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mich an einen Stamm und wartete, bis mich jemand fand. Meine Eltern behaupten, ich war höchstens eine Stunde alleine da draußen, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Es wurde dunkel, das Gewitter tobte um mich herum und es schüttete. Neben mir schlug krachend ein großer Ast auf den Boden, den der Sturm von dem Baum gerissen hatte, unter dem ich saß.« Ich fühlte den Schauer, der durch Angelina lief, als sie sich an die Szene erinnerte. Sie hatte den Kopf auf meine Schulter gebettet und obwohl ich mich auf ihre leisen Worte konzentrieren musste, um sie zu verstehen, registrierte ich den warmen Hauch ihres Atems an meinem Hals.

      »Das muss furchtbar gewesen sein.« Ich strich sanft mit dem Daumen über ihre Wange.

      »Ich hatte noch Jahre später immer wieder Albträume. Sieht so aus, als ob ich diese blöde Angst nie wieder loswerde.« Sie klang genervt, trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sie sich im Moment da recht wohlfühlte, wo sie sich gerade befand.

      »Was denkst du?«, fragte sie.

      »Dass ich froh bin, hier bei dir zu sein, damit ich dir ein bisschen Sicherheit geben kann.« Ich drückte sie sanft an mich. Wie sehr ich es insgeheim genoss, sie so nahe bei mir zu haben, musste sie ja nicht wissen.

      »Darüber bin ich auch froh«, gestand sie und hauchte mir ein Küsschen auf den Hals. »Sehr froh sogar. Wenn ich damit gerechnet hätte, dass es schon in der Nacht losgeht, wäre ich bei Inés geblieben oder zu meinen Eltern gefahren.« Erneut donnerte es und die Fensterscheiben klirrten.

      »Sieht so aus, als ob wir gestern und heute die letzten schönen Tage erwischt hätten. Es hat empfindlich abgekühlt. Jetzt kommt unwiderruflich die ungemütliche Jahreszeit«, stellte ich fest. Das war auch die Zeit, in der ich mich besonders gerne an einen weichen, warmen Frauenkörper kuschelte, aber das behielt ich lieber für mich.

      »Ja, wenigstens haben wir es noch richtig genossen.« Sie hob den Kopf und lächelte mich an. Der Kerzenschein zauberte Glanzlicher in ihre Augen und ihr Haar. Es gab mir ein gutes Gefühl, dass sich Angelina langsam entspannte. Ich mochte es, wenn sich Frauen mit mir wohlfühlten. Eine Weile saßen wir einfach so aneinandergekuschelt, bis ich merkte, dass sie ein Gähnen unterdrückte. Auch bei mir machte sich langsam Müdigkeit breit. Noch immer tobte das Unwetter unvermindert.

      »Klingt nicht so, als ob es bald vorbei wäre«, stellte ich fest. Das war nicht ungewöhnlich. Im Sommer regnete es auf Mallorca fast nie, dafür fiel in den kühleren Monaten der Niederschlag, der für den Rest des Jahres reichen musste. Außerdem war die Insel den heftigen Stürmen schutzlos ausgeliefert. Die Aussicht, Angelina mit ihren Ängsten alleine zu lassen, behagte mir genauso wenig, wie mich durch Sturm und Regen zurück zu meiner Wohnung zu kämpfen.

      Angelina räusperte sich und klappte den Mund auf, schloss ihn dann aber wieder. Fragend sah ich sie an. »Wolltest du etwas sagen?«

      »Ich habe gerade überlegt ... Ich meine ... Wäre es sehr seltsam, wenn ich dir vorschlage, heute Nacht bei mir zu bleiben?«

      Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. »Du wärst nicht die erste Frau, die mich das fragt.«

      Sie schlug mir mit der flachen Hand strafend an die Schulter. »Nicht so! Als Freund natürlich.«

      Ich lachte. »Das hab ich schon verstanden. Hier auf der Couch?« Ich besah das Möbelstück demonstrativ kritisch. »Zu zweit hier zu liegen, stelle ich mir sehr unbequem vor. Um genau zu sein, wäre es nicht einmal für eine Person bequem, fürchte ich.«

      Nun wurde Angelina noch verlegener, was mich ziemlich amüsierte. »Wir könnten uns auch ins Bett legen.«

      »Hast du keine Bedenken, dass ich mich in der Nacht an dich ranmache?« Das konnte ich mir einfach nicht verkneifen und sogar in dieser schummrigen Beleuchtung konnte ich erkennen, dass ihr die Röte in die Wangen stieg. Sie war echt süß.

      »Nein. Man hört so einiges über dich, aber dass du dich einer Frau aufgedrängt hättest, war nicht dabei.«

      Die Antwort überraschte mich. »Sag bloß, über mich wird getratscht.«

      Nun schmunzelte sie und ein schelmisches Blitzen trat in ihre Augen, das mir wesentlich besser gefiel, als der ängstliche Ausdruck von vorhin. »Aber sicher doch. Sag bloß, Männer reden nicht über ihre Eroberungen.«

      Abwehrend schüttelte ich den Kopf. »Ich nicht. Bei mir gilt: Der Gentlemen genießt und schweigt. Ich hab es nicht nötig, mich damit zu brüsten.« Die Neugier trieb mich zu einer Frage, die ich vielleicht besser nicht stellen sollte. »Und was erzählt man sich über mich?«

      »Das willst du wirklich wissen?«

      Ich nickte und sie schien zu überlegen, was davon für meine Ohren bestimmt sein könnte.

      »Ich hab gehört, dass du gerne verwöhnst und dir wichtig ist, dass deine Partnerin es genießt.«

      »Na klar ist es das. Und sonst?« Ich war natürlich neugierig, wie mein bestes Stück bewertet wurde, aber so offen wollte ich nicht danach fragen.

      »Du hast den Ruf, ein einfühlsamer und ausdauernder Liebhaber zu sein«, gab sie nun mit einem anerkennenden Lächeln zu. »Und das ist das Wichtigste überhaupt.«

      War es das? Ich beschloss, mich mit dieser Auskunft zufriedenzugeben. Wer zu viel fragte, lief Gefahr, etwas zu hören, was besser ungesagt geblieben wäre. Und es war auch nicht so, dass ich Komplexe bezüglich meines Schwanzes hatte oder nach Komplimenten fischen musste. »Also soll ich bleiben?«, fragte ich stattdessen. Sie nickte und rutschte von meinem Schoß. Erst jetzt fiel mir auf, dass sie auf die Dauer doch etwas schwer geworden war und meine Beine taub waren. Ich biss die Zähne zusammen, als sich das Blut wieder kribbelnd durch die Adern verteilte, während Angelina aus dem Zimmer eilte, um meine Betthälfte zu überziehen.

      Mir ging noch einmal durch den Kopf, was sie gesagt hatte. Dass ich Gegenstand des örtlichen Tratsches sein könnte, war mir nie in den Sinn gekommen, doch eigentlich hätte es mir klar sein müssen. Wenn es das Gerede nicht gäbe, hätte unser Freund Enrique sich nicht so lange damit gequält, seine Homosexualität geheim zu halten. Aber wie sah man mich? War ich der Dorfcasanova oder eine männliche Schlampe? Wurde ich vielleicht sogar mit meinem Vater verglichen? Der Gedanke verursachte mir Unbehagen, dabei war ich bisher einfach Stolz darauf gewesen, einen guten Ruf bei den Frauen zu haben. Angelina kam wieder ins Wohnzimmer und erst jetzt fiel mir auf, dass da eine weitere Tür war.

      »Ich war so durch den Wind, dass ich dir nicht einmal etwas zu trinken angeboten habe«, stellte sie schuldbewusst fest. »Noch ein Glas Wein vor dem Schlafengehen?«

      »Lieber nicht.« Mir war es wichtig, dass ich einen klaren Kopf bewahrte, um meine Hände bei mir zu behalten, auch wenn eine verführerische Frau neben mir lag. Hatte ich schon jemals mit einer das Bett geteilt, ohne erotische Absichten zu haben? Ich konnte mich nicht daran erinnern.

      9. Kapitel

      Angelina

      Ich fühlte mich unglaublich entspannt, wohl und geborgen. Das war das Erste, was ich registrierte, als ich aufwachte. Nur widerstrebend öffnete ich die Lider einen Spalt. Ich wollte noch nicht wach werden. Nicht, wenn ich mich deshalb von dem schönen Traum trennen musste, der noch nachwirkte. Mein Schlafzimmer wurde von den milden, weichen Strahlen der frühen Morgensonne erhellt und ich wunderte mich, dass das herrliche Wohlgefühl meines Traumes nicht verblasste. Da war dieser Mann gewesen ... So liebevoll ... Plötzlich wurde mir bewusst, dass der Arm, der über meinem Brustkorb lag, sehr real war. Ebenso wie der Atem, der gleichmäßig über meinen Nacken strich. Ein großer, warmer Körper schmiegte sich eng an meine Rückseite und etwas Heißes, Langes drückte hart gegen meinen Po. Lorenzo! Schlagartig fielen mir die Ereignisse der vergangenen Nacht ein und ich unterdrückte ein Stöhnen. Hatte ich ihn tatsächlich darum gebeten, mir bei dem furchtbaren Gewitter zur Seite zu stehen? Nein, eigentlich war es andersrum gewesen. Er hatte selbst angeboten, mitten durch Sturm und Regen zu mir zu kommen, und war dann geblieben. Oh mein Gott, das war das Süßeste, was jemals ein Mann für mich gemacht hatte! Und wie konnte es sein, dass ich trotz des Unwetters so gut geschlafen hatte? Normalerweise hätte

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