln. Dann wandte er sich an seinen Vater.

      »Sag mal, Dad, du meintest doch, dass ich irgendwann mal mit meiner Doktorarbeit anfangen sollte …«, riss er ein überraschendes Thema an.

      »Wie kommst du denn plötzlich darauf?«, wunderte sich Daniel zu Recht. Schon lange hatten sie nicht mehr darüber gesprochen.

      Mit diesem Einwand hatte Danny gerechnet und sich schon eine passende Ausrede zurecht gelegt.

      »Ach, ich denke schon eine ganze Weile drüber nach. Auch deshalb, weil mich immer wieder Patienten darauf ansprechen, dass ich noch keinen Doktortitel habe. Sie zweifeln meine Kompetenzen an. Das gefällt mir ehrlich gesagt gar nicht.« Das war noch nicht einmal gelogen. In der Tat stieß es manchen Patienten sauer auf, dass der junge Arzt ohne Promotion in der Praxis seines Vaters arbeitete, und sie zogen es daher vor, vom Senior behandelt zu werden.

      Daniel grinste verschmitzt.

      »Das klingt danach, als ob ich mich demnächst aufs Altenteil zurückziehen und mit deiner Mutter eine Weltreise machen könnte.«

      »Tut mir leid, mein Lieber.« Ein Einspruch von Fees Seite ließ nicht lange auf sich warten. »Aber da hast du die Rechnung offenbar ohne den Wirt gemacht«, teilte sie ihrem Mann lächelnd, aber bestimmt mit und streckte sich nach der Schüssel mit den Erdnüssen. Sie nahm ein paar und steckte sie in den Mund. »Jahrelang hab ich dich unterstützt und bin dir zur Seite gestanden. Dasselbe erwarte ich jetzt von dir. Meine Ausbildung zum Facharzt hat ja eben erst begonnen«, erinnerte sie ihn mit gespieltem Bedauern an die Tatsachen.

      Daniel verdrehte die Augen gen Himmel und seufzte theatralisch.

      »Siehst du, mein Junge, das hat man nun davon. Nichts im Leben ist umsonst.«

      Für gewöhnlich liebte Danny die kleinen Neckereien und Scherze, doch an diesem Abend war er mit den Gedanken bei Marika. Deshalb zog es ihn unweigerlich

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